„Leider stammen die Normen und Regeln noch aus einer Zeit, in der ganz anders unterrichtet wurde als heute“, sagt Helmut Heuer aus Aachen, der sich zusammen mit seinem Partner Hans Jürgen Faust unter anderem auf Schul- und Bildungsbauten spezialisiert hat. Rund 100 Schulen haben Heuer und Faust neu gebaut oder saniert. Statt eines langweiligen Frontalunterrichts findet heutzutage immer mehr kreative Gruppenarbeit statt, die völlig andere, flexible Beleuchtungskonzepte erfordere. Heuer: „Für die Nutzung von Schulen ist Licht ein wichtiger funktionaler Faktor. Da ist es zu kurz gedacht, die jeweils erforderliche Lux-Zahl in den Räumen teppichartig vorzusehen, so wie es viele TGA-Planer leider immer noch machen.“Die Krux: Auftraggeber für den Neubau oder die Sanierung sind in der Regel die Kommunen. Diese geben dem Architekten aus Kostengründen in den seltensten Fällen einen Lichtplaner an die Hand. Bessere Lösungen durchzusetzen, ist deshalb oft ein mühseliges Geschäft. Der Architekt muss viel mit dem Bauherrn diskutieren und die Techniker überzeugen. Heuer: „Änderungen sind oft schwer durchzusetzen, weil sich bestimmte Ansichten in Behörden einfach festgesetzt haben. In den meisten Fällen wird nach hinten geguckt statt nach vorn.“ Und das, obwohl sich nicht nur die Bedürfnisse geändert hätten, sondern auch die technischen Möglichkeiten.
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Beleuchtung muss die Raumnutzung unterstützen
Vorhandene Regularien legen eine bestimmte Wattzahl pro Quadratmeter als Obergrenze fest. Daran halten die meisten Kommunen auch aus energetischen Gründen fest. Darüber hinaus gibt es Kriterien wie die gleichmäßige Lichtverteilung im Raum. „Leider werden diese oft völlig unabhängig von der Nutzung des Raumes angewendet“, sagt Helmut Heuer. Dadurch werde das Licht den tatsächlichen Raumnutzungen gar nicht mehr gerecht. In der Realität gibt es statt lichttechnischer Vielfalt nur eine zwei- oder dreireihige Schaltung, mit der man die Lux-Zahl beeinflussen kann.
Für welches Licht man sich entscheidet, hängt immer von den Räumen ab, eine allgemeingültige Lösung gibt es nicht. Heuer: „Besser als flächendeckend einheitliches Licht sind Wechselreize, zum Beispiel durch dezentes Licht für geborgene Bereiche und eher offenes als Gegenpol für Bewegungsbereiche.“ Da könne man mit Kunstlicht eine Menge erreichen, aber leistungsfähiger und interessanter sei immer noch Tageslicht. Es ist ungleich intensiver; seine Zusammensetzung ist technisch schwer zu reproduzieren. Mit Tageslicht lassen sich auch energetische Effekte erreichen. Heuer: „Wenn ich das Tageslicht besser ausnutze und dadurch den Anteil des Kunstlichtes reduziere, brauche ich mir keine Gedanken mehr zu machen, welches Leuchtmittel ich verwende. Auf der anderen Seite kann ich Schulen natürlich nicht als Glashaus verstehen, um möglichst viel Licht reinzubekommen.“
Eine Lösung, mehr Tageslicht ins Innere zu holen, können neben Tageslichtlenksystemen auch sogenannte Lichtkamine sein. HeuerFaust Architekten haben mit dem Lore-Lorentz-Berufskolleg in Düsseldorf eine Passivhausschule realisiert. Gegenüber einem Standardgebäude werden rund 80 Prozent weniger Energie verbraucht. Dazu tragen auch zwei Lichtkamine mit Passivhauszulassung von der Firma Talis bei, die das Tageslicht über einen verspiegelten Schacht in die fensterlosen Treppenhäuser tragen. „Der Effekt ist enorm“, schwärmt Heuer, „selbst an trüben Tagen sind die Treppenhäuser hell ausgeleuchtet. Im Vergleich dazu wirkt eine normale Lampe, die daneben angebracht ist, wie eine Funzel.“
Tageslicht lässt sich nicht ersetzen
Auch Lichtplaner Helmut Köster aus Frankfurt am Main zieht Tageslicht vor – weil es Energie spart, gesünder ist und die Räume weniger aufheizt. „Es gibt viele Untersuchungen, die belegen, dass Schüler unter Tageslicht besser lernen als unter Kunstlicht“, sagt Köster. Das Naturelement Sonne ist für Kinder etwas immens Wichtiges. Dies abzuschatten und stattdessen Kunstlicht zu installieren, sei die falsche Strategie. Tageslicht sollte noch die fensterfernste Reihe erreichen. Köster: „Tageslichtkonzepte müssen aber auch Durchsichtigkeit nach außen und Schutz vor Überhitzung im Sommer gewährleisten.“ Moderne Tageslichtlenksysteme können diese Anforderungen erfüllen, zum Beispiel in einer zweischaligen, nicht hinterlüfteten Fassade mit einer Einscheibenverglasung außen und einer Isolier- oder Dreischeibenverglasung innen.
