Fred Wagner
Wissen ist Macht. Wer zu wenig weiß, darf sich nicht wundern, wenn er später zur Kasse gebeten wird. Diese traurige Erfahrung machen in letzter Zeit immer mehr Architekten, die im Bestand tätig werden und Probleme mit ihrem Honorar bekommen. Entweder kommen sie mit der Höhe der Zahlungen ihres Auftraggebers nicht zurecht oder sie stehen plötzlich Honorarminderungen gegenüber. In den meisten Fällen lassen sich solche Situationen darauf zurückführen, dass Architekten Honorarangebote oder -rechnungen erstellen, die deutlich hinter den Mindestsatzvorschriften der HOAI zurückbleiben, die mit dem Bauen im Bestand im Zusammenhang stehen. Auf der anderen Seite meinen Auftraggeber häufig, die Architektenrechnung sei überhöht und müsse nicht in voller Höhe bezahlt werden. In beiden Fällen liegt der Grund im unzureichenden Wissen über die einschlägigen Vorschriften der HOAI.
Rechtsanwalt Ralf Averhaus, Spezialist für Bau- und Architektenrecht der Berliner Kanzlei Leinemann und Partner: „Die HOAI ist ,überspitzt formuliert, eine Neubauverordnung. Sie entstand zu einer Zeit, als Bauen im Bestand noch kein Thema war.“ Das zeigt §10 Absatz 3a: Eine der wichtigsten Vorschriften für das Bauen im Bestand wurde erst nachträglich in die HOAI integriert.
Um Streitigkeiten mit Bauherren zu vermeiden und auskömmliche Honorare zu kalkulieren, sollte jeder Architekt die wichtigsten Vorschriften und versteckten Fallstricke der HOAI für das Bauen im Bestand kennen. Die meisten Fallen lauern in folgenden drei Bereichen: bei der Formulierung des Vertrages, der Berechnung des Honorars und bei der Haftung.
Fallstricke bei der Vertragsgestaltung
Hier sollte der Architekt insbesondere auf die ausführliche Beschreibung der Leistung und die richtige Fixierung des Leistungsgegenstandes achten. Bei der Bestimmung des Leistungsinhaltes wird häufig nur vereinbart, dass Leistungen gemäß §15 der HOAI in den Leistungsphasen 1 bis 8 erbracht werden. So eine pauschale Aussage kann bei einem Rechtsstreit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gravierende Folgen haben. Beim Bauen im Bestand sind im Vergleich zum Neubau oft nicht alle Grundleistungen erforderlich, diese gelten aber laut Vertragsrecht als vereinbart. Die Folge: Ein Bauherr könnte das vereinbarte Honorar vermindern, weil einzelne Grundleistungen nicht erbracht werden. So kann der Bauherr auf die vereinbarte Leistungsphase 2 der HOAI verweisen und vom Architekten das Zusammenstellen der Vorplanungsergebnisse fordern – obwohl das im konkreten Fall gar nicht nötig ist. Per Gesetz ist diese Minderung der vereinbarten Leistung ein Mangelanspruch und kann einen Nachbesserungsanspruch mit Fristsetzung zur Folge haben. Läuft diese Frist erfolglos ab, kann der Bauherr das Honorar mindern.
Abhilfe schafft nur ein ausführliches Gespräch mit dem Auftraggeber vor Vertragsschluss. Dabei sollte man sehr konkret herausfinden, welche Leistungen tatsächlich benötigt werden, und nur die sollten auch im Vertrag vereinbart werden. So könnte zