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Ohne Hindernisse

Der Bedarf an barrierefreien Bauten wird immer größer. An der FH Frankfurt am Main können Architekten diese Zukunft studieren.

01.02.20084 Min. Kommentar schreiben
Überall hinkommen: Entwicklung eines Stadtteilzentrums mit barrierefreiem Erschließungsnetz in Istanbuls Stadtteil Levent, aus der Masterarbeit von Aylin Brigitte Yildirim.

Nils Hille

Im Rollstuhl durch Frankfurt. Einen ganzen Tag lang. Nicht mal eben die Treppe zur U-Bahn herunterlaufen oder schnell in ein Geschäft springen, sondern immer einen Fahrstuhl oder eine Rampe suchen. Mit diesem Selbstversuch beginnt das Masterstudium Barrierefreie Systeme, kurz BaSys, an der FH Frankfurt am Main für die Studenten. Die gewünschte Wirkung wird dabei immer erzielt, so der Studiengangsleiter Professor Guido Jax: „Die Studenten sind erstaunt über die ganz anderen menschlichen Begegnungen, die sie erfahren. Und darüber, wie man wo hinkommt – oder halt auch nicht.“

Der Inhalt des vier Semester umfassenden Studiums konzentriert sich aber nicht nur auf den Blickwinkel eines Rollstuhlfahrers. Jegliche Behinderungen sollen betrachtet werden, so Jax: „Viel öfter sind die Augen mit ihrer abnehmenden Sehkraft ein Problem, was zum Beispiel die Sturzgefahr enorm erhöht.“ Hier angesetzt entwickeln die angehenden Architekten neue Lösungen für das Leben zu Hause, aber auch für soziale und öffentliche Einrichtungen. Denn der Bedarf ist nicht nur bei Privatleuten vorhanden, die ihre Wohnungen umrüsten müssen. Wohnbauunternehmen und öffentliche Träger suchen ebenfalls verstärkt nach Lösungen. Jax: „Man sollte das Potenzial nicht unterschätzen. Momentan findet eine echte Landflucht älterer Menschen aus Dörfern in die Städte mit ihrer besseren ­Infrastruktur statt. Hier werden dann auch passende Wohnungen benötigt.“

Fächerübergreifend

Zur Entwicklung von Lösungen sind neben Architekten auch Informatiker sowie Pflege- und Sozialexperten gefordert. Daher können Absolventen aller drei Fächer am Masterstudium teilnehmen. Die Grundlagen lernen sie in ihren jeweiligen Disziplinen, zu Projektphasen kommen sie interdisziplinär zusammen. Gemeinsam werden dann Lösungsmodelle zu konkreten Fallstudien erarbeitet, die zukunftsweisende barrierefreie Systeme aufzeigen. Architekten müssen dabei ihre Ansprüche mit denen der Pflegeexperten und mit den Möglichkeiten der Informatiker kombinieren. Jax: „Die Studenten sollen die Gebäudelehre auf den Kopf stellen. Nicht mehr der Raum ist die Konstante, sondern der Mensch im Raum.“

Zukunftsweisend: Der Bedarf an barrierefreien Bauten wird immer größer

Der Professor sieht in dem Wechsel des Blickwinkels auch eine Chance, das Bild der Architekten nach außen verändern zu können: „Viele meinen, unser Berufsstand neigt zur Esoterik. Sie wissen nicht, was wir leisten können, wenn wir uns stark am Menschen und seinen Bedürfnissen orientieren.“ Um dies nach dem Studium auch wirklich zu beherrschen, werden beispielsweise die Kriterien der Weltgesundheitsorganisation für Gebäudebereiche wie Ein- und Ausgänge nicht nur theoretisch besprochen, sondern auch praktisch angewendet.

So planten BaSys-Studenten den neuen, barrierefreien Eingangsbereich einer Frankfurter Kirche. Ab dem kommenden Sommersemester können solche Fälle in der FH vorher durchgespielt werden. Ein neu errichtetes Raumlabor macht dies möglich. Hier können zahlreiche ­Situationen simuliert werden, so Jax: „Eine Versuchs­anordnung könnte beispielsweise testen, auf welche Weisen unterschiedlich eingeschränkte Menschen eine Tür öffnen – und durch welche Veränderungen es leichter für sie wäre.“ Der Professor lädt auch Vertreter von Blindenverbänden ein, die den Studenten von ihrer Raumwahrnehmung berichten.

Nicht für jeden

Um BaSys studieren zu können, ist ein erster Hochschulabschluss mit der Mindestnote von 2,3 erforderlich. In einem Auswahlgespräch werden die individuellen Motivationshintergründe erfragt. Momentan kommt die Hälfte der Teilnehmer erst nach längerer Berufserfahrung zu dem Masterstudiengang, die anderen direkt nach dem Diplom. Zum kommenden Sommersemester werden die ersten Bewerbungen von Bachelor-Absolventen erwartet. Zwar bringen die Teilnehmer sehr unterschiedliche Voraussetzungen mit, doch das Thema ist für alle gleichermaßen neu, was eine gemeinsame Lernbasis bringt.

Seit drei Jahren gibt es BaSys – einmalig in Deutschland, und nach Recherchen der Hochschule sogar weltweit einzigartig. Dies ist sehr verwunderlich, wenn man die ­Prognosen der sich stark verändernden Altersstruktur in Deutschland betrachtet. Für die Architekten ist es aber ­eine besondere Chance, sich zu spezialisieren. Jax: „Es ­eröffnet eine neue Nische.“

Interdisziplinärer Masterstudiengang Barrierefreie Systeme (BaSys)

Abschluss: Master of Science
Ort: FH Frankfurt am Main
Dauer: vier Semester
Voraussetzungen: studienfachspezifisch abgeschlossenes, mindestens 6-semestriges Studium mit Abschlussnote 2,3 (gut)
Start: 1. März
Bewerbungsfrist: 15. Februar
Internet: www.fh-basys.de

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