Prof. Dr. Bernhard Rauch
Die am 18.8.2009 in Kraft getretene 6. HOAI-Novelle gilt nach der Übergangsvorschrift des § 55 nicht für Leistungen, die vor ihrem Inkrafttreten vertraglich vereinbart wurden; insoweit bleiben die bisherigen Vorschriften anwendbar. Für Verträge also, die ab dem 18.8.2009 geschlossen wurden, wird die Vergütung nach der neuen HOAI berechnet bzw. wird die Wirksamkeit von (nach wie vor zulässigen) Honorarvereinbarungen nach der neuen HOAI beurteilt. Was auf den ersten Blick so einfach ist, erweist sich mitunter als juristisch kompliziert.
Der mündliche oder konkludente Vertrag
Wenn ein Vertrag nicht aufgrund bestimmter Vorschriften (Beispiel: Schriftformerfordernisse in Landkreis- und Gemeindeordnungen oder nach Kirchenrecht) schriftlich geschlossen werden musste, genügt eine mündliche Vereinbarung. Ein Beispiel: Der Bauherr beauftragt den Architekten im Juli 2009 mit der Planung seines Einfamilienhauses, der Architekt nimmt diesen Auftrag ausdrücklich oder konkludent (durch Aufnahme der Tätigkeit und Präsentation erster Ergebnisse) noch vor dem Stichtag 18.8. an. Dann bestimmt sich die Vergütung nach der alten HOAI. Dies gilt auch für Leistungen, die nach dem 18.8. erbracht wurden oder werden.
Das Problem Akquisition/Auftrag
Der Übergang von akquisitorischer/werbender Tätigkeit zu einem konkludent abgeschlossenen Vertrag ist häufig schwierig zu beurteilen und liegt in einer zeitlichen Grauzone. Wann ist die Tätigkeit des Architekten (noch) eine werbende und wann hat sich die Kooperation von Architekt und Auftraggeber zu einem Auftragsverhältnis verdichtet?
Für die Frage, welche HOAI zur Anwendung kommt, ist wieder maßgebend, ob der konkludente Vertragsschluss vor oder nach dem 18.8. war. Die Beweislast hinsichtlich des Zeitpunkts trägt derjenige, der daraus für sich günstige Rechtsfolgen ableiten will (i. d. R. also der Architekt, der in den Genuss der zehnprozentigen Honorarerhöhung kommen möchte). Ist der Zeitpunkt nicht eindeutig zu klären, ist dem Architekten natürlich zu empfehlen, nach der HOAI-Fassung abzurechnen, die für ihn zunächst günstiger ist. Möglicherweise beurteilt auch der Auftraggeber den Zeitpunkt der Beauftragung genauso.
Einem mündlichen Auftrag folgt ein schriftlicher Vertrag
Häufig kommt es vor, dass der Architekt zunächst mündlich beauftragt und erst geraume Zeit später ein schriftlicher Vertrag abgeschlossen wird. Ein Beispiel: Der Bauherr beauftragt den Architekten im Juni 2009 mündlich, der schriftliche Vertrag wird aber erst im September 2009 geschlossen. Hier zählt der Zeitpunkt des rechtsverbindlichen Vertragsschlusses, der hier in unserem Beispielfall im Juni 2009 lag. Es kommt darauf an, wann Bauherr und Architekt sich über den Auftrag verbindlich geeinigt haben. Dass zu diesem Zeitpunkt noch nicht alle Bedingungen endverhandelt waren, ist unschädlich. Es ist also hier die alte HOAI anzuwenden.
Etwas anderes würde nur gelten, wenn die Parteien von Anfang vereinbart haben, dass der Vertrag schriftlich geschlossen wird. Dann kommt nach §§ 127, 126 BGB nämlich der Vertrag im Zweifel erst mit seiner schriftlichen Abfassung wirksam zustande. Eine solche „Schriftformvereinbarung“ kann auch mündlich wirksam getroffen werden. Im Streitfall muss der Architekt dies allerdings beweisen können. In diesem Fall würde in unserem Beispielfall die neue HOAI Anwendung finden.
