Fred Wagner
„Wenn Architekten nach einer Berufshaftpflicht fragen, dann muss ich denen erst einmal sagen, dass sie sich hinsetzen und tief durchatmen sollen“, erzählt Rosemarie Paßing. Wenn ihre Kunden dann die aktuellen Versicherungsbeiträge hörten, werde ihnen ganz schwindlig, sagt die Spezialistin für Architektenpolicen beim Versicherungsmakler IAK in Bottrop. Vor allem wenn diese lange Zeit keinen eigenen Vertrag hatten, weil sie angestellt waren. Berufsanfänger treffe es ganz besonders hart, sagt Paßing: „Die meisten fangen mit Jahresbeiträgen über 1 000 Euro an, selbst bei Sondertarifen für Existenzgründer.“
Doch ohne Haftpflicht geht es nicht. Es ist die einzige Möglichkeit, die vielfältigen Haftungsrisiken zu begrenzen. Die haben in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. „Früher wurden Streitigkeiten per Handschlag aus der Welt geschafft, heute gehört das Klagen fast schon zum guten Ton unter Bauherren“, berichtet ein Planer aus Neumünster. Im Laufe der Jahre habe es sich herumgesprochen, dass es der Architekt ist, den man am besten in die Haftung nehmen kann. Auch die Rechtsprechung hat sich zuungunsten von Architekten entwickelt und die Haftungsansprüche werden zunehmend vielfältiger und komplizierter.
Dieser Entwicklung tragen immer mehr Bundesländer Rechnung und machen die Berufshaftpflichtversicherung zur Pflicht. Die Anordnungen erfolgen über die Architektengesetze oder die Landesbauordnungen. Teils ist der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung Voraussetzung für die Kammereintragung – etwa in Niedersachsen.
Trotzdem kommt es relativ häufig vor, dass Architekten keinen Versicherungsschutz besitzen. Das beweisen immer wieder Kontrollen der Kammern wie die im vergangenen Jahr in Mecklenburg-Vorpommern. Kammergeschäftsführer Reinhard Dietze: „Leider unterschätzen noch zu viele Architekten das Risiko und sparen sich den Abschluss einer Haftpflichtversicherung.“ Da höre man immer wieder Aussagen wie „Ich mache doch nur Beraterleistungen“. Dietze: „Das ist ein schlimmer Irrtum, selbst bei der Beratung über den Gartenzaun kann man in die Haftung geraten.“
Übersichtlicher Markt
Die Versicherer lassen sich die gestiegenen Haftungsrisiken teuer bezahlen. Zwar gingen mit dem Boom der deutschen Einheit die Prämien durch einen starken Wettbewerb zunächst in den Keller, doch seit 2001 kennen sie nur noch eine Richtung: nach oben. So stiegen die Beiträge für Neuverträge zum Teil um bis zu 400 Prozent, berichten Versicherungsvermittler. Ein kleines Büro mit einer Honorarsumme zwischen 50 000 bis 100 000 Euro muss inzwischen rund 2 000 bis 3 000 Euro an Beiträgen für den Haftpflichtversicherer einkalkulieren. Zum Vergleich: Ein freiberuflicher Rechtsanwalt zahlt bei vergleichbaren Versicherungssummen nur etwa 100 Euro pro Jahr!
Als Grund für die saftigen Prämien nennen die Versicherer die drastischen Erhöhungen bei den Schadenzahlungen. Die haben sich nach Angaben der Assekuranzen in den vergangenen 20 Jahren mehr als verzehnfacht: Gab es in den 80er-Jahren nur rund 2 000 Schadenfälle pro Jahr, so müssen die Versicherer heute rund 25 000 Schäden jährlich regulieren. Die meisten Versicherer haben sich deshalb aus dem unlukrativen und schwierigen Geschäft zurückgezogen. Von den ehemals zwei Dutzend Gesellschaften ist nur gut eine Handvoll übrig geblieben, die eine Berufshaftpflicht für Architekten im Portfolio hat. Darunter leidet natürlich der Wettbewerb. Auf der anderen Seite ist der Markt für Architekten übersichtlicher geworden.
