Fred Wagner
„Die Begeisterung für das eigene Projekt ist toll, vor allem dann, wenn es gelingt, diese auf den Auftraggeber zu übertragen“, sagt Frank Peter Jäger, der Architektur- und Planungsbüros in Sachen Akquisition, Management und Marketing berät. Aber ebenso wichtig sei die Darstellung der eigenen Prozessqualitäten: Kompetenzen, Erfahrungen und Erfolge. Auch hierfür stehen nicht nur Fakten, sondern zunächst die handelnden Personen. Jäger: „Auf einer guten Website, einem guten Flyer, einer guten Bürobroschüre sind sofort die agierenden Personen zu erkennen.“
Etwa wie bei Gerd Priebe. Wer die Homepage des Dresdner Architekten aufruft (www.gerdpriebe.de), sieht als Erstes ein großes Porträtfoto. „Es geht doch immer um Menschen, deswegen haben wir das so gemacht“, sagt der 50-Jährige, der aus Köln stammt und 1995 das Büro in Dresden gründete. Heute gebe es bei vielen Kollegen ein ganz anderes Bewusstsein für das, was Kommunikationsexperten gern mit dem Begriff „Marketingstrategie“ umschreiben: das Aufspüren interessanter Tätigkeitsfelder, die Entwicklung und Pflege eigener Stärken und die Werbung hierfür.
Gerd Priebe erinnert sich an schüchternere Zeiten: „Früher gab es Büros, die hatten sogar Angst, mit auf die Bautafel zu kommen. Und die Kammern zogen damals enge Grenzen für die Werbung. Er habe sich immer darüber geärgert, erzählt Priebe, dass die Immobilienmakler mit allen möglichen Dingen an die Öffentlichkeit gehen. Dabei seien es doch Architekten, die das ganze Produkt entwickelten. „Die größte Schwäche in unserer Berufsgruppe ist wohl das wenig ausgeprägte Selbstwertgefühl. Wir können mehr, als wir selbst nach außen vermitteln.“
Nach einer Marketingstrategie befragt, muss der Dresdner Büroinhaber nicht lange zögern. Obwohl er in allen Leistungsphasen aktiv ist, stellt er bestimmte Kernkompetenzen bei potenziellen Auftraggebern besonders heraus. Seine Schwerpunkte sind Projektentwicklung und das Projektmanagement sowie das energieeffiziente und nachhaltige Bauen. Diese Strategie sorgt seit Jahren für volle Auftragsbücher. Jüngster Erfolg: Im Januar bekam ein von ihm geplantes Bürogebäude in Heidenau bei Dresden eines der ersten Gütesiegel der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen. „Seitdem bekommen wir verstärkt Veröffentlichungen und Anrufe oder werden zu Vorträgen und Wettbewerben eingeladen“, freut sich Priebe.
Clever investiert der Bürochef gezielt in das Onlinemarketing, für das er eigens eine Mitarbeiterin eingestellt hat. Diese kümmert sich nicht nur um den eigenen Webauftritt oder um die klassischen Präsentationen, sondern vor allem darum, wie man das Büro auf wichtigen Plattformen im Internet nach vorn bringen kann. So ist eine zweite Website entstanden, die ausschließlich über den Consultingbereich informiert (www.gpac.de). Priebe: „Die Seite war innerhalb kürzester Zeit enorm erfolgreich und landet inzwischen ganz vorn in den Suchergebnissen.“
Vorn ist das Licht
Ob bei Google oder beim Image in der eigenen Stadt: Ganz vorn stehen oder ganz oben, damit kein potenzieller Bauherr das Büro übersehen kann – das ist der Wunsch vieler Archtiekten. Das sogenannte Leuchtturmprinzip – für Andreas Preißing, einen der bekanntesten Branchenberater in Sachen Marketing, ist das eine der besten Strategien, wenn es um neue Aufträge geht. Auf eine einfache Formel gebracht, geht es darum: Aus den Tätigkeitsfeldern des Büros gilt es eine Kernkompetenz zu finden – möglichst eine, die kein anderer bietet. Diese wird dann in Richtung Zielgruppe kommuniziert.
