Dr. Thomas Welter
Manchmal kommt alles zusammen: Ein Projekt steht kurz vor dem Abschluss, aber ein neuer Auftrag ist nicht in Sicht. Akquisition und Kontaktpflege zu potenziellen Bauherren sind in den letzten Monaten zu kurz gekommen. Im Büro setzt auf einmal Panik ein, weil gleich mehrere Schwächen sichtbar werden: Alternative Tätigkeitsfelder sind nicht entwickelt; es fehlt an betriebswirtschaftlicher Steuerung und an einer angemessenen Arbeitsorganisation.
Zwar gibt es noch die Architekten, die am Jahresende feststellen, dass sie insgesamt ganz gut verdient haben. Wenn aber die vielen durchgearbeiteten Wochenenden, die langen Abende im Büro und der Verzicht auf Urlaub mit eingerechnet werden, erzielen viele freischaffende Architekten noch nicht einmal das Stundengehalt eines Bauzeichners.
Gehören Sie dazu? Sie befinden sich in bester Gesellschaft, denn wie Ihnen geht es vielen. Rund die Hälfte aller Inhaber von Architektur- und Stadtplanungsbüros erwirtschaften Überschüsse pro Kopf, die niedriger liegen als das Bruttoeinkommen eines Hausmeisters im öffentlichen Dienst. Und oft sind es dieselben Versäumnisse, die zu diesem schlechten Wirtschaftsergebnis führen. Sie gleichen Schwelbränden, die lange nur wenig auffallen, aber plötzlich das ganze Haus in Brand setzen können.
Typische Schwächen
In den einschlägigen Fachzeitschriften und Büchern für Architekten ist viel von der Entwicklung neuer Tätigkeitsfelder zu lesen. Doch die Realität ist eine andere. Weit mehr als drei Viertel aller freischaffenden Architekten in Deutschland konzentrieren sich bei der Akquisition neuer Aufträge auf die klassischen Tätigkeiten. Und auch bei den sogenannten alternativen Feldern dominieren mit Sachverständigentätigkeit, Projektentwicklung und Energieberatung die eher etablierten Tätigkeitsbereiche. Dagegen spielen Wachstumsfelder eher eine geringe Rolle – etwa Mediation, Baugruppen, Bauherrenberatungen bei Kauf und Sanierung oder Immobilienverwaltungen und -betrieb.
Eine weitere häufige Schwäche ist der Verzicht auf eine betriebswirtschaftliche Büroführung. Weniger als ein Drittel aller Büros erfasst die Arbeitszeit der Mitarbeiter – und noch weniger die der Inhaber. Nicht einmal die Hälfte der Büroinhaber kalkuliert einen Bürostundensatz. Selbst bei einem Viertel der großen Architekturbüros findet keine Kalkulation statt.
Auch Mitarbeitermotivation und effizienter Personaleinsatz sind vielen Büros fremd. Zum einen haben insbesondere die kleineren einen hohen Anteil an Teilzeitkräften oder freien Mitarbeitern. Dies führt häufig zu einer hohen Personalfluktuation. Zum anderen ist gerade in den kleineren Büros die Anzahl von Mitarbeiterstunden ohne Projektbezug relativ hoch: Spezialisierte Kräfte müssen auch Routinearbeiten mit geringer Wertschöpfung leisten. Dieses Problem verschärft sich, je kleiner das Büro ist. Strategische Personalentwicklung und Weiterbildung finden in nur wenigen Architekturbüros statt.
Schritte aus der Krise
Am Anfang steht die Analyse der Bürosituation. Wie lautet die Geschäftsidee und wie hebt sie sich von anderen ab? In einer systematisch durchgeführten Stärken-Schwächen-Analyse sollten die Tätigkeitsfelder bestimmt werden, in denen das Büro und seine Mitarbeiter besonders gut sind – aber auch die mit schwächeren Leistungen. Bei allen Beschäftigten sind die persönlichen Stärken und Schwächen zu benennen. Es gilt, herauszufinden, aus welchen Gründen Aufträge gewonnen wurden – und auch, warum man andere nicht erhalten hat.
Der zweite Schritt ist die Klärung der Erlös- und Kostensituation und der wichtigsten betriebswirtschaftlichen Kennziffern des Büros. Kennen Sie Ihre Bürokosten (nach Kostenarten wie zum Beispiel Personal, Räume, Material), die Verteilung der Arbeitszeiten, den Gemeinkostenfaktor (also die nicht projektbezogenen Kosten, die aber von den Einzelprojekten erwirtschaftet werden müssen) und den auskömmlichen Honorarsatz pro Arbeitsstunde?
Erfolgreiche Kalkulation und Controlling sind keine Zauberei. Die Wege sind einfach und in einschlägigen Handbüchern nachzulesen (siehe Link unten). An einem Wochenende können die wesentlichen Kennziffern zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit des Büros entwickelt und mit einem geringen Aufwand aktualisiert und regelmäßig überprüft werden. Viele, die sich mit der betriebswirtschaftlichen Büroführung schwertun, haben auch mithilfe eines professionellen Coachings neue Wege eingeschlagen.
Je nach Bürogröße betragen die Arbeitskosten zwischen zwei Drittel und drei Viertel des Gesamtaufwandes. Mitarbeiter sind die teuerste Ressource; also ist ein aktives Personalmanagement unerlässlich – auch in kleinen Büros. Dazu gehören eine Bestandsaufnahme, sprich die Beurteilung der Mitarbeiter nach Stärken und Schwächen im Team und einzeln, sowie eine aktive Personalentwicklung. Regelmäßige Mitarbeitergespräche, in denen Ziele und auch Weiterbildungen vereinbart und schriftlich festgehalten werden, dienen der Entwicklung einer effektiven Mitarbeiterstruktur mit klaren Definitionen der Zuständigkeiten und des Verhältnisses der Mitarbeiter zueinander. Ein großer Fehler vieler freischaffender Architekten ist die Vernachlässigung der Führungsaufgaben in der Hektik des Alltags. Doch sind verbindliche Bürobesprechungen und regelmäßige Überprüfungen der getroffenen Vereinbarungen unerlässlich.
In einem vierten Schritt gilt es, zusätzliche Kompetenzen zu entwickeln und entsprechend zu vermarkten. Führen Sie sich vor Augen, dass jeder Bauherr einen guten Entwurf als Selbstverständlichkeit erwartet. Vom Architekten erwartet er mehr: Termin- und Kostensicherheit, hohe Bauqualität und möglichst wenige Mängel, schließlich Sicherheit in den Verträgen und bei der Finanzierung.
Diese Perspektive des Auftraggebers gilt es ernst zu nehmen und darauf einzugehen. Sich als geübter Baumanager zu präsentieren ist ein wichtiger Schritt bei der erfolgreichen Akquisition. Erfolg bei den Vertragsverhandlungen und eine wirtschaftliche Durchführung eines Projekts brauchen das Vertrauen des Bauherrn in die organisatorische und betriebswirtschaftliche Kompetenz des Architekten. Die Fähigkeit zur geistig-schöpferischen Leistung muss dagegen nicht eigens dargestellt werden. Diese wird dem Architekten in der Regel zugetraut.
Dr. Thomas Welter ist Referent für Wirtschaft und Gesellschaft der Bundesarchitektenkammer.