Mehrere Angebote einholen
Grundlage für alle Versicherer bei der Formulierung ihrer Bedingungen zur Berufshaftpflichtversicherung sind nach den Bestimmungen des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB). Die AHB berücksichtigt aber keine besonderen Bedingungen bestimmter Berufsgruppen wie die von Architekten. Die Anpassung dieser Risiken erfolgt durch die „Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen“ (BBR). Für die Mehrzahl der Architekten wird damit der Versicherungsbedarf gedeckt, nur Sonderfälle müssen über Zusatzbedingungen abgedeckt werden.
Doch auch wenn die grundlegenden Leistungen bei allen Versicherern gleich sein müssen, ist ein Architekt gut beraten, wenn er sich in jedem Fall mehrere Versicherungsangebote einholt und selbst vergleicht. Denn jede Versicherung bewertet die Risiken und individuellen Situationen anders, was unterschiedliche Tarife zur Folge haben kann. Und wie bei allen Versicherungen drückt sich der Wettbewerb nicht allein in der Prämienhöhe aus, sondern auch in den Versicherungsbedingungen und im Service – hier vor allem in einer kompetenten Schadenregulierung.
Auf die Berechnung der Prämienhöhe haben folgende Faktoren Einfluss: die Honorarsumme pro Jahr, die Versicherungssumme (auch Deckungssumme genannt), die die Leistungen des Versicherers begrenzt, sowie die gewählte Selbstbeteiligung. Die Honorarsumme pro Jahr steht fest: Der Beitrag des laufenden Versicherungsjahres wird üblicherweise nach der Honorarumsatzsumme des abgelaufenen Versicherungsjahres berechnet.
Die Versicherungssummen werden getrennt vereinbart: für Personenschäden sowie für sonstige Schäden (Sach- und Vermögensschäden). Zur Höhe der Versicherungssummen: Dort wo es keine landesrechtlichen Vorgaben gibt, wird die Mindestversicherungssumme, durch das neue VVG bestimmt (siehe dazu den Beitrag „Mehr Rechte, höhere Prämien“ ). Im Zweifel sollte sich jeder Architekt bei der zuständigen Kammer informieren.
Im Bereich Personenschäden bieten die Versicherer bei neuen Verträgen in der Regel mindestens zwei Millionen Euro an, bei den sonstigen Schäden sind es bei neuen Verträgen meist 300 000 Euro. Um die Leistungspflicht für den Versicherer zu begrenzen, wird eine Maximierung vereinbart. Diese legt fest, wie oft pro Jahr die vereinbarte Versicherungssumme für Ansprüche zur Verfügung steht. Für den die Versicherungssumme überschreitenden Schaden besteht kein Versicherungsschutz. Wichtig: Die Versicherungssummen müssen vorausschauend entsprechend der maximal abzudeckenden Schadenssumme vereinbart werden.
Selbstbeteiligung: Verträge ohne Selbstbeteiligung für Sach- und Vermögensschäden werden von den Versicherern nicht mehr angeboten. In den meisten Fällen beträgt die Selbstbeteiligung 2 500 Euro, das heißt, bis zu diesem Betrag hat der Versicherungsnehmer den Schaden selbst zu zahlen.
Schadenfreiheitsrabatt: Dieser wird nur vom Makler AIA für den französischen Anbieter MAF (Mutuelle des Architectes Français Assurances) geboten. Im günstigsten Fall kann der Rabatt bei 16 schadenfreien Jahren bis zu 70 Prozent der kalkulierten Tarifprämie betragen. Berufsanfängern wird ein „Vorausrabatt“ von 60 Prozent gewährt. Der Rabatt geht allerdings verloren, sobald ein Schaden eintritt. Beispiel: Ein Berufsanfänger steigt mit 60 Prozent ein und zahlt demnach 40 Prozent der kalkulierten Prämie. Meldet er dem Versicherer einen Schaden, steigt seine Prämie im Folgejahr auf 100 Prozent.