Dynamisches Licht in Hamburg
Nicht immer lassen sich solche Lösungen realisieren, besonders nicht bei der Sanierung. In vielen Fällen führt deshalb kein Weg an einer dominierenden künstlichen Beleuchtung vorbei. Dass es auch hier neue Lösungen gibt, zeigt Philips. Der Lampen- und Leuchtenhersteller hat die Initiative „Dynamische Beleuchtung für Schulen“ gegründet. Die Savio-Leuchten von Philips für Klassenräume sind mit zwei Leuchtstofflampen der Farbtemperatur 17 000 Kelvin und einer Leuchtstofflampe mit warmweißer, glühlampenähnlicher Lichtfarbe von 2 700 Kelvin ausgestattet. Die Lampen werden mit einer innovativen Elektronik so gesteuert, dass die gewünschte Lichtfarbe stufenweise – je nach Unterrichtssituation – zwischen 2 700 und 12 000 Kelvin und unterschiedliche Beleuchtungsstärken zwischen 300 und 1 000 Lux eingestellt werden können. Je nach Einstellung entsteht ein Licht, das beispielsweise der Abendsonne entspricht und eher beruhigend wirkt, oder ein anregendes, „kaltes“ Licht, das dem eines hellen, wolkenlosen Sommertags zur Mittagszeit entspricht.
Erprobt wurde die Lichtplanung in einer Studie der Klinik für Kinder- und Jugendpsychosomatik der Universität Hamburg (www.uke.de/kliniken/kinderpsychosomatik/index_53560.php/). Ergebnis: Aufmerksamkeit und Konzentration lassen sich steigern, Unruhe lässt sich dämpfen. Die Lesegeschwindigkeit konnte verbessert, die Fehlerhäufigkeit gesenkt werden. Außerdem zeigt die Studie, dass eine angepasste dynamische Beleuchtung in Klassenräumen einen deutlich positiven Effekt auf das Lernverhalten von Schülern hat.
Die Stadt Hamburg, auch Sitz von Philips Deutschland, will im Rahmen des Konjunkturprogramms bis zu 1 000 Grundschulklassen mit dynamischem Licht ausstatten. Rund 50 Schulen haben sich bis jetzt dafür beworben und warten auf das Ende des Ausschreibungsprozesses, damit mit der Umsetzung begonnen werden kann. Damit ist Hamburg das erste Bundesland, das in Schulen im großen Umfang auf das dynamische Licht setzt. Aber auch anderswo wollen mindestens 15 weitere Schulen Klassenräume entsprechend ausrüsten, unter anderem im schleswig-holsteinischen Aukrug, in Berlin-Pankow sowie das prominente Internat Hermann-Lietz-Schule im hessischen Hohenwehrda. Hier wurde ein historischer Klassenraum mit dem dynamischen Licht ausgestattet, weitere Räume sollen folgen.
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