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Einer für alle, alle für einen

Wie kommen kleine Büros zu großen Aufträgen? Am Hochrhein haben dafür sieben Büros ein besonderes Netzwerk gebildet.

01.05.20088 Min. Kommentar schreiben
Die sieben Mitglieder von NA+M: Christian Burkhard, Michael Duffner, Jürgen Moser, Peter Schanz, Frank Hoven­bitzer, Ernesto Preiser, Gerold Müller (von links nach rechts)

Fred Wagner, Alfred Morlock

Architekten sind einander nicht immer gut Freund. An der Schweizer Grenze südlich des Schwarzwalds sind sie es definitiv: Hier haben sieben Architekturbüros mit Kollegen aus dem Nachbarort Hohentengen sowie der Stadt Lörrach ein Architektennetzwerk gebildet.

Die Idee leuchtet ein: Kleine Architekturbüros bekommen keine großen Aufträge. Es sei denn, sie treten mit anderen Büros gemeinsam auf. So kann aus mehreren Bürozwergen ein schlagkräftiger Riese mit vielen Architekten und Mitarbeitern werden, einer enormen Erfahrung und vielen vorzeigbaren Projekten.

„Auslöser für die Gründung war eine Weiterbildungsveranstaltung der Architektenkammer Baden-Württemberg im November 2006“, erinnert sich Netzwerkgründer Peter Schanz. Auf der Veranstaltung wurde über Netzwerke und die schlechte Wirtschaftslage des Berufsstands gesprochen. Schanz, Inhaber eines kleinen Büros mit vier Architekten und einer Hochbauzeichnerin, war schon seit Langem davon überzeugt, dass sich etwas in der Arbeit von Architekten verändern musste: „Wir verhalten uns noch viel zu oft wie in den Fünfziger- oder Sechzigerjahren. Wir sitzen da und hoffen, dass uns jemand einen Auftrag erteilt, oder wir versuchen unser Glück über die Teilnahme an Wettbewerben.“

Oben: Fassaden­gestaltung an einem Wohn- und Geschäftshaus in Lörrach (Moser Architekten)

Die Besten der Region

Stattdessen wollte er durch den gemeinsamen Auftritt mit Kollegen Kompetenzen und Kapazitäten erweitern, um so zum Beispiel Projektentwicklung zu betreiben. Also zog Schanz los und suchte nach Mitstreitern für seine Netzwerkidee. Bei der Auswahl stand die Qualität an erster Stelle. Schanz: „Ich wollte die Besten aus der Region.“ Dabei nutzte er seine Kontakte als Mitglied in der BDA-Kreisgruppe Hochrhein und seine persönliche Bekanntheit.

Um den Netzwerkgedanken an den Architekten zu bringen, musste Schanz wenig Überzeugungsarbeit leisten. „Jeder, den ich fragte, sagte sofort zu, auch wenn es manchmal Zweifel gab.“ Am Ende standen sieben Chefs von Architekturbüros mit jeweils drei bis zehn Mitarbeitern auf seiner Liste, alle Mitglied im BDA – drei Büros aus Waldshut-Tiengen, je zwei aus Hohentengen und Lörrach.

Wenige Wochen später gingen die sieben Netzwerker in Klausur. Sie nahmen sich einen erfahrenen Moderator, Professor Ulrich Elwert aus Ravensburg, der von der Kammer empfohlen wurde, und zogen sich übers Wochenende in ein Hotel zurück. „Um die Satzung festzulegen, über unsere Fragen zu reden und gemeinsame Ziele zu formulieren“, berichtet der zweite Netzwerker Frank Hovenbitzer. Vor einem Jahr, im Mai 2007, wurde dann das „NA+M – Netzwerk Architektur und Management“ offiziell gegründet. Es bündelt seitdem die Arbeitskraft von 25 Architekten und besitzt einen Referenzpool von Hunderten erfolgreich abgeschlossenen Bauprojekten. Außerdem bestehen bewährte Partnerschaften mit mehreren Ingenieuren aus verwandten Berufsfeldern.