Verträge mit Schriftformerfordernis oder Genehmigungsbedarf
Gemeinde- und Landkreisordnungen sehen vor, dass Verträge zu ihrer Wirksamkeit schriftlich geschlossen werden müssen. Vertragsmuster vieler öffentlicher Auftraggeber sehen vor, dass Verträge nur schriftlich wirksam zustande kommen (verabredete Schriftform). Bei Bauvorhaben von Kirchenstiftungen bedürfen die Verträge zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. In all diesen Fällen hängt die Wirksamkeit des Vertragsschlusses als maßgeblicher Zeitpunkt für die Frage, welche HOAI zur Anwendung kommt, von der Einhaltung der Schriftform bzw. der Genehmigung ab.
Hierzu wieder ein Beispiel: Der Gemeinderat beschließt im Mai 2009, dem Architekten den Auftrag zu erteilen. Dieser Beschluss bedarf des Vollzugs durch den Bürgermeister. Im Juni wird der Vertragsentwurf vom Architekten dem Bürgermeister unterschrieben übermittelt. Am 19.8. reicht der Bürgermeister den Vertrag gegengezeichnet zurück. Damit ist der Vertrag nach Inkrafttreten der neuen HOAI geschlossen worden, es gilt also die neue HOAI.
Ein zweites Beispiel: Architekt und Kirchenstiftung werden sich im Juli 2009 einig. Ein schriftlicher, von beiden Seiten unterzeichneter Vertrag wird noch im Juli der kirchlichen Aufsichtsbehörde in vierfacher Ausfertigung zugeleitet. Diese genehmigt den Vertrag aber erst nach dem 18.8. Es gilt für den Vertrag die neue HOAI, da der Vertrag erst nach Inkrafttreten der neuen HOAI wirksam wurde.
Zur Wirksamkeit von Honorarvereinbarungen
An der Zulässigkeit und der Wirksamkeit von Honorarvereinbarungen hat sich grundsätzlich nichts geändert. Nach der bis 17.8. gültigen Fassung der HOAI vom März 1991 ist eine Honorarvereinbarung nach § 4 Abs. 1 wirksam, wenn sie schriftlich bei Auftragserteilung getroffen wurde und das rechnerische Endergebnis sich im Rahmen der Mindest- und Höchstsätze bewegt (sofern kein Ausnahmefall nach § 4 Abs. 2 oder 3 vorliegt). Die Honorarvereinbarung kann beliebig getroffen werden. Maßgeblich ist nur, dass das rechnerische Endergebnis sich im Rahmen der Mindest- und Höchstsätze hält (so BGH, U. v. 17.4.2009, VII ZR 164/07 zur Vereinbarung, nach Stundensätzen abzurechnen). Für die HOAI 2009 sagt dasselbe § 7 Abs. 1 aus; die Ausnahmetatbestände sind in § 7 Abs. 3 und 4 geregelt.
Da nach beiden Fassungen der HOAI Honorarvereinbarungen der Schriftform bedürfen, ist die Rechtslage bei mündlichen Verträgen und mündlichen Honorarvereinbarungen klar: Sie sind unwirksam. Welche HOAI-Fassung anstelle der unwirksamen Vereinbarung gilt, richtet sich allein danach, ob der mündliche Vertrag vor oder nach dem 18.8. geschlossen wurde. Bei einer im Übrigen formell wirksamen schriftlichen Honorarvereinbarung (bei Auftragserteilung) kann es mitunter komplizierter werden.
Ob eine nach altem Recht getroffene Honorarvereinbarung wirksam ist, beurteilt sich unter Umständen nach neuem Recht. Hierzu wieder ein Beispiel: Der schriftliche Vertrag, der eine Honorarvereinbarung enthält, wurde zwar vor dem 18.8. vorbereitet, abgeschlossen wurde er aber erst nach dem 18.8. Es gilt also die neue HOAI und die Frage, ob die Honorarvereinbarungen in diesem Vertrag wirksam sind, richtet sich danach, ob das rechnerische Endergebnis im Honorarrahmen der neuen HOAI liegt.