Doch was sich so einfach anhört, ist für viele Büros ein langer und aufwendiger Prozess. „Wer herausfinden möchte, wie man zu mehr Aufträgen kommt, sollte zuerst alles über sich selbst herausfinden“, lautet eine Regel, die Preißing in vielen Fällen ganz an den Anfang einer Architektenberatung stellt. Dabei gehe es darum, die eigenen Neigungen, Interessen und Potenziale zu erkennen. Preißing: „Es gibt immer etwas, selbst wenn die Situation ausweglos erscheint.“
Ein ausgefallenes Beispiel aus seiner Praxis: Ein junger Architekt hatte sich ohne einen einzigen Auftrag selbstständig gemacht. Alles, was er hatte, war der Scherbenhaufen seines Vaters. Dessen renommiertes Büro hatte nach 30 Jahren Pleite gemacht, trotz vieler anspruchsvoller Projekte.
Doch der Scherbenhaufen war nicht wertlos, wie Architekt und Berater herausfanden: Unter dem Vorwand, das Lebenswerk seines Vaters zu resümieren und die Nachhaltigkeit der Gebäude zu untersuchen, suchte der Gründer die ehemaligen Bauherren seines Vaters auf. Preißing: „Die waren meist sehr überrascht von der Idee und oft sogar stolz auf das vorhandene Gebäude.“ So kam der junge Mann mit den ehemaligen Auftraggebern ins Gespräch. Innerhalb von drei Monaten hatte er seinen ersten Auftrag in der Tasche.
Sehr geehrter Herr Müller
Die Pflege früherer Kunden bietet gute Chancen für neue Aufträge. „In den meisten Büros wird mit Kundenpotenzialen überhaupt noch nicht gearbeitet“, hat Andreas Preißing festgestellt. Ein großer Fehler, denn es ist um ein Vielfaches leichter, einen alten Auftraggeber zu reaktivieren als einen neuen zu finden. Er empfiehlt ein systematisches Vorgehen: Zuerst müsse der Adressbestand geschaffen werden. Dieser wird dann klassifiziert nach wichtigen und weniger wichtigen Kunden, nach Projektarten und der Wahrscheinlichkeit für neue Aufträge. Eine so aufbereitete Übersicht ist eine gute Basis für gezielte Ansprache.
Zum Beispiel für den Versand eines Büroflyers. Hier lohnt es nicht, 200 Exemplare nach dem Gießkannenprinzip zu verstreuen. Denn nach dem Versand müsse nachgehakt werden, doch wer schaffe es schon, in zwei Wochen 200 Telefonate zu führen. Preißing: „Effektiver ist es, mit weniger Kontakten zu arbeiten, die bis ins kleinste Detail gründlich nachbetreut werden.“
Nicht kleckern, sondern klotzen
Hinrich Fromme hat fürs Marketing besonderen Aufwand betrieben – und einen besonderen Erfolg erzielt. „Wir haben vor drei Jahren eine Strategie entwickelt und haben inzwischen eher zu viele als zu wenige Aufträge“, erzählt der Miteigentümer des Büros Kohl und Fromme in Düsseldorf. Dazu haben sich Hinrich Fromme und Christian Kohl Hilfe von außen geholt: einen Experten für strategische Akquisition sowie eine Werbeagentur. Jeder Schritt der neuen Strategie wurde im Team erarbeitet. Insgesamt dauerte der Erneuerungsprozess, der neben der alltäglichen Arbeit zu bewältigen war, ein Dreivierteljahr.
Schließlich wurde der Auftritt des Büros von der Visitenkarte bis zur Website komplett neu gestaltet und auf die inhaltliche Ausrichtung fokussiert. „Auf die Dinge, mit denen wir uns wohlfühlen und für die wir hervorragende Referenzen besitzen“, erklärt der 43-Jährige. Dazu zählen das Thema Gesundheit, vor allem Facharztzentren plus Medical Wellness und Fitness sowie das Bauen im Bestand. Hier konzentrieren sich Kohl und Fromme auf große Umbauten wie die Sanierung von Hauptverwaltungen.