Links: Pathologie in Liestal, Schweiz (wilhelm und hoven- bitzer und partner)

Teilnahme am VOF-Verfahren

Hovenbitzer kommt aus dem wirtschaftlich erfolgreichen Büro wilhelm und hovenbitzer und partner in Lörrach mit zehn Mitarbeitern. Trotzdem hat er nicht gezögert, zu einem „Komplizen“ zu werden, wie er sagt. Hovenbitzer: „Den klassischen Architekten gibt es nicht mehr, der Markt und die Bauherren haben sich verändert. Wir müssen heute neue Formen der Akquisition finden; das Netzwerk ist eine Möglichkeit.“

In der Praxis sieht das zum Beispiel so aus: Bei VOF-Verfahren haben kleine Büros kaum noch Chancen, teilzunehmen, weil sie meist die Voraussetzungen nicht erfüllen. Mit den Synergieeffekten und der Stärke eines Netzwerks von 25 Architekten ist das aber kein Problem. Auch direkte Bewerbungsgespräche mit Großunternehmen wie der Hoffmann La Roche AG oder der Sto AG sind mit einem Mal möglich. Hovenbitzer: „Als leistungsstarkes Netzwerk mit erfahrenen Architekten hat man bei potenziellen Bauherren eine ganz andere Präsenz und stößt auf offene Ohren.“

So eine „Machtansammlung“ bleibt auch den Architektenkollegen aus der Region nicht verborgen. Viele nehmen das Projekt positiv auf. Doch es gibt auch Proteste und Beschwerden. Einige Architekten nahmen sogar an, dass die Bildung so eines Netzwerkes gar nicht erlaubt sei.

Sparkasse Hochrhein Waldshut: Umbau und Erweiterung durch Duffner Architekten

Erst als der Kammerpräsident aus Stuttgart zum Netzwerk kam und eine Lobesrede hielt, beruhigten sich die Gemüter. Hovenbitzer sieht ohnehin keine Konkurrenz für Kleinbüros vor Ort: „Mit unserem Netzwerk ziehen wir ganz woanders hin und berühren gar nicht die Bereiche von regionalen Kollegen.“ Jürgen Moser aus Lörrach entschied sich für das Netzwerk, „um mich um neue Sachen zu bemühen, die mir als Einzelbüro verwehrt bleiben“. Die Idee, gemeinsam große Bauaufträge abzuwickeln, hat ihn fasziniert.

Der Geist der Zusammenarbeit

Auch wenn es bisher noch nicht dazu gekommen ist, steht bereits fest, wie die Arbeit an konkreten Bauaufträgen im Netzwerk erfolgt: So werden wie für die Teilnahme an Wettbewerben themenbezogene Arbeitsgruppen (ARGE) gegründet, die aus mindestens zwei und maximal sieben Mitarbeitern verschiedener Büros bestehen. Sie arbeiten zusammen, bis der Job erledigt ist. Moser: „Der Geist dieser kommenden Zusammenarbeit ist schon im Netzwerk zu spüren. Aus dem offenen Umgang miteinander und dem steten Informationsaustausch zieht bereits jetzt jedes Mitglied seinen Nutzen.“

Feuerwehrhaus in Waldshut-Tiengen (Architekt Ernesto Preiser)

Der Aufbau des Netzwerks ist so einfach wie möglich organisiert. Die Satzung mit den wichtigsten Spielregeln besteht aus drei Seiten Papier. Dort steht auch der wichtigste Satz, das Fundament von NA+M: „Alle Beschlüsse werden einstimmig gefasst.“ Es gibt keine Hierarchie, alle Partner sind gleichberechtigt. Alle sechs Monate gibt es einen anderen „Netzwerkchef vom Dienst“, der sich um die Organisation kümmert – der zu den 14-tägigen Treffen einlädt, das Protokoll führt und die Tagesordnung festlegt sowie als Ansprechpartner nach außen auftritt.

Umbau, Erweiterung und Aufstockung eines Einfamilienhauses in Lotstetten-Nack (Peter Schanz Architekten)

Auch für Gerold Müller aus Waldshut-Tiengen war es keine Frage, Teil des Netzwerks zu werden. „Der Gedanke ist schon bestechend: Dadurch, dass wir unsere Kompetenzen bündeln, kann jeder die Stärken des anderen nutzen.“ Als Student wollte Müller immer in einem großen Team in einer Art Architekturwerkstatt mitarbeiten. „Jetzt habe ich diese Möglichkeit im Netzwerk gefunden“, sagt er. Bereits nach knapp einem Jahr Netzwerk habe sich seine Arbeit verändert. „Wir sind außerhalb des Netzwerks immer noch knallharte Konkurrenten, aber es gibt einen regen Austausch, wenn es um gemeinsame Projekte geht.“ Das sieht auch Netzwerker Ernesto Preiser, Büroinhaber in Waldshut-Tiengen so: „Man gibt sicher ein Stück der eigenen Bürophilosophie preis und lässt die Hosen runter, aber die Eigenständigkeit geht dadurch nicht verloren.“

Arbeit teilen, sich selbst verbessern

Noch ist diese Zusammenarbeit eine Zusatzbelastung zur täglichen Arbeit als Architekt und erfordert von jedem mehr Zeit im Büro. Doch die Mitglieder von NA+M sehen diesen Mehraufwand als Investition. Ebenso wie den Besuch von zwei Mitgliedern von NA+M auf der weltweit größten Immobilienmesse Mipim in Cannes, um sich über die Möglichkeiten der Auftragsbeschaffung zu informieren.

