Die Musils sind eine Sippe mit vielen Talenten: Alois Musil war ein legendärer Orientalist und Theologe. Stefan Musil ist Architekt und Kammerpräsident in Rheinland-Pfalz. Und Robert Musil schrieb den „Mann ohne Eigenschaften“. Der heißt Ulrich und hat eine sehr ausgeprägte Eigenschaft: Er legt sich nicht fest – auch nicht bei der Innenarchitektur der Villa, die er 1913 bezieht.
„Er hatte sich in die angenehme Lage versetzt, sein verwahrlostes kleines Besitztum nach Belieben vom Ei an neu herrichten zu müssen. Von der stilreinen Rekonstruktion bis zur vollkommenen Rücksichtslosigkeit standen ihm dafür alle Grundsätze zur Verfügung.
Was sollte er wählen? Der moderne Mensch wird in der Klinik geboren und stirbt in der Klinik: Also soll er auch wie in einer Klinik wohnen! – Diese Forderung hatte soeben ein führender Baukünstler aufgestellt. Es hatte damals gerade eine neue Zeit begonnen (denn das tut sie in jedem Augenblick), und eine neue Zeit braucht einen neuen Stil.
Zu Ulrichs Glück besaß das Schlosshäuschen bereits drei Stile übereinander, sodass man wirklich nicht alles damit vornehmen konnte, was verlangt wurde; dennoch fühlte er sich von der Verantwortung, sich ein Haus einrichten zu dürfen, gewaltig aufgerüttelt, und die Drohung „Sage mir, wie du wohnst, und ich sage dir, wer du bist“, die er wiederholt in Kunstzeitschriften gelesen hatte, schwebte über seinem Haupt. Nach eingehender Beschäftigung mit diesen Zeitschriften kam er zu der Entscheidung, dass er den Ausbau seiner Persönlichkeit doch lieber selbst in die Hand nehmen wolle, und begann, seine zukünftigen Möbel eigenhändig zu entwerfen.
Aber wenn er sich soeben eine wuchtige Eindrucksform ausgedacht hatte, fiel ihm ein, dass man an ihre Stelle doch ebenso gut eine technisch-schmalkräftige Zweckform setzen könnte, und wenn er eine von Kraft ausgezehrte Eisenbetonform entwarf, erinnerte er sich an die märzhaft magere Form eines dreizehnjährigen Mädchens und begann zu träumen, statt sich zu entschließen. Er überließ an diesem Punkt seiner Überlegungen die Einrichtung seines Hauses einfach dem Genie seiner Lieferanten, in der sicheren Überzeugung, dass sie für Überlieferung, Vorurteile und Beschränktheit schon sorgen würden.“