Simon Böhm
„Nun sag, wie hast du’s mit der Energie?“ So lautet in Anlehnung an Goethes „Faust“ die Gretchenfrage des derzeitigen Baugeschehens. Dass Forderungen nach energetisch hocheffizienten Gebäuden nicht zu einer baulichen Tragödie führen müssen, zeigt der Architekt Jens J. Ternes mit seinem eigenen Bürogebäude in Moselweiß, einem Vorort von Koblenz.Am Rand des zentralen Kirmesplatzes errichtete der ortsansässige Planer bis Oktober 2006 einen weitgehend energieautonomen Neubau. Seither bildet der kompakt wirkende Kubus freistehend den städtebaulichen Auftakt der ringförmigen Platzbebauung. Erd- und Obergeschoss sind massiv in Stahlbeton ausgeführt, darüber befindet sich eine weitere Etage in Form einer Skelettkonstruktion aus Stahl und Glas. Sie steht ebenso in deutlichem Kontrast zur dörflichen Struktur und Bauweise der Umgebung wie das Flachdach und die markanten, lang gezogenen Fensterbänder.
Wichtiger Bestandteil des Entwurfskonzepts ist die veränderbare Grundriss-Struktur. Tragende Wände sind auf das statisch erforderliche Minimum reduziert; nicht tragende, leichte Trennwände können an nahezu jede beliebige Stelle verschoben oder gänzlich entnommen werden. Mit geringem Aufwand ist es möglich, das gesamte Gebäude oder einzelne Etagen als Büro oder Wohnung zu nutzen. Technische Installationen sind daher vorsorglich frei sichtbar oder im Bodenaufbau verlegt; Nasszellen befinden sich in allen Etagen übereinander und wurden in die tragende Innenwand des Treppenkerns integriert.
Für maximale Energieeffizienz sind die äußeren Stahlbetonwände mit einer hochwirksamen Thermohaut aus einer zwölf Zentimeter dicken PS-Hartschaumschicht versehen, gefolgt von einem Zentimeter mineralischem Außenputz. Das aufgesetzte Dachgeschoss wird von einer Aluminium-Glas-Fassade mit stark isolierender Wärmeschutzverglasung umschlossen; zusätzlich enthält der Flachdachaufbau eine 35 Zentimeter dicke Dämmschicht. Um die sommerliche Kühllast deutlich zu reduzieren, sind ferner in der obersten Etage außen liegende, teilweise bewegliche Lamellen montiert.
Dank seiner vorteilhaften konstruktiven Beschaffenheit erreicht das Bürogebäude Energieeffizienzklasse A und gilt als Passivhaus. Ermöglicht wurde dies auch durch den zusätzlichen Einsatz innovativer Haustechnikkomponenten. Wissenschaftlichen Beistand erhielt der Architekt dabei vom Fraunhofer-Institut in Duisburg.
Das Bauwerk verfügt über eine kontrollierte Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, die durch einen Erdwärmetauscher unterstützt wird, sowie über eine Luft-/Wasser-Wärmepumpe, die die Fußbodenheizung betreibt und Brauchwasser wärmt.
Der notwendige Energiebedarf für die Wärmeerzeugung liegt insgesamt bei weniger als vierzig Kilowattstunden pro Quadratmeter im Jahr – etwa ein Viertel des bundesweiten Durchschnitts. Auch beim Strom ist Jens J. Ternes fast autonom: „Auf dem Dach und in der Fassade ist eine Fotovoltaikanlage integriert. Sie liefert uns durchschnittlich fünf Kilowattstunden pro Tag – das sind achtzig Prozent des Stroms, den wir im Büroalltag verbrauchen.“
Dem Leitgedanken der Nachhaltigkeit entsprechen Entwurfsansatz und Raumaufteilung ebenso wie Tragwerk, Fassade, Haustechnik und Innenausstattung. Jens J. Ternes braucht also gewiss keine Energietragödie zu fürchten.
Dipl.-Ing. Simon Böhm ist Fachjournalist und Fotograf in Stuttgart.
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