Hierzu ein konkreter Fall: In einem schriftlicher Standardvertrag nach der alten HOAI ist zu lesen, dass die anrechenbaren Kosten gem. § 10 Abs. 2 HOAI für die Leistungsphasen 1 bis 4 nach der Kostenberechnung, für die Leistungsphasen 5, 6 und 7 nach Kostenanschlag und für die Leistungsphasen 8 und 9 nach Kostenfeststellung gem. DIN 276, Fassung 1981 der Abrechnung zugrunde gelegt werden. Wird dieser Vertrag wirksam erst nach dem 18.8. abgeschlossen, ist ja für die Leistungsphasen 1 bis 9 einheitlich die Kostenberechnung nach DIN 276, Fassung Dezember 2008 der Abrechnung zugrunde zu legen. Was nach alter HOAI gem. § 10 Abs. 2 die Regel war, ist nach neuer HOAI also jetzt eine Honorarvereinbarung.
Grundsätzlich darf der Architekt nach dieser Honorarvereinbarung abrechnen (BGH, U. v. 13.1.2005, VII ZR 353/03). Ob sie wirksam ist, ist durch eine Vergleichsberechnung zu ermitteln. Dies ist dann erforderlich, wenn der Auftraggeber die Unwirksamkeit der Honorarvereinbarung einwendet. Dazu ein Rechenbeispiel mit konkreten Zahlen Honorarzone III, anrechenbare Kosten gem. Kostenberechnung DIN 276 (Fassung 1981): 400.000 Euro, gem. Kostenanschlag: 450.000 Euro, gem. Kostenfeststellung: 500.000 Euro. Danach errechnet sich ein Honorar gemäß alter HOAI in Höhe von 41.468 Euro netto ( 38.127 x 27 Prozent = 10.294,20 + 41.362 x 39 Prozent = 16.131,18 + 44.243 x 34 Prozent = 15.042,62). Nach HOAI 2009 beträgt das Nettohonorar bei anrechenbaren Kosten gem. DIN 276, Fassung Dezember 2008 von 400.000 Euro (der Einfachheit halber wurde im Beispielfall angenommen, dass die anrechenbaren Kosten gem. Kostenberechnung nach DIN 276, Fassung 1981 und DIN 276, Fassung Dezember 2008 eine identische Summe ausweisen, wovon man wohl nicht unbedingt ausgehen kann) nach Mindestsatz 41.490 Euro und nach Höchstsatz 52.175 Euro. Das rechnerische Endergebnis nach der Honorarberechnung gemäß alter HOAI mit 41.468 Euro liegt also unter dem Mindestsatz der Abrechnung nach der neuen HOAI und ist damit unwirksam. Der Architekt erhält also 41.490 Euro netto. Die Höhe der vereinbarten Nebenkosten spielt im Übrigen in den Vergleichsberechnungen keine Rolle.
Natürlich gibt es auch den umgekehrten Fall, den das folgende Beispiel erläutert: Im Juni 2009 wird ein schriftlicher Architektenvertrag geschlossen. Die Parteien vereinbaren, dass Leistungen, die ab Inkrafttreten der neuen HOAI erbracht werden, nach der HOAI 2009 abgerechnet werden. Diese Regelung entspricht dem § 103 alter Fassung, der aber nach der HOAI 2009 nicht mehr gilt. Die Rechtslage ist nun folgende:
Da der Vertrag vor Inkrafttreten der neuen HOAI geschlossen wurde, gilt die HOAI in der Fassung der 5. Novelle 1991. Die Vereinbarung im Vertrag vom Juni 2009, dass nach der HOAI 2009 abgerechnet wird, ist eine Honorarvereinbarung. Diese ist nur wirksam, wenn das rechnerische Endergebnis dieser Vereinbarung im Rahmen des Mindest- und Höchstsatzes der Abrechnung nach der alten HOAI liegt. Wird der Mindestsatz unterschritten, gilt der Mindestsatz nach der alten HOAI, wird der Höchstsatz überschritten, gilt der Höchstsatz (BGH, U. v. 11.10.2007, VII ZR 25/06).