Ist der Versicherungsvertrag zum Zeitpunkt der Schadenzahlung erloschen oder gekündigt, ist der Versicherer berechtigt, die Rückstufung rückwirkend ab Verstoßzeitpunkt (bis zu fünf Jahre bei vereinbarter fünfjähriger Nachhaftung) vorzunehmen. Das Gleiche gilt, wenn der Architekt den Vertrag aus Anlass des Schadenfalles kündigt, zum Beispiel weil er mit der Schadenregulierung nicht zufrieden war oder weil er vielleicht den Versicherer wechseln möchte.
Vertreter oder Makler?
Über das Internet findet man eine ganze Reihe von sogenannten Spezialversicherungsmaklern, die sich auf die Belange von Architekten und beratenden Ingenieuren spezialisiert haben. Diese Büros bieten nach eigenen Angaben eine kostenlose, unabhängige Beratung in Versicherungsfragen an. Genau wie der Versicherungsvertreter sammelt auch der Makler Informationen über die Erwartungen des Versicherungsnehmers, über finanzielle Grenzen und die beruflichen Risiken, die es abzusichern gilt. Anhand dieser Informationen versucht er dann, eine passende Versicherung zu finden. Hat sich der Architekt für eine entschieden, kümmert sich der Makler um den Vertrag und die Versicherung wird abgeschlossen. Daneben gibt es Versicherungsvermittler, die die Interessen einer oder mehrerer Versicherungsunternehmen (Mehrfachvermittler) vertreten.
Für wen sich der Architekt letztendlich entscheidet, ist eine Typfrage: Der eine kommuniziert lieber über einen Dritten mit seiner Versicherung, der andere fühlt sich wohler, wenn er den direkten Draht zum Versicherer hat und die Dinge selbst kontrolliert. Wichtig ist in jedem Fall, dass er sich gut beraten lässt, weil er die Feinheiten des Versicherungsschutzes nicht auf den ersten Blick erkennt.
Außendienstmitarbeiter kennen ihre eigenen Produkte in aller Regel besser als Makler, die sich ja um mehrere Produkte von verschiedenen Gesellschaften kümmern müssen. Auf der anderen Seite sehen sich die Makler selbst als anbieterneutrale Interessenvertreter von Architekten und sind zu einer umfassenden Beratung verpflichtet. Bernhard Fritsch, Geschäftsführer des Büros Wolfgang Ott, eines Spezialversicherungsmaklers in Stuttgart: „Künftig ist nicht wichtig, bei welcher Gesellschaft ein Architekt versichert ist, sondern welche Möglichkeiten sein Makler hat, um seine Interessen gegenüber dem Versicherer durchzusetzen.“
Risiken analysieren
Das versicherte Risiko muss im Versicherungsschein und seinen Nachträgen genau beschrieben werden, denn eine Versicherung für alle Haftpflichtrisiken gibt es nicht. Eine umfangreiche Risikobeschreibung, für die der Architekt ausreichend Zeit einplanen muss, steht deshalb am Anfang des Vertrages. Die Risikoanalyse erfolgt dann anhand von umfangreichen Fragebögen der Versicherer oder Makler, die der Architekt beantworten muss. Klaus Fuhrig von der VHV: „Daher ist es für den Architekten wichtig, bei der Risikobeschreibung alle von ihm ausgeübten Tätigkeiten anzugeben, auch wenn es sich um solche handelt, die nicht unter sein Berufsbild fallen.“ Für diese außerhalb seines Berufsbildes liegenden Tätigkeiten wie GU- oder Bauträgertätigkeit bieten einige Versicherer besondere Deckungskonzepte an. „Neben den Haupttätigkeiten sollten auch alle berufstypischen Nebenleistungen aufgeführt werden, etwa als Berater oder Sachverständiger. Hier gibt es unterschiedliche Regelungen der Versicherer“, sagt der 48-Jährige, der seit 20 Jahren die Architektensparte der VHV betreut.
