Roland Stimpel
Hausfassade und Gesicht – der Vergleich mag im ersten Moment ein bisschen kindisch anmuten. Aber es sei durchaus ein Thema für Erwachsene, meint der Berliner Architekt Tobias Nöfer: „Unbewusst sehen wir überall Gesichter – ob in den Frontseiten von Autos, in Wolken oder in Uhren, die darum in der Werbung immer auf zehn nach zehn lächeln.“
Und auch für Fassaden sei das Gesicht ein uraltes Gliederungsvorbild: „Am deutlichsten zeigt sich das in ganz oder fast ganz symmetrischen Gebäuden mit einer ungeraden Achsenzahl. Das gibt eine Nase in der Mitte, der Eingang entspricht dem Mund und die Fenster den Augen.“ Häuser könnten sich ins Gedächtnis einprägen wie die individuellen Antlitze anderer Menschen. Wenn sie das schaffen, dann produzieren sie Vertrautheit mit dem Ort, erlauben Aneignung und schaffen Verständnis für das gebaute Gegenüber.
Gegen den Bierernst der Theorie
Ob sich ein Bau gefällig oder verzerrt präsentiert, ob grinsend oder dumpf, klug oder leer, das versucht Nöfer mit Gesichtsskizzen auf der Grundlage von Fassadenbildern zu ermitteln. Für ihn ist das ein ernsthaftes Handwerksmittel und ein Erkenntnisse fördernder Spaß zugleich: „Es ist durchaus ernst gemeint, wenn ich Fassaden als Gesichter darstelle. Es hat aber auch die Qualität von Comics.“
Viele Gesichter auf engem Raum findet Nöfer im jungen Berliner „Townhouse“-Quartier am Friedrichswerder, gleich neben dem Außenministerium. Hier waren den Gestaltern der 47 Häuser nur Hausbreite und Maximalhöhe vorgegeben, nicht aber die Fassadengestaltung. Also guckt in Nöfers Interpretation jedes Haus anders, und alle zusammen bilden eine leicht chaotische, bunt durcheinander plappernde Gesellschaft.
Er selbst möchte damit nicht nur Stimmung vermitteln, sondern auch Stimmung schaffen: „Ich will weg vom wahnsinnigen Ernst der Architekturtheorie.“ Spricht’s und guckt vergnügter als jede Hausfassade.
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