Marion Goldmann
„Architekten sagen, so eine Anlagen bestellen und einbauen, das können wir auch“, sagt Ingenieur Erwin Nolde. Das Argument versteht er nur zu gut. Wer zieht schon neben einem Haustechnikplaner noch einen Spezialisten für innovative Wasserkonzepte wie ihn beratend hinzu? Dabei könnte sich das am Ende lohnen. Planern hilft es, Fehler zu vermeiden. Bauherrn, Eigentümer oder Betreiber von Immobilien die Betriebskosten zu minimieren. Die Anlagen sind derzeit vor allem dort rentabel, wo ein hoher Wasserverbrauch entsteht. Hotels, Wohnheime oder Gewerbebetriebe sind an dieser Technologie deshalb zunehmend interessiert.
Auch in Mehrfamilienhäusern profitieren Mieter und Eigentümer gleichermaßen von der Trinkwasser-Zweitverwertung. Bis zu 10.000 Liter sparen so beispielsweise die Bewohner von „Block 6“. Hinter dieser nüchternen Bezeichnung steht eine Wohnanlage in der Südlichen Friedrichstadt Berlins. Das nahe am Potsdamer Platz gelegene Ensemble war einst ein Highlight der „Internationalen Bauausstellung“ von 1987 und gehörte zu den Pionierprojekten für ökologisches Bauen im damaligen West-Berlin. Schon vor über 20 Jahren wollten die Planer durch die Nutzung von Regenwasser sowie der Wiederaufbereitung von Grauwasser in einem Pflanzenklärwerk Trinkwasser sparen. Nur kurze Zeit später erfolgte die Stilllegung der Anlage. Jetzt wurde sie im Rahmen der Standortinitiative „Deutschland – Land der Ideen“ neu belebt und mit der Auszeichnung „Ausgewählter Ort 2009“ geehrt.
Neue Maßstäbe setzen
Berlin startete in den Wettbewerb mit dem Projekt „Wasserhaus der Berliner Wohnanlage Block 6“. Vier Partner hatten sich dafür zusammengeschlossen: die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, die aurag Immobilienverwaltung als Eigentümer, das Ingenieurbüro Nolde & Partner und die Hansgrohe AG. Ziel des Landes Berlin war es, den Bestand der Anlage als technisches Denkmal zu sichern und zu optimieren sowie die Betriebsführung unter wirtschaftlichen Bedingungen zu ermöglichen. Ausgezeichnet wurde das Wasserkonzept mit der vollautomatischen Grauwasser-Recyclinganlage Pontos AquaCycle. Die 2001 gegründete Pontos GmbH ist ein Tochterunternehmen der Hansgrohe AG und auf Anlagen für die zweifache Nutzung von Trinkwasser spezialisiert. Im In- uns Ausland wurde die Technologie seither mehrfach prämiert. Inzwischen umfasst das Sortiment Anlagen mit Wiederaufbereitungskapazitäten zwischen 600 und 30.000 Litern Wasser pro Tag.
In „Block 6“ erfolgt die Trennung des Abwassers wie ursprünglich vorgesehen in zwei Teilströmen. Dabei wird das Abwasser aus Badewannen, Duschen und Handwaschbecken der 71 angeschlossenen Wohnungen sowie hoch organisch belastetes Wasser aus Küchen und den Waschmaschinen für die Spülung von 90 Toiletten und zur Bewässerung der Mietergärten aufbereitet. Das hier selbst hoch organisch belastetes Wasser recycelt wird, ist derzeit weltweit einzigartig. Damit wurden bei dem einstigen Öko-Vorzeigeprojekt wiederholt Maßstäbe gesetzt.
Technik im Wasserhaus
An der Entwicklung hierfür ist Erwin Nolde und sein Team entscheidend beteiligt: „Wir leisten nicht nur Forschungsarbeit, sondern sind auch Betreiber von Anlagen.“ Zwei Jahre lang hat er die Berliner Anlage hinsichtlich geringeren Energieverbrauchs, minimierter Wartung sowie niedriger Investitionskosten optimiert. Drei der ursprünglich vorgesehen Behälter ließen sich bereits einsparen, weil es gelang, die Reinigungsstufen zu reduzieren. Dadurch sinken Anschaffungspreise und vor allem werden die Anlagen insgesamt kompakter. Ein Vorteil, wegen der geringeren Investition in den umbauten Raum für die Aufstellfläche – in der Regel der Keller.
