Steffen Schäfer
Mit Profilbauglas entstand in den letzten Jahren eine Reihe beeindruckender Bauten. Weltweit setzten es Architekten wie Steven Holl, Rem Koolhaas oder Zaha Hadid für Museen, Theater oder Sportstadien ein. Wegen der gestalterisch vielseitigen Möglichkeiten nutzen es zunehmend auch deutsche Büros wie Schneider & Schneider, Wulf & Partner oder Gerkan, Marg und Partner. Der in transluzentem Weiß oder auch farbig erhältliche Glasbaustoff kann gegenüber flachen Glasscheiben, bedingt durch seine U-Form, wesentlich höhere statische Lasten aufnehmen.
Je nach Windlast sind Einbaulängen bis sieben Meter erreichbar, ohne dass Queraussteifungen notwendig würden. Fassaden, Treppenhäuser oder ganze Bereiche im Inneren von Gebäuden lassen sich dadurch großflächig und optisch homogen verglasen. Die gestalterischen und technischen Möglichkeiten sind dabei vielfältig. Sowohl die konstruktive Ausführung als auch die verschiedenen Arten der Glasprofile sind untereinander kombinierbar. Eine Warmfassade ist demnach ebenso möglich wie eine hinterlüftete Kaltfassade. Häufig schrecken Planer jedoch schon aufgrund baurechtlicher Fragen vor weiterführenden Gedanken um diesen interessanten Glasbaustoff zurück.
Baurechtliche Regelungen
In Deutschland gibt es mit der Glasfabrik Lamberts (Linit-Profilbauglas) und der Bauglas-industrie GmbH (Pilkington Profilit) zwei Systeman-bieter. Um die Anwendung von Profilbauglas baurechtlich abzusichern, haben sie sich in den letzten Jahren dafür eingesetzt, die technischen Regeln mit den technischen Möglichkeiten in Einklang zu bringen. Von jedem der beiden Unternehmen ist beim Deutschen Institut für Bautechnik in Berlin eine Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (AbZ) wie folgt registriert:
- Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung; Nr. Z-70.4-43 vom 10. Dezember 2007; gültig bis 31. Dezember 2012; Zulassungsgegenstand: Profilbauglas „Pilkington Profilit“ und „Pilkington Reglit“ für die Verwendung als Vertikalverglasung; Antragsteller: Bauglasindustrie GmbH, Hüttenstr. 33, 66839 Schmelz
- Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung; Nr. Z-70.4-44 vom 10. Dezember 2007; gültig bis 31. Dezember 2012; Zulassungsgegenstand: LINIT Profilbauglas für die Verwendung als Vertikalverglasung; Antragsteller: Glasfabrik Lamberts GmbH & Co. KG, Egerstr. 197, 95632 Wunsiedel;
Neben den Vorgaben für die Prüfung sind darin zusätzliche Forderungen zu Dokumentation, Entwurf, Bemessung, Art der Ausführung, Wartung sowie Arbeitsanweisungen der Hersteller enthalten. Gegeneinander versiegelte Elemente sind danach zum Beispiel nur bis zu einer Neigung von zehn Grad zulässig, unversiegelte nur bis maximal drei Grad. Wichtig ist auch die Bemessung, wobei die maximal zulässigen Spannungen Bestandteil der Zulassungen sind, ebenso wie die Angabe der Wärmedurchgangskoeffizienten und des Gesamtenergiedurchlassgrads für die einzelnen Verglasungstypen.
Wer plant, Profilbauglas einzusetzen, sollte die Inhalte der AbZs vorab mit den eigenen Planungsvorgaben abgleichen. Stellt sich auch nur in einem Punkt eine Abweichung heraus, erfordert dies eine Zustimmung im Einzelfall. Hierbei werden Architekten jedoch üblicherweise von der Industrie durch die notwendigen Unterlagen unterstützt. Es wird dennoch generell empfohlen, bereits in der Entwurfsphase bei der zuständigen obersten Baubehörde die landesspezifische baurechtliche Situation zu erfragen. Eine Checkliste, in der alle Anforderungen, Eigenschaften und Vorgaben der geplanten Konstruktion zusammengetragen sind, hilft hier, nichts zu vergessen.
