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Gläserne Himmel

Berlin saniert ein hundert Jahre altes Tropenhaus, Leipzig baut ein neues.

01.05.20086 Min. Kommentar schreiben
Modernisierung: An die im Krieg zerstörten kleinteiligen einfachen Gläser traten großformatige, leicht gewölbte Plexiglasscheiben.

Dr. Jürgen Tietz
Was gut für behauste Pflanzen ist, das muss nicht gut für das Weltklima sein – und schon gar nicht für das Budget des Hausbetreibers. Aber der Reihe nach: Mit dem Großen Tropenhaus verfügt der Botanische Garten im Südwesten Berlins über ein architektonisches Juwel. So wie die meisten seiner Schaugewächs- und Anzuchthäuser wurde der 28 Meter hohe und rund 60 Meter lange Bau zu Beginn des 20. Jahrhunderts von dem Ingenieur Heinrich Müller-Breslau und dem Architekten Alfred Koerner entworfen. Bis heute fasziniert seine technische Ästhetik.

Und das, obwohl die kleinteiligen Fassadenfenster längst verloren sind, die ursprünglich an dem außen liegenden Tragwerk hingen. Nach ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg entschied man sich beim Wiederaufbau des Tropenhauses 1963 bis 1968 durch Senats-Oberbaurat Hans-Joachim Arndt für eine moderne Lösung: An die Stelle der kleinteiligen einfachen Gläser traten großformatige, leicht gewölbte Plexiglasscheiben. Das war gut für die rund 4 000 Pflanzen im Tropenhaus, die nun viel Licht und ausreichend UV-Strahlung erhielten. Schlecht ist es dagegen in den Zeiten des Klimawandels und rasant steigender Energiekosten: „Das Große Tropenhaus verbrauchte etwa ein Drittel des gesamten Energiebedarfs des Botanischen Gartens“, sagt Michael Krebs, Sonderbeauftragter der Freien Universität für die Grundsanierung des Großen Tropenhauses.

Sanierungsstau

Zudem nagte der Rost an der Tropenhalle. Die kostenintensive Grundsanierung war unausweichlich. Der beauftragte Berliner Architekt Friedhelm Haas: „Zu den Hauptzielen gehört es, die Energiekosten um über die Hälfte zu senken.“ Nur so konnte die 16 Millionen Euro teure Sanierung des Hauses zu 50 Prozent mit Mitteln aus dem europäischen Umweltentlastungsprogramm gefördert werden. Das erzwang allerdings einen engen Zeitplan: Bis Ende 2008 muss der Umbau abgeschlossen werden. Die Eröffnung soll 2009 folgen. Doch bis sich die „lernende Software“ für die Klimasteuerung im Haus eingespielt hat, die bei extremen Witterungsbedingungen auch ein kurzfristiges Gegensteuern ermöglicht, rechnet Krebs mit bis zu drei Jahren. Zudem waren die Vorstellungen der Nutzer und die aufwendige Klimatechnik noch mit den Anforderungen der Denkmalpflege in Einklang zu bringen.

Eingriffe ins Denkmal

Bei der neuen Glasfassade fiel die Entscheidung sowohl gegen eine Konstruktion mit Folienkissen als auch gegen eine Rekonstruktion der – verlorenen – kleinteiligen Verglasung. Wo ursprünglich 20 Scheiben Platz fanden, werden sich künftig neun Isoliergläser befinden – wenngleich der Nutzer sich auch größere Scheiben hätte vorstellen können. Um genügend Licht und auch UV-Strahlung in das Haus zu bekommen, verfügt das ab Kopfhöhe verwendete (UV-Licht-durchlässige) Sicherheitsweißglas über eine besondere UV-stabilisierte Folie, die nicht vergilbt.

Sie findet beim Großen Tropenhaus erstmals außerhalb der USA Verwendung. Teil des aufwendigen Klimakonzeptes ist die Bauteilheizung, die knapp 40 Grad warmes Wasser durch die hohlen Metallprofile der Fassade strömen lässt und so dazu beitragen soll, dass sich möglichst kein Kondenswasser an der Stahlkonstruktion niederschlägt. Um die Klimatechnik im Gebäude unterzubringen, waren im Kellergeschoss erhebliche Eingriffe in die Denkmalsubstanz notwendig. Im Untergeschoss finden auch die Sorptionsgeräte Platz, die im Winter die Luft entfeuchten.

