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Zurück Grüne Fassaden

Blätter am Bau

Pflanzen werden immer häufiger als integrale Bestandteile von Fassaden genutzt. Aber das funktioniert nicht in jedem Fall.

01.10.20087 Min. Kommentar schreiben
Vertical Gardens 1: Am Caixa Forum in Madrid (Architekten Herzog und de Meuron) pflanzte Patrick Blanc

Florian Heilmeyer
Das Verhältnis der Architektur zur Begrünung von Fassaden scheint sich grundlegend zu ändern. Der anhaltende Nachhaltigkeitsdiskurs ist nur einer von vielen Gründen dafür. Architekten, die sich mit dem Beranken beschäftigen, sind auch konzeptionell an der Integration des „Materials Pflanze“ interessiert. Dabei helfen ihnen ein genaues Verständnis der klimatischen Voraussetzungen und neue Technologien, die eine präzisere Kontrolle des Wachstums und eine Automatisierung der notwendigen Pflege ermöglichen. Jenseits von Geranienkübeln am Balkon und jenseits der Romantik vom efeuüberwucherter Steinmauern wird an Neubauten seit mehreren Jahren wieder eifrig gepflanzt – und tatsächlich harmoniert diese Kombination aus Pflanzen und Architektur. Lebendige Pflanzen erleben geradezu einen Boom in der Architektur.

Nicht jeder Architekt ist davon allerdings gleich so begeistert wie Bjarke Ingels, der vor seinem brandneuen, schwergewichtigen Apartmentblock „The Mountain Dwellings“ in Kopenhagen steht und schwärmt, die terrassierte Südseite werde in wenigen Jahren einer „Ruine im kambodschanischen Regenwald“ ähneln. Die privaten Gärten und Terrassen der 80 Apartments sind noch vor dem Einzug der ersten Mieter mit einer Kombination verschiedener Kletterpflanzen bestückt worden, die von einem automatischen Bewässerungssystem mit Regenwasser und Dünger versorgt werden. „So kann man einen wunderbaren Garten auf seiner Terrasse haben, ohne den Stress, ihn pflegen zu müssen“, so Ingels. Natürlich dürfen die Mieter auch private Pflanzen zusätzlich aufstellen – die Kletterpflanzen dürfen allerdings nur begrenzt verändert werden.

Auch die Mieter des von Muck Petzet Architekten aus München umgebauten und aufgestockten elfgeschossigen Plattenbaus in Hoyerswerda verpflichten sich vertraglich, die Grünfassade in der angestrebten Form nicht zum Anlass einer Mietsenkung zu nehmen. An den Fenstern des „Lausitz Towers“ wurden Blumenkästen installiert, aus denen verschiedene Kletterpflanzen wachsen.

Über die Fassade spannen sich Stahlseile in einem weitmaschigen und unregelmäßigen Netz – so soll sich aus dem gelenkten Wachstum ein mit den Jahreszeiten wechselndes Grünbild ergeben, das zwischen dem Minimum der immergrünen Pflanzensorten im Winter und einem grünen Höhepunkt im Sommer pendelt. Dann soll das Haus als „Versinnbildlichung einer sehr speziellen Stadtsituation“ verstanden werden, so Petzet. Dass aber auch dieses „wachsende Haus in einer schrumpfenden Stadt“ mit einer gewissen Ruinenromantik assoziiert werden kann, ist ihm bewusst: „Natürlich kann das Projekt auch zynisch gelesen werden.

Aber gerade eine Stadt wie Hoyerswerda sollte mit der Vermählung von Stadt und Landschaft offensiv arbeiten, besonders im Zentrum. Schrumpfung und Abriss sollen positiv umgedeutet werden: Stadt und Landschaft nähern sich wieder an.“ Das Signal funktioniert sogar besser als gedacht: An der Autobahn wurde ein touristisches Hinweisschild für Hoyerswerda montiert, das in einer grafischen Abstraktion den „Lausitz Tower“ zeigt.

Lausitz Tower: Kletterpflanzen wachsen an Stahlseilen, die in einem Netz über die Fassade gespannt sind. Das Grünbild wechselt mit der Jahreszeit.

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