Um dies nachprüfen zu können, muss eine Vergleichsberechnung durchgeführt werden, einerseits nach alten Abrechnungsgrundsätzen (DIN 276, Fassung 1981, Leistungsphasen 1 bis 4 nach Kostenberechnung, Leistungsphasen 5 bis 7 nach Kostenanschlag und Leistungsphasen 8 und 9 nach Kostenfeststellung, Tafelwerte von 1991) einmal nach Mindestsatz, dann nach Höchstsatz (um den Honorarrahmen zu ermitteln). Dem wird dann gegenübergestellt die im Vertrag vereinbarte Abrechnung, also Kostenberechnung nach DIN 276, Fassung Dezember 2008 für alle Leistungsphasen, Tafelwerte von 2009.
Der Problemfall „Stufenweise Beauftragung“
Richtig kompliziert wird es bei Verträgen, die eine stufenweise Beauftragung vorsehen, wie etwa die Vertragsmuster der Richtlinien für die Durchführung von Bauaufgaben des Bundes (RBBau), und noch vor dem 18.8. geschlossen wurden. Mit dem Abruf einer jeden Stufe kommt nämlich ein neuer Vertrag über die jeweilige Stufe zustande – und zwar nach den im stufenweisen Vertrag getroffenen Honorarbedingungen. Nach einem Urteil des BGH vom 27.11.2008 (VII ZR 211/07) steht nämlich die Honorarvereinbarung bei stufenweiser Beauftragung unter der aufschiebenden Bedingung, dass die in Aussicht genommenen Leistungen tatsächlich in Auftrag gegeben werden. Die dazu vorab getroffene Honorarvereinbarung wird mit Abruf der jeweiligen Stufe wirksam und ist deshalb „bei Auftragserteilung“ getroffen. Für die vor dem 18.8. abgerufenen Stufen gilt also die alte HOAI in der Fassung von 1991, für die ab 18.8. abgerufenen Stufen gilt die HOAI in der Fassung 2009. Die Honorarvereinbarungen in diesen Verträgen werden also je nach dem, wann die Stufen abgerufen wurden, entweder nach HOAI 1991 oder nach HOAI 2009 auf ihre Wirksamkeit geprüft.
Auch dazu ein Beispiel: Im Frühjahr 2009 wird ein stufenweiser Vertrag geschlossen. Dieser Vertrag enthält Honorarvereinbarungen, die sich im Rahmen der Mindest- und Höchstsätze der zu diesem Zeitpunkt geltenden, also der alten HOAI bewegen und damit wirksam sind. Vor dem 18.8. werden die Stufen 1, 2 und 3 abgerufen. Wird nun im Oktober 2009 die Stufe 4 des Vertrages abgerufen, kommt über die Stufe 4 mit dem Abruf ein gesonderter Vertrag zu den Honorarbedingungen des im Frühjahr 2009 abgeschlossenen Vertrages zustande.
Für die Stufe 4 ist dann zu prüfen, ob das rechnerische Endergebnis der Abrechnung aufgrund der Vereinbarung vom Frühjahr 2009 sich im Honorarrahmen einer Abrechnung nach der HOAI 2009 sich bewegt. Wird der Honorarrahmen der HOAI 2009 unterschritten, gilt der Mindestsatz der HOAI 2009, wird der Höchstsatz überschritten, gilt der Höchstsatz der HOAI 2009.