In Berlin hat man für die Betriebsstätte ein attraktiveres Umfeld geschaffen. Das so genannte Wasserhaus, entworfen vom Berliner Architekten Klaus Zahn: „Bauart und Materialwahl erfolgten ausschließlich nach baubiologischen Gesichtspunkten.“ Diffusionsoffene Holzständer-Bauweise mit 16 Millimeter Zellulosedämmung, unbehandelte Fassadenprofile aus Lärchenholz, weite Dachüberstände, extensive Dachbegrünung und Lichtkuppel statt herkömmlicher Fenster. Errichtet hat der Architekt das Gebäude auf dem Fundament der Stahlbetonbecken des alten Schönungsteiches der Pflanzenkläranlage. Daher die geschwungene Form. Seit Juli steht es jetzt als Informationsplattform für nachhaltiges Wassermanagement allen zur Verfügung.
Interessierte können hier die einzelnen Reinigungsstufen gut verfolgen und sich nicht zuletzt von der Wasserqualität überzeugen. Diese entspricht den Anforderungen der EU Badegewässerrichtlinien, deren Einhaltung die hygienischen Bestimmungen sicherstellt. Wer eine Grauwasser-Recyclinganlage plant, sollte sich das vom Hersteller auch garantieren lassen, rät Nolde.
Ferngesteuert überwachen
Das gelte auch, so der Wasserprofi weiter, für den Energieverbrauch während des Betriebs. Generell erfolgt die Wasseraufbereitung rein mechanisch-biologisch, also ganz ohne chemische Zusätze. Außer Pontos, dessen AquaCycle-System neben weiteren Komponenten auf Schaumstoffwürfeln basiert, setzen die andern etwa vier bis sechs Anbieter von Grauwasser-Recyclinganlagen Membranen ein. Technologiebedingt sei hier der Energieverbrauch höher. Außerdem können Membranen verstopfen, weshalb sie von Zeit zu Zeit vom Hersteller ausgetauscht werden. Auch hier empfiehlt Nolde sich diese Wartungszyklen nennen und bestätigen zu lassen.
Ein wirtschaftliches Betreibermodell schließt auch die Überwachung mit ein. „Block 6“ wird mittlerweile ferngesteuert und online überwacht. Dabei lässt sich die Anlage bei laufendem Betrieb sogar weiter optimieren. Gleichzeitig wird damit auch ein reduzierter Serviceaufwand angestrebt. Da die Fachleute die Ergebnisse am Computer interpretieren können, sei es leicht zum Beispiel den Hauswart aus der Ferne mit dem Austausch eines Siebes zu beauftragen. Überhaupt ließ sich die aurag als Eigentümer vor allem auch deshalb auf das Grauwasser-Recycling ein, weil das Büro von Erwin Nolde die Anlage betreibt und letztendlich dafür garantiert.
Regenwasser-Konzept
Selbstverständlich für umweltgerechte Konzepte wie bei „Block 6“: Auch Niederschlagswasser werden genutzt. Der noch vorhandene Bewuchs der alten Pflanzenkläranlage ermöglichte es, dass auf dem Gelände anfallende Niederschlagswasser von 2350 Quadratmeter Dachfläche und 650 Quadratmetern versiegelter Fläche vollständig auf dem Grundstück versickern. Selbst ein Notüberlauf zum Abwasserkanal war nicht notwendig. Überschüssige Mengen nach starkem Regen werden in die angrenzende Mulde eingeleitet. Durch die große Verdunstungsfläche wird das Regenwasser in der warmen Jahreszeit zum Kühlen der Umgebung genutzt.
Jeder Kubikmeter Regenwasser setzt dabei 680 Kilowattstunden an Kühlleistung in die Umgebung frei. Der wirtschaftliche Effekt: Das Niederschlagswasserentgelt in Höhe von etwa 2000 Euro im Jahr entfällt komplett. Zum Beispiel in Industrie- und Verwaltungsgebäuden ließe sich das Regenwasser zur Kühlung in adiabatischen Klimaanlagen oder zur Toilettenspülung verwenden.
Weitere Informationen:
Nolde & Partner, innovative Wasserkonzepte
Die Fachvereinigung Betriebs- und Regenwassernutzung e.V.
bietet unter anderem eine Marktübersicht von Produkten und Herstellern für Regenwassernutzung, Regenwasserversickerung und Grauwasser-Recycling.
War dieser Artikel hilfreich?
Weitere Artikel zu: