Axel Plankemann
Mit einer spektakulären Entscheidung hat die Vergabekammer Nordbayern Architekten als Bewerber um einen öffentlichen Auftrag in Unruhe versetzt. Erste Erläuterungen des Beschlusses vom 9. August 2007 (21.VK-3194-32-07) legen die Annahme nahe, zukünftig könne kein Architekt mehr einen öffentlichen Auftrag erhalten, der bereits zuvor einmal in der Nähe des fraglichen Baugrundstückes planerisch tätig war.In dem zu entscheidenden Fall geht es um die europaweite Ausschreibung von Planungsleistungen, wobei die Ausloberin auch eine Schätzung der Nettobaukosten des zu errichtenden Gebäudes verlangt. Den Auftragsbewerbern gibt sie aber nur dürftige und teilweise falsche Informationen über die Baumaßnahme und das zur Verfügung stehende Grundstück.
Nach durchgeführtem Verhandlungsverfahren soll den Auftrag ein Bewerber erhalten, der bereits zuvor in direkter Nähe zum Plangebiet eine andere Baumaßnahme betreut hat. Allerdings war in diesem Fall nicht der Auslober Auftraggeber. Ein Mitbewerber ruft die Vergabekammer an und rügt insbesondere, dass aufgrund der Vorkenntnisse des erfolgreichen Bewerbers auswärtige Bewerber geringere Chancen gehabt hätten.
Die Vergabekammer Nordbayern stellt fest, dass der unterlegene Bewerber durch das Vergabeverfahren in seinen Rechten verletzt wurde, weil die Vergabestelle, neben weiteren Rechtsverstößen, auch den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht beachtet habe. Hat ein Bieter oder Bewerber vor Einleitung des Vergabeverfahrens den Auftraggeber beraten oder unterstützt, so muss nach § 4 Abs. 5 Vergabeverordnung (VgV) der Auftraggeber bei der Vergabe von Dienstleistungsaufträgen sicherstellen, dass der Wettbewerb durch die Teilnahme des Bieters oder Bewerbers nicht verfälscht wird.
Nach Auffassung der Vergabekammer hatte der erfolgreiche Mitbewerber „wettbewerbsverfälschende Vorkenntnisse“, weil er im Vorfeld des Vergabeverfahrens auf dem Planungsareal schon Architektenleistungen erbracht hatte. Dabei sei es unerheblich, ob die jetzt vergebende Stelle Auftraggeberin auch der früheren Planung gewesen sei. Jedenfalls habe dieser Bewerber durch seine Vortätigkeit konkrete Einblicke in das Gelände – über eine übliche Ortskenntnis hinaus – gewinnen können. Auch sei es nicht entscheidend, ob der Vergabestelle selbst der Sachverhalt bei der Auslobung bekannt gewesen sei.
Nicht zu verallgemeinern
Die Vergabekammer weist anschließend darauf hin, dass in der Auslobung maßgebliche Informationen zu den Randbedingungen des Projektes in der Auslobung fehlten oder fehlerhaft dargestellt wurden, was in diesem Fall besonders entscheidend war, weil die Bewerbung innerhalb von nur neun Werktagen erfolgen sollte. Die Vorkenntnisse des Bewerbers betrafen insbesondere die Grundlagen für eine Vorausschätzung der zu erwartenden Baukosten und den voraussichtlichen Zeitbedarf für die Bearbeitung der Baumaßnahme.
Die Aussagen der Vergabekammer sind zumindest nicht verallgemeinerungsfähig. Jedenfalls tragen sie nicht die generelle Feststellung, dass jegliche planerische Vortätigkeit auf einem zu bebauenden Grundstück oder in dessen Nähe zwangsläufig zum Ausschluss eines Bewerbers führen muss.
Die Entscheidung in diesem Punkt gründet sich nicht auf § 6 VOF, sondern auf § 4 Abs. 5 VgV. Die Begründung des Beschlusses geht aber bereits am Wortlaut dieser Vorschrift vorbei. Denn § 4 Abs. 5 VgV formuliert konkret die Voraussetzung, dass ein Bieter oder Bewerber vor Einleitung des Vergabeverfahrens den Auftraggeber beraten oder sonst unterstützt hat. Nach dem im Vergabekammerbeschluss wiedergegebenen Sachverhalt hatte der betreffende Bewerber „offensichtlich bereits in unmittelbarer Nähe eine andere Maßnahme“ gebaut. § 4 Abs. 5 VgV könnte aber nur dann überhaupt einschlägig sein, wenn der Auftraggeber für die früheren Baumaßnahmen und der aktuelle Auslober identisch wären. Dafür finden sich hier keine tatsächlichen Hinweise.
Offensichtlich will es die Vergabekammer darauf auch nicht ankommen lassen, weil sie in ihrem Beschluss ausführt, es sei unbeachtlich, ob der Auftraggeber im vorliegenden Vergabeverfahren das Büro mit diesen Planungsleistungen beauftragt hatte oder nicht. Darüber hinaus sei es auch ohne Bedeutung, ob dem Auftraggeber die vorherige Tätigkeit des Bewerbers auf oder nahe dem fraglichen Grundstück überhaupt auch nur bekannt gewesen sei.
Eine Rechtsgrundlage wäre im vorliegenden Fall demgemäß allenfalls im Gleichbehandlungsgrundsatz des § 97 Abs. 2 GWB zu finden. In der Tat wird die Entscheidung unter anderem damit begründet. Allerdings rekurriert die Vergabekammer ohne Weiteres dann auf § 4 Abs. 5 VgV und entwickelt daraus – ohne rechtlich zwingende Argumentation – den allgemeinen Grundsatz, dass eine Vergabestelle jegliche „wettbewerbsverfälschenden Vorkenntnisse“ von Bewerbern im Vergabeverfahren auszugleichen habe, und zwar offensichtlich auch solche, die der Vergabestelle selbst gar nicht bekannt sein müssen. Dieser Grundsatz lässt sich aus § 4 Abs. 5 VgV nicht ableiten.
Allerdings ist der verkürzten Sachverhaltsdarstellung zu entnehmen, dass die Vergabestelle in den Vergabeunterlagen wichtige Informationen nicht oder teilweise verfälscht an die Bewerber weitergegeben hatte. Diese – für sich vergabewidrige – Durchführung des Verhandlungsverfahrens konnte daher bereits vom Ansatz her nicht zu vergleichbaren Angeboten führen, was Bewerber mit detaillierten Ortskenntnissen zumindest mittelbar bevorteilte. Darin ließe sich ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz sehen. Jedoch handelt es sich nicht im eigentlichen Sinne um das vergaberechtliche Thema der Vorbefasstheit von Bewerbern, weshalb die einschlägigen Veröffentlichungen insofern missverständlich sind.
Axel Plankemann ist Rechtsanwalt in Hannover.
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