Dies kann je nach Projektverlauf zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen führen, wie das folgende Beispiel zeigt: Stufen 1, 2 und 3 werden vor dem 18.8. abgerufen. Die anrechenbaren Kosten gem. Kostenberechnung DIN 276, Fassung 1981 betragen 2,5 Millionen Euro. Es ist gem. Vertrag nach Mindestsatz Honorarzone IV abzurechnen. Stufe 4 (Leistungsphasen 8 und 9) wird nach dem 18.8. abgerufen. Die anrechenbaren Kosten gem. Kostenfeststellung nach DIN 276, Fassung 1981 betragen aufgrund besonderer Umstände 3 Millionen Euro netto, liegen also um 500.000 Euro über denen der Kostenberechnung. Nach der im Vertrag getroffenen Honorarvereinbarung würde das Honorar gem. HOAI 1991 für die Leistungsphase 8 genau 83.880,11 Euro netto betragen (31 Prozent von 270.581 Euro). Die besonderen Umstände, die zur Erhöhung der anrechenbaren Kosten geführt haben, spielen aber für die Abrechnung der Stufe 4 nach der HOAI 2009 keine Rolle, es ist auch die Leistungsphase 8 nach der Kostenberechnung (allerdings auf Basis der DIN 276, Fassung Dezember 2008) abzurechnen (§ 6 Abs. 1 HOAI 2009). Bei 2,5 Millionen Euro gem. Kostenberechnung errechnet sich nach HOAI 2009 ein Mindestsatz von 78.890,97 Euro netto (31 Prozent aus 254.487 Euro).
Nun stellt sich die interessante Frage, ob die Vereinbarung des Mindestsatzes im stufenweisen Vertrag auch Maßstab für die Abrechnung der ab 18.8. abgerufenen Stufen ist (ob also die Leistungsphase 8 zwingend nach dem Mindestsatz der HOAI 2009 abzurechnen ist), oder ob es sich aus dem Gesamtzusammenhang des Abrechnungssystems der HOAI 1991 um eine Honorarvereinbarung unter Berücksichtigung aller Honorarparameter handelt. Letzteres dürfte richtig sein. Damit steht also bei 2,5 Millionen Euro anrechenbaren Kosten gem. Honorarberechnung nun ein Honorarrahmen von 78.890,97 Euro (31 Prozent aus 254.487 Euro) bis 89.541,02 Euro (31 Prozent aus 288.842 Euro). Nachdem die Abrechnung der Leistungsphase 8 nach anrechenbaren Kosten der Kostenfeststellung von 3 Millionen Euro und Tafelwerten der HOAI 1991 wie dargestellt 83.880,11 Euro netto beträgt, liegt sie damit innerhalb des Honorarrahmens der Abrechnung nach HOAI 2009. Der Architekt kann also die Leistungsphase 8 mit 83.880,11 Euro netto abrechnen.
Die stufenweisen Verträge werden also in der Übergangsphase eine Reihe von Problemen aufwerfen, die, sollte man sich nicht einigen, von den Gerichten verbindlichen geklärt werden. Je nach Projektverlauf wird die Umstellung auf die neue HOAI gerade bei stufenweisen Verträgen mitunter auch zu untragbaren Ergebnissen führen. Dann kann eine Anpassung der Honorarbedingungen nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB verlangt werden. Dessen Absatz 1 sei hier wegen seiner Bedeutung für das Thema zitiert: „Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.“
Eine Anpassung der Honorarbedingungen ist im Übrigen bei Abruf einer neuen Stufe nach dem 18.8. jederzeit möglich, da ja der Vertrag über diese Stufe mit dem Abruf zustande kommt und auch eine Honorarvereinbarung damit „bei Auftragserteilung“ erfolgt. Allerdings muss zwingend die Honorarvereinbarung in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Abruf der Stufe getroffen werden oder zumindest der Honoraranpassungsanspruch angemeldet werden, um den formellen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 HOAI 2009 zu genügen.
Wird der Anspruch erst Wochen oder Monate nach Abruf der Stufe im Rahmen eines Streits über die Abrechnung geltend gemacht, ist es zu spät. Es kann deshalb nur an beide Vertragspartner appelliert werden, bei Abruf einer neuen Stufe ab 18.8. die Honorarfolgen einer Abrechnung nach der HOAI 2009 zu überdenken und eine einvernehmliche Anpassung herbeizuführen. Der Rechsweg steht auch offen, wenn die Auswirkungen nicht so gravierend sind, dass der Tatbestand des § 313 Abs. 1 BGB erfüllt ist. Der Abruf einer neuen Stufe stellt einen neuen Vertrag dar und in diesem Zusammenhang kann eine neue Honorarvereinbarung (bei Auftragserteilung und im Rahmen der Mindest- und Höchstsätze der HOAI 2009) getroffen werden.
