Simone Hübener
Schiffe dienten als Leitbilder für den Entwurf der Bodenseetherme Konstanz, die wie selbstverständlich auf dem leicht abschüssigen Gelände in unmittelbarer Nähe des Sees liegt. Gleich neben dem Eingang stehen die beim Bau eines Schwimmbades obligatorischen Lüftungs- und Heizungsrohre in Reih und Glied; sie erinnern an die Schornsteine großer Schiffe. Planerisch war die Therme ein träges Dickschiff: Bereits 1998 hatten 4a Architekten aus Stuttgart den Wettbewerb zum Umbau des Thermalbads Jakob in Konstanz gewonnen. Doch jahrelang fehlte der Stadt das Geld für den Bau; erst 2007 konnte das neue Bad eröffnet werden.
Klare Trennung, gute Orientierung
Vor dem Eingang nimmt man zuerst nur einen Bruchteil der kompletten Anlage wahr. Der Glaskörper, der das Foyer beherbergt, liegt zwar auf der uferabgewandten Seite, gibt aber den Blick frei auf den See. Ein für Bäder eher unübliches Konzept ermöglichte diesen Durchblick: Alle Bereiche der Thermenanlage sind mehrgeschossig. Von der Eingangshalle führt der Weg über eine Wendeltreppe mit rotem Geländer hinab zu den Umkleidekabinen, die in den Hang eingegraben sind und über ein langes Oberlicht beleuchtet werden.
Man taucht in das Gebäude ein, so wie man später auch ins Wasser eintauchen wird. Eine Etage unterhalb der Eingangsebene erstreckt sich die Thermenlandschaft mit Innen- und Kinderbecken sowie einem kleinen Café. Der Saunatrakt schiebt sich von der einen Seite in den Glaskörper des Thermalbereichs hinein. Mit seiner Verkleidung aus Zedernholz entspricht er dem klassisch-finnischen Bild; in der unteren Etage beherbergt er Lagerräume und ein separates Restaurant.
Allerdings zieht sich die Rettungstreppe über einen Großteil der Fassade, teilt diese in zwei Hälften und wirkt so optisch viel zu wichtig. Gut getan hätte hier eine filigrane Konstruktion, die sich gegenüber der edel wirkenden Kombination aus Holz und Glas zurücknimmt. An der anderen Seite der Eingangszone bricht der Riegel mit Verwaltung, Gymnastikraum, Solarium im Erdgeschoss und Umkleiden im Untergeschoss durch die Glasfassade des Foyers.
Er wurde in hellem Sichtbeton ausgeführt. Die zur Straße gerichtete Fassade des Riegels und die zum Foyer ausgerichtete Wand sind ebenfalls mit Zedernholz verkleidet. Um das Thema der verschiedenen Baukörper noch konsequenter auszuführen, hätte auch diesen beiden Wänden eine Fassade aus Sichtbeton gut getan. Wie aus einem Guss sind dagegen die Sitzgelegenheiten im Badebereich, die sich direkt aus der Wand heraus entwickeln, zu einer Einheit mit dieser werden und nicht als eingestellte Möbelstücke wirken. Schon allein durch die Aufteilung in drei verschiedene Zonen – Eingangs- und Thermalbereich, Saunariegel sowie Umkleide- und Verwaltungstrakt – ist das Gebäude sehr übersichtlich. Aber auch hier geht es nur mit Wegeleitsystem. Auf den Glastüren und -brüstungen sind mit großen, grauen Buchstaben die Räume dahinter gekennzeichnet.
Farbenfrohes Ambiente
Die Gestaltung des Innenraums von öffentlichen Schwimmbädern ist immer ein besonders heikles Thema. Einerseits scheiden Materialien wie Holz und Naturstein aus hygienischen Gründen aus, andererseits soll aber auch keine allzu kühle Atmosphäre entstehen. 4a Architekten haben die Farben so gewählt, dass sie einerseits das körperliche Wohlbefinden der Badegäste unterstützen und andererseits die verschiedenen Temperaturniveaus des Wassers verdeutlichen. Im Kaltwasserbereich des Saunariegels dominieren beispielsweise Grüntöne in Kombination mit Weiß.
In die Fliesen des dortigen Thermalbeckens wurden rote Steinchen eingestreut, um wie selbstverständlich das warme Wasser anzudeuten. Die Glaswände der Umkleiden von Thermal- und Freibad wechseln von Dunkelrot über Orange und Gelb in Grün, und just am Übergang von Gelb zu Grün werden die zum Thermalbad gehörenden Kabinen von denen des Freibades getrennt.Die Bodenbeläge setzen das Spiel mit den Farben fort. Um die Antritte der Treppen für Sehbehinderte eindeutig zu markieren, arbeiteten die Architekten hier ebenfalls mit farbigen Mosaikfliesen.