Bauen nach EnEV
Beim Wärmeschutz kann ein doppelschaliges und beschichtetes System einen U-Wert bis maximal 1,8 W/m²K erreichen. Damit ist zum Beispiel eine Anwendung als Kalt-verglasung für unbeheizte Gebäudeteile möglich. Um der aktuellen und zukünftigen Energieeinsparverordnung EnEV 2009 von beheizten Gebäuden zu genügen, werden zusätzliche Maßnahmen notwendig. Geeignet sind zum Beispiel doppelschalige Profilbauglas-Konstruktionen mit integrierten transparenten Wärmedämmmaterialien (TWD), die U-Werte bis zu 1,1 W/m²K erreichen. Auch arbeiten die TWD-Hersteller auf diesem Gebiet eng mit den Profilherstellern zusammen, sodass erforderliche Nachweise dort angefragt werden können. In Kombinationen mit thermisch getrennten Rahmensystemen und fachgerecht ausgeführten Bauteilanschlüssen lässt sich bei großflächigen Fassadenverglasungen im Rahmen ganzheitlicher Gebäudekonzepte auch zukünftig der bauliche Wärmeschutz erfüllen – vorausgesetzt, alle Beteiligten arbeiten eng zusammen.
Vorspannung für Sicherheit
Mit der Herstellung thermisch vorgespannter Profilgläser gelang es, neue Anwendungsgebiete für sicherheitsrelevante Bereiche zu erschließen. So können die Produkte beispielsweise ballwurfsicher und deshalb für Sporthallen prädestiniert sein. Durch die Vorspannung wird die Temperaturwechselbeständigkeit deutlich erhöht und damit das Bruchrisiko durch thermische Einflüsse reduziert. Auch die statischen Eigenschaften werden durch die verbesserte Tragfähigkeit nochmals erhöht. Zur Minimierung des Bruchrisikos infolge von Nickelsulfiteinschlüssen bieten die Hersteller auf Wunsch den Heat-Soak-Test mit an. Thermisch vorgespanntes Profilbauglas ist baurechtlich nicht geregelt. Es liegt lediglich mit der „E DIN EN 15683 – Glas im Bauwesen – thermisch vorgespanntes Kalknatron-Profilbau-Sicherheitsglas“ ein Normenentwurf vor. Solange dieser nicht rechtskräftig im bauaufsichtlichen Regelwerk verankert ist – Zeitrahmen unbekannt –, wird eine Zustimmung im Einzelfall benötigt. Erforderliche Prüfberichte und Produktspezifikationen können dafür aber bei den Herstellern angefragt werden.
Spiel mit dem Licht
Eine Besonderheit von Profilbauglas sind seine vielfältigen Möglichkeiten der Lichtbrechung. Mattierte oder ornamentierte Gläser können das Licht vollständig brechen und diffus streuen. Dadurch erscheinen die Konturen nur noch verschwommen. Eine außerordentlich weiche und tiefe Ausleuchtung der Räume erreicht man durch Produkte mit einer standardmäßig aufgewalzten Struktur. Diese vielfach als sehr wohltuend empfundene Optik wird durch die gute Lichtstreuung erreicht.Immer wieder möchten Architekten auch ein sehr helles, fast weißes Glas. Eisenarme Produkte erfüllen diesen Wunsch. Man setzt sie meist in Verbindung mit sandgestrahlten oder farbemaillierten Oberflächen ein. Aufgrund der optimierten eisenarmen Rohstoffzusammensetzung lässt sich der Licht- und Strahlungstransmissionsgrad noch weiter erhöhen. Diese wenigen Beispiele zeigen, dass die technischen Möglichkeiten bei Weitem noch nicht ausgereizt sind. Demnach bleibt Architekten bei Profilbauglas noch viel Raum für kreative Ideen.
Dipl.-Ing. (FH) Steffen Schäfer ist technischer Berater beim Kompetenzzentrum des Glaserhandwerks in Hadamar.
Treppenhaus hinter Glas
In den drei viergeschossigen Gebäuden sind jeweils 44 Einzimmerappartements untergebracht. Alle Wohnungen liegen in Richtung Südwesten. Die Nordostseite ist starkem Lärm von einer nahe gelegenen Bahnstrecke ausgesetzt. Hier befindet sich deshalb die Erschließung aus vorgesetzten Laubengängen, die über eine angedockte einläufige Treppe erreichbar sind. Treppe und Gänge sind durch einen aus U-Profilglas bestehenden Schirm geschützt.
Eine besondere Aufgabe bestand bei diesem Projekt darin, eine wirtschaftliche Lösung für den Brandschutz im Treppenhaus zu finden. Dazu tragen im Wesentlichen die auf Lücke gesetzten Glasprofile bei. Durch die Zwischenräume kann die Luft zirkulieren und im Falle eines Brandes den Rauch abführen. Dieser Kunstgriff hatte auch die -Feuerwehr überzeugt, sodass das Treppenhaus als Außenraum gilt.
Doch nicht nur die bautechnischen Aspekte überzeugen bei diesem Objekt. Während der Treppenraum tagsüber durch die diffuse Lichtstreuung hell und freundlich erscheint, wirkt die Fassade durch ein changierendes Farbenspiel besonders bei Nacht. Gleichzeitig dienen die in Blau-, Rot- und Grüntönen gehaltenen Innenwände
der Laubengänge der Identitätsbildung der einzelnen Gebäude.