Zumindest missverständlich sind die Ausführungen im Einführungserlass vom 18.08.2009: „Auch bei Stufenverträgen, die vor Inkrafttreten der 6. Novelle zur HOAI abgeschlossen und in denen Honorarvereinbarungen über später zu erbringende Leistungen getroffen wurden, gilt das bisherige Recht fort.“ Richtig ist: Es gilt nicht das bisherige Recht fort, vielmehr gelten die Honorarvereinbarungen fort, sofern sie sich im Rahmen der neuen Mindest- und Höchstsätze halten.
Vereinbarungen im Zusammenhang mit § 103 Abs. 2 der alten HOAI
Nach § 103 Abs. 2 der alten HOAI konnten die Parteien vereinbaren, dass Leistungen, die nach einer HOAI-Änderung erbracht werden, nach den ab diesem Zeitpunkt geltenden HOAI-Regelungen abgerechnet werden. In vielen Verträgen wurde von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Das Problem liegt nun darin, dass die neue HOAI eine vergleichbare Vorschrift nicht mehr kennt, diesbezügliche Regelungen in den Verträgen vor Inkrafttreten der neuen HOAI von dieser also nicht mehr gedeckt sind.
Es handelt sich um eine Honorarvereinbarung, deren Wirksamkeit sich danach bestimmt, ob die Abrechnung der nach dem 18.8. erbrachten Leistungen nach der neuen HOAI sich im Honorarrahmen der alten HOAI bewegt. Werden dadurch deren Höchstsätze überschritten, darf der Höchstsatz abgerechnet werden, werden die Mindestsätze unterschritten, gilt der Mindestsatz.
Besonders pikant wird es, wenn solche Regelungen mit sufenweiser Beauftragung verbunden sind. In den in Bayern von vielen Kommunen verwendeten „HAV-KOM“-Verträgen ist bespielsweise in Ziffer 3.4. zu lesen: „Für die weiteren Leistungen gelten die Regelungen dieses Vertrages; zur Anwendung kommt die zum Zeitpunkt der Übertragung geltende Fassung der HOAI…“. Diese Regelung ist in sich widersprüchlich. Wie bereits ausgeführt, kommt ja mit Abruf einer jeden weiteren Stufe ein neuer Vertrag zustande, also gilt grundsätzlich die neue HOAI für die nach dem 18.8. abgerufenen Stufen. Nach der zitierten Regelung im „HAV-KOM“-Vertrag soll zwar für die weiteren Leistungen die neue HOAI gelten, andererseits sollen aber die Regelungen des Vertrages gelten und der sieht beispielsweise vor, dass die anrechenbaren Kosten nach § 10 Abs. 2 HOAI a.F. (Kostenberechnung, Kostenanschlag, Kostenfeststellung), DIN 276, Fassung 1981 ermittelt werden. Was soll nun gelten, alt oder neu?
Diese Bestimmung ist als Allgemeine Geschäftsbedingung infolge ihrer Unklarheit im Lichte der neuen HOAI unwirksam. Damit gilt für die nach 18.8. abgerufenen Stufen deren komplettes Abrechnungssystem.
Fazit: Kooperieren ist besser“
Viele der dargestellten Fragen lassen sich rechtlich eindeutig klären, eine ganze Reihe werden aber die Gerichte verbindlich entscheiden müssen. Die auch im Architektenvertragsverhältnis geltende Kooperationspflicht vernünftiger Vertragspartner ist also bei der einvernehmlichen Lösung der auftretenden Übergangsprobleme in besonderem Maße gefordert.
Prof. Dr. Bernhard Rauch ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht in Regensburg und Dresden und dort Honorarprofessor an der TU.
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