Tourismus und Baukultur – das sind allzu oft zwei getrennte Welten. Strandhotels in Palma de Mallorca wirken ebenso lieblos und fantasielos wie die monströs aufgeblasenen Pseudo-Chalets im Wallis. Oder wie bemüht rustikale Gastronomiebauten an Nord- und Ostsee mit dem Habitus der Gemütlichkeit. All das ist billig hochgezogen, schnell verschlissen – und für den Tourismus inzwischen mehr Belastung denn Lockmittel. Aber die Verantwortlichen vieler Regionen haben daraus gelernt. Sie haben erkannt, dass schlechte Bauten abschrecken, aber qualitätvoll gestaltete An-, Um- und Neubauten einen Ort attraktiv machen. Gute Architektur, die sich nicht anbiedert, spielt eine wachsende Rolle bei der Wahl des Ferienziels oder Tagungsortes. Auch die Bundeskanzlerin erholt sich immer wieder gern in jenem Südtiroler Ort Sexten, der sich als Zentrum des Neuen Bauens in den Alpen profiliert hat.
Auch viele Dörfer, Städte und ganze Regionen in den Niederlanden, der Schweiz und Österreich haben längst vorbildliche Konzepte entwickelt, an denen wir uns orientieren können. Zu Recht beneidet wird die Region Vorarlberg, wo es nicht nur tradierte Baukultur auf hohem Niveau gibt, sondern zugleich Neues auf eigenständige Weise geschaffen und integriert wird. Entstanden sind subtile Schönheiten, oft mit einfachen Mitteln sowie heimischen Baustoffen und -techniken. Dieses Selbstverständnis sollte auch nach Deutschland transportiert werden – und in Ansätzen gelingt es bereits. Auch bei uns birgt jede Region Besonderheiten, die es zu entdecken gilt. In Bremerhaven beispielsweise hat man aus der Not des Werftensterbens und der Deindustrialisierung eine Tugend gemacht und die „Havenwelten“ mit modernen Museums- und Hotelbauten entstehen lassen. Wolfsburg wirbt seit Langem mit Baukunst und zieht Gäste mit aufsehenerregenden Neubauten, aber auch mit Bauten der Nachkriegsmoderne an.
Viele Metropolen, aber auch kleinere Städte setzen hoffnungsvoll auf den „Bilbao-Effekt“ mit spektakulären Bauten. Was in Nordspanien glänzend funktioniert, ist aber anderswo oft kein Erfolg. Der Sensationseffekt verschleißt sich rasch, und ein allzu modischer Bau wirkt rasch gestrig-peinlich. Nicht isolierte Solitäre machen eine gute Baukultur aus. Immer mehr Menschen suchen das Gegenteil: behutsamen Tourismus und entsprechend zurückhaltende, weder laute noch heimattümelnd-kitschige Architektur – ob in der gehobenen Hotellerie, für Spa- und Wellnessangebote, bei Bauten in sensiblen Landschaften oder bei Kulturzentren.
Wie rentabel Investitionen in gute zeitgenössische Architektur sind, hat auch ein Symposium in Hannover ergeben, das kürzlich die Architektenkammer Niedersachsen unter dem Titel „Destination Baukultur“ veranstaltet hat. Architektur ist Voraussetzung vieler zukunftsfähiger Tourismuskonzepte; nicht zufällig ist sie auch auf Prospekten und Websites von Zielorten immer auffälliger. Dort sind wir Architekten und Planer schon jetzt gefragt. Anderenorts muss unser Berufsstand noch viel Überzeugungsarbeit leisten. Sommerzeit ist Ferienzeit und eine Zeit, in der sich neue Herausforderungen auftun. In diesem Sinn wünsche ich Ihnen eine gute Reise – mit vielen neuen Ideen!
Wolfgang Schneider, Präsident der Architektenkammer Niedersachsen.