Übergang: Zwischen zwei Gewächshäusern entsteht ein kubisches Bauwerk.

Zu den Eingriffen in das Baudenkmal gehört auch der Abriss einer alten Grotte, die mit einem einfachen Betonskelett wieder aufgebaut wird. Ihre Oberfläche soll ebenso modelliert und bepflanzt werden wie die der beiden neu eingefügten Lüftungstürme. Mit ihnen wird die warme Luft höherer Schichten im Tropenhaus abgesaugt und über Ventilatoren unten wieder eingeblasen. Nachts wird dagegen laut Klimakonzept die kühlere Raumluft über die tagsüber aufgewärmten „latenten Wärmespeicher“ geführt und anschließend – ohne zusätzliche Energiezufuhr – erwärmt und in das Tropenhaus zurückgeführt.

Einen Neubau wird es beim großen Tropenhaus auch geben: Als Übergang zum Haus für die Riesenseerose Victoria Regia errichten Haas Architekten ein kubisch zurückhaltendes Bauwerk, dessen Fassade im oberen Bereich transparent ausgeführt wird. Im unteren Teil wird es mit Basaltlava verkleidet. So nimmt der neue Baukörper die Materialität des Sockels des Tropenhauses auf.

Leipziger Zoo-Tropen

160 Kilometer weiter südlich entsteht im Leipziger Zoo die neue Tropenhalle „Gondwanaland“, deren Name an den Urkontinent Gondwana erinnert. Ab Ende 2009 wird hier wie im Berliner Tropenhaus des Botanischen Gartens rund 80 Prozent Luftfeuchtigkeit herrschen. Die neue Halle ist Teil des Leipziger Konzepts „Zoo der Zukunft“, der durch die Eingliederung einer Industriebrache entsteht.

Zoo der Zukunft: Die neue Tropenhalle im Leipziger Zoo erinnert namentlich an den Urkontinent „Gondwana“.

„Die drei dargestellten Kontinente Asien, Afrika und Süd­amerika passen sich ideal in den Grundriss ein“, erläutern die Architekten Klaus Reuter und Martin Henchion (Berlin und Dublin) die Grundidee der sphärisch dreieckigen Form für ihre Halle. Wie in Berlin wird es auch in Leipzig zwei Tragewerksebenen geben.

Doch damit erschöpfen sich die Parallelen zwischen den beiden Hallen bereits, die für unterschiedliche Generationen von Tropenhäusern stehen und damit zugleich für unterschiedliche Konzepte. So ist die sphärische Stabwerkskuppel in Leipzig, die an dem stählernen Dachtragwerk hängt, ihrerseits aus Dreieckselementen mit Kantenlängen zwischen elf und 22 Metern zusammengesetzt. ­Anstelle von traditionellem Glas hat man sich für die Verwendung von dreilagigen Folienkissen entschieden. Dabei handelt es sich um eine pneumatisch vorgespannte Membran aus Ethylen-Tetrafluorethylen (ETFE). Ein Material, das das Bauen in der Tradition der leichten Membran­bauten Frei Ottos ermöglicht. Es findet daher nicht nur bei großen Gewächshäusern oder Dachkonstruktionen Verwendung, sondern auch bei der Allianz-Arena von Herzog und de Meuron in München.

Sphärisch dreieckig: Das Leipziger „Gondwanaland“ soll Pflanzen aus Afrika, Amerika und Asien zeigen.

Da die Folienkissen leicht und fest sind, eignen sie sich zudem gut für den Einsatz bei großen Spannweiten. Darüber hinaus verfügen sie durch ihre Mehrlagigkeit über gute Wärmedämmeigenschaften und ermöglichen es, dass das für Pflanzen unverzichtbare UV-Licht in die Leipziger Riesentropenhalle gelangen kann.

„Das Ziel ist, dass Zoobesucher die Dachstruktur möglichst wenig wahrnehmen und sich auf das Erlebnis der Pflanzen und Tiere im Inneren konzentrieren können“, erläutert Reuter. Und so haben die Architekten im Inneren der Halle eine Erlebnislandschaft für die Besucher vorgesehen, mit Abenteuer- und Baumwipfelpfad, Bootstour und Pfahlbaudorf. Doch verspricht auch die Konstruktion der Halle zu einem eigenen Erlebnis zu werden.

Dr. Jürgen Tietz ist Kunsthistoriker und Journalist in Berlin.

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