„Es gibt Projekte und Vorhaben, die kann man mit der eigenen Bürostruktur nicht bewältigen“, erklärt Preiser. Dazu gehörten der Messebesuch an der Riviera ebenso wie VOF-Verfahren, spezielle Weiterbildungen oder die Projektentwicklung. Preiser: „Mit einem Netzwerk lässt sich die Arbeit sehr schön aufteilen.“
Für Michael Duffner aus Waldshut-Tiengen ist das Netzwerk auch eine Möglichkeit, die Arbeit zu optimieren.

„Ich frage mich ständig, ob es Verbesserungsmöglichkeiten gibt. Vor diesem Hintergrund habe ich mich für NA+M ­entschieden. Man lernt die Arbeitsweisen der Kollegen ­kennen, tauscht sich aus und kann eigene Schwächen ausgleichen.“

Mit Schwimmteich: modernes Gartenhaus von Grün- und Freiraumplanung Christian Burkhard

Duffner gehörte zu den Kollegen, die nicht sofort Feuer und Flamme waren und sich zunächst viel Zeit zur Diskussion und zum Überlegen ließen. Heute ist er davon überzeugt, dass es die richtige Entscheidung war. So wie alle anderen Mitglieder von NA+M ist auch er optimistisch, dass in diesem Jahr der erste Bauauftrag über das Netzwerk erfolgt. Noch haben die sieben „Komplizen“ keinen konkreten Auftrag in der Tasche. Das werde sich wohl bald ändern, deuten sie diskret an.


Weitere Netzwerke:

  • ena – european network architecture: www.ena.ag

Rechtliche Hinweise

Die Verwendung der Bezeichnung „Netzwerk“ sagt noch nichts darüber aus, um welche Gesellschaftsrechtsform es sich hierbei handelt. Infrage kommt hier ein lockerer Zusammenschluss ohne eine bestimmte Rechtsform, um zum Beispiel gemeinsam zu akqui- rieren, infrage kommen auch ein Verein oder aber eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die darauf ausgerichtet ist, gemeinsam Aufträge zu akquirieren und möglicherweise darüber hinaus Verträge mit Auftraggebern abzuschließen.

Möchte man vermeiden, dass nach außen der Eindruck erweckt wird, als ob es sich hier um mehr als einen lockeren Zusammenschluss oder eine bloße Kooperation von verschiedenen unabhängigen Büros handelt, die sich nur zusammengeschlossen haben, um sich vorzubehalten, in Einzelfällen gemeinsame Verträge mit Auftraggebern abzuschließen, muss man sicherstellen, dass diese nicht nach außen ­beispielsweise als Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit einer gemeinsamen Haftung auftreten.

Ein solches gemeinsames Auftreten könnte man zum Beispiel in der Verwendung eines gemeinsamen Erscheinungsbildes, eines Logos, durch Verwendung eines Flyers mit Angabe aller beteiligten Büros, Verwendung eines Briefkopfes etc. sehen. Würde deshalb zum Beispiel ein Auftrag zustande kommen mit der Bezeichnung „Netzwerk …“, so würde damit automatisch die Gesamtverantwortung aller an dem Netzwerk beteiligten Büros verbunden sein mit gesamtschuldnerischer Haftung etc. Möchte man diese Konsequenzen vermeiden, muss ganz klar dokumentiert sein, um welche Art des Zusammenschlusses es sich handelt, zum Beispiel um einen lockeren Zusammenschluss von selbstständigen Büros, die im Falle des Auftrages eigenständige Verträge abschließen, die aber zum Beispiel auch fachübergreifend oder überregional von Fall zu Fall zusammenarbeiten. Um unliebsame Konsequenzen zu vermeiden, ­empfiehlt es sich, sich vorab rechtlich zu informieren. Dies gilt auch für die Frage des Versicherungsschutzes.

RA Alfred Morlock, Architektenkammer Baden-Württemberg.

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