Den Aufgang zu den Saunen kennzeichnet eine Fläche aus Rot- und Orangetönen, die man unwillkürlich mit der Wärme verbindet, die einen dort erwartet. Den Eingang zum Thermalaußenbecken säumen grüne Fliesen, aufs Solarium weist ein blauer Bodenbelag in Kombination mit einem grünen Geländer hin.
Schiffe als Leitthema
Bei der Farbgestaltung der inneren Deckenverkleidung bedienten sich die Architekten wieder eines Themas, das mit dem Leitbild der Therme korrespondiert – Schiffen und Bodensee. In Anlehnung an bunte Spinnakersegel wurden drei- oder viereckige Farbflächen auf das Holz übertragen. Sie lassen die große, ebene Fläche kleiner erscheinen. Sogar die Lamellen der Oberlichter bekamen den entsprechenden Farbanstrich. Von außen durch die Glasfassade nach innen blickend, ergeben sich vielfältige Spiegelungen und ganz eigene geometrische Formen. In sich wirkt das Farbkonzept sehr schlüssig, bei weniger verschiedenen Tönen hätten allerdings die einzelnen Farbflächen besser zur Geltung kommen können.
Im Saunariegel stößt man erneut auf das Thema des Ab- und wieder Auftauchens, auf den Kontrast zwischen hell und dunkel, Öffentlichkeit und Geborgenheit. Der Ruheraum im Dachgeschoss ist klein und relativ dunkel, für eine behagliche Atmosphäre sorgen musikalische Klänge. Er kontrastiert mit dem großen Ruhebereich der Ebene darunter, der sich über die vordere Schmalseite mit einer raumhohen Verglasung zum See öffnet. Davor liegt aber noch ein von der Stadt geforderter Uferfußweg, so dass die Passanten Einblick in den vorderen Bereich des Raumes haben.
Völlig ungestört ist man dagegen oben auf dem Panoramadeck des Saunatraktes, das mit einem herrlichen Blick auf den See, die Segelboote und bei schönem Wetter die Schweizer Alpen aufwartet.
Der Bauherr, die Bädergesellschaft Konstanz, arbeitet gerne mit Künstlern zusammen, um den Bauwerken eine spezielle Note zu verleihen. Willi Sieber entwarf für die Bodenseetherme eine Kombination aus Schriftzügen und Grafik, die an das Wegeleitsystem im Innern der Therme anknüpft. Auf den ersten Blick mag diese Kunst auf der 78 Meter langen Glasfassade wie eine überflüssige Spielerei wirken. Doch gäbe es sie nicht, würden stattdessen schwarze Vögel auf den Scheiben kleben, mit denen Wildvögel vor einem Zusammenstoß mit dem Glas geschützt werden sollen.
Restaurant ohne Chlor-Odeur
Ein Kunstgriff gelang den Architekten beim obligatorischen Restaurant. Die Betreiber von Badeanstalten sehen es in der Regel gerne, wenn die Gaststätte im Eingangsbereich ihren Platz findet, regt sie doch wartende Besucher zum Konsum an. Die Kehrseite der Medaille sind Chlorgeruch im Restaurant und Essensdüfte im Eingangsbereich. Durch die Lage der Therme direkt am See ließ sich die Bädergesellschaft Konstanz davon überzeugen, dass ein Restaurant auf der Uferseite mit Terrasse und direktem Seeblick mehr Rendite abwerfen würde, als eines, bei dem die Gäste die frische Windbrise nur erahnen können und allenfalls durch eine Glasscheibe auf den See blicken. Dieses Konzept ermöglicht darüber hinaus, dass das Restaurant unabhängig vom Badebetrieb genutzt werden kann.
Neben dem Neubau der Therme umfasste der Auftrag auch die Umgestaltung des Freibades, das separat genutzt werden kann. Die einheitliche architektonische Sprache der Umkleiden und Sitzgelegenheiten, die Verwendung von Sichtbeton und ein Durchgang zwischen Thermal- und Freibad sorgen dafür, dass die Anlage nicht in zwei Teile zerfällt. Dennoch hatte offensichtlich die Therme Priorität, so dass beim Freibad an mancher Stelle gespart wurde. Das Bademeisterhäuschen mit integriertem Kiosk schließt direkt an eine Wand aus glattem Sichtbeton an, die Attika wurde jedoch mit einem billig wirkenden, strukturierten Beton ausgeführt.
Die Planung des zur Therme gehörenden Parkhauses sollten ursprünglich ebenfalls 4a Architekten übernehmen. Aus Kostengründen wurde diese Aufgabe jedoch einem Investor übertragen, und die Architekten konnten nur wenige Gestaltungsrichtlinien vorgeben. Die Einzelvergabe erweist sich im Nachhinein als Fehler: Während die Therme mit den verwendeten Materialien Sichtbeton, Zedernholz und Glas edel und einladend wirkt, kommt das Parkhaus billig und banal daher – ein 08/15-Projekt, das das schöne Gesamtbild trübt.
Dipl.-Ing. Simone Hübener ist freie Architekturjournalistin in Stuttgart.