Die VHV in Hannover ist Deutschlands größter Berufshaftpflichtversicherer für Architekten und besitzt einen speziellen Direktvertrieb mit angestellten Außendienstmitarbeitern. Je detaillierter die Beschreibung des versicherten Risikos erfolgt, umso weniger Missverständnisse gibt es bei einer möglichen Schadenregulierung. So gibt es Versicherer, die die Generalplanertätigkeit im Tarif grundsätzlich eingeschlossen haben, bei anderen muss das ausdrücklich vereinbart werden.
Wichtig ist auch die Arbeitsgemeinschaftsklausel (Arge). Fuhrig: „Der Versicherungsschutz sollte hier umfassend sein. Auch das Insolvenzrisiko des Arge-Partners sollte abgesichert sein und der Versicherungsschutz sollte sich auf alle Leistungen der Arge und nicht nur auf die Leistungen der jeweiligen Arge-Partner beziehen.“
Bei Arbeit im Ausland muss geprüft werden, ob dafür ein Haftungsschutz besteht oder eigens besorgt werden muss. Nicht jeder Versicherer bietet einen weltweiten Versicherungsschutz.
Im Gespräch mit dem Versicherungsberater sollte der Architekt auf einen möglichst umfassenden Versicherungsschutz achten. Wichtige Punkte können sein: eine 30-jährige Nachhaftung (Nachmeldefrist) nach endgültiger Beendigung der Berufstätigkeit oder die Maximierung der Versicherungssummen entsprechend den Forderungen im neuen VVG und darüber hinaus bei Großprojekten. Gute Versicherer erkennt man auch daran, dass sie in der Lage sind, weit höhere Deckungssummen zu vereinbaren, als die von den meisten Kammern geforderten Mindestdeckungssummen für sonstige Schäden betragen. Danach sollte sich der Architekt erkundigen, damit es bei eventuell größer werdenden Projekten später keine „Kapazitätsschwierigkeiten“ beim Versicherer gibt.
Und noch ein Tipp: Für Mitglieder einiger Berufs- und Fachverbände gibt es Nachlässe oder eigene Deckungskonzepte, die teilweise auf bestimmte Makler beschränkt sind oder von den Versicherern unabhängig vom Makler gewährt werden. Da sich diese Sonderkonditionen immer mal wieder ändern, ist es ratsam, im Beratungsgespräch danach zu fragen. Auch Architektenkammern können über Rahmenverträge besonderer Bedingungswerke für die Berufshaftpflichtversicherung aushandeln, die ihren Mitgliedern Sonderkonditionen einräumen. So haben mehrerer Architektenkammern mit der VHV Vereinbarungen getroffen, um Existenzgründer mit besonders günstigen Prämien zu unterstützen. Die Architektenkammer Baden-Württemberg hat mit dem Spezialversicherungsmakler Wolfgang Ott in Stuttgart einen Rahmenvertrag mit Sonderbedingungen abgeschlossen, um die Kammermitglieder in Versicherungsfragen zu unterstützen.
Die Anbieter
- Allianz
- AXA
- Bayerische Versicherungskammer
- Gothaer
- HDI-Gerling
- R+V Versicherung
- VHV
- n EUROMAF (über den Makler AIA)
Was ist im Schadensfall zu tun?
Der Versicherungsnehmer hat im Schadensfall Pflichten – auch Obliegenheiten genannt – zu erfüllen. Die wichtigsten sind:
- Jeder Versicherungsfall beziehungsweise Schaden ist dem Versicherer sofort zu melden, auch wenn noch keine Schadensersatzansprüche erhoben werden.
- Der Architekt hat – so weit ihm dies billigerweise zugemutet werden kann – die Pflicht, alle erforderlichen Maßnahmen zur Abwendung und Minderung des Schadens zu -ergreifen (Schadenminderungspflicht).
- Bei der Beurteilung des Schadens oder Schadenherganges hat der Architekt den Versicherer oder dessen Beauftragten zu unterstützen und alles zu tun, was der -Aufklärung dienlich ist (Auskunfts- und Aufklärungspflicht).
- Wird gegen den Versicherungsnehmer ein Haftpflichtanspruch gerichtlich geltend -gemacht, hat er die Führung des Verfahrens dem Versicherer zu überlassen.
- Lesermeinung 1