Fromme: „Durch diese Betonung unserer Kompetenzen werden wir von potenziellen Auftraggebern ganz anders wahrgenommen. In den vergangenen Monaten haben wir acht neue Mitarbeiter eingestellt.“Der Erfolg komme jedoch nicht sofort, berichtet der Düsseldorfer Architekt. Wichtig sei, selbst loszulegen und nicht zu warten. Fromme: „Marketing bedeutet für Architekten, personenbezogene Aufträge zu bekommen.“ Das Herausstellen von Kompetenzen sei gut, aber die Personen dahinter erbrächten die Arbeit. Fromme: „Wenn die nicht nach draußen gehen, nutzt der schönste Prospekt oder die schönste Website nichts. Die Themen müssen gelebt werden.“
Immer am Ball bleiben
Was passiert, wenn man das vernachlässigt, haben die drei Partner Christian Loderer, Dirk Sadtler und Uwe Brzezek des Berliner Büros für Landschaftsplanung plancontext erfahren. 1999 bis 2001 gewann das Büro eine Reihe von Wettbewerben, darunter zwei Landesgartenschauen, und war damit über Jahre mit Arbeit ausgelastet. Doch nach der Landesgartenschau in Neu-Ulm (DAB 5/2008) war der Auftragsbestand aufgebraucht. Es fehlte an größeren Folgeaufträgen.
„Als wir das bemerkten, haben wir über eine mögliche Marketingstrategie nachgedacht und Ende 2008 angefangen, diese konsequent anzuwenden“, berichtet Christian Loderer. „Früher haben wir ziemlich planlos Öffentlichkeitsarbeit gemacht, hier und da mal einen Artikel veröffentlicht oder ein Interview gegeben. Inzwischen haben wir gemerkt, dass es besser ist, sich in der Kommunikation auf bestimmte Themen zu konzentrieren. Dazu haben wir uns zusammengesetzt und überlegt, welche Botschaften wir vermitteln wollen.
Das Ergebnis: „Wenn ein potenzieller Auftraggeber den Namen ‚plancontext‘ hört, soll er an Gartenschauen, Spielplätze und öffentliche Parkanlagen denken. Das sind unsere Kernkompetenzen, die wir in der Kommunikation nach außen tragen.“ Zumindest was das Topthema Gartenschauen und hochwertige Spielplätze betrifft, haben sich die drei Berliner mit ihrem Büro inzwischen einen Namen gemacht. Seit ein paar Monaten spüren die Berliner, dass ihre Rechnung aufgegangen ist. „Wir bekommen plötzlich wieder viele neue Aufträge und können gar nicht so schnell neue Mitarbeiter einstellen.“
Ein Grund dafür ist ein aktueller Trend: Generationenübergreifende Angebote für Freizeitsport und Spiel in Parks und auf Plätzen sind von Städten immer stärker gefragt. Schon für Neu-Ulm im vergangenen Jahr hat plancontext einen sogenannten Generationenpark gebaut, der beim Publikum und in den Medien auf große Resonanz stieß. Jetzt greift das Büro dieses Thema in der Berichterstattung auf, bemüht sich um neue Aufträge und will den Begriff „Generationenpark“ besetzen. Loderer: „Im Idealfall ruft dann jeder, der über die Planung und den Bau eines Generationenparks nachdenkt, zuerst bei uns an.“
Ein weiteres Beispiel für die neue Strategie sind Machbarkeitsstudien für Landesgartenschauen. Das Büro schreibt potenzielle Ausrichterstädte an und stellt sich persönlich vor. Erstes Resultat: Für die Landesgartenschau 2016 in Bayreuth kann plancontext darauf hoffen, den Wettbewerb zu betreuen und die Projektsteuerung zu übernehmen.
Auch seine eigene Qualifikation hat das Büro weiterentwickelt: Mitinhaber Dirk Sadtler hat neben der Vor-Ort-Betreuung der Neu-Ulmer Gartenschau im nahen Biberach Betriebswirtschaft studiert. Für das Marketing hat er drei Kernfragen ermittelt, die simpel klingen, deren Beantwortung und Umsetzung aber nicht so einfach ist: Was können wir? Wo stehen wir? Und wie können wir das nach außen transportieren?
Die Beispiele zeigen: Ein für alle gültiges Erfolgsrezept gibt es nicht. Für einen methodisch starken Architekten mag es eine ausgeklügelte Marketingstrategie sein. Für einen überzeugungsstarken Charismatiker sind es öffentliche Auftritte. Und ein kommunikationsfreudiger badischer Architekt verbindet das Nützliche mit dem Angenehmen: „Ich bin auf jedem Dorffest und trinke mit meinen Auftraggebern Viertele. Dann kommen die alle wieder – das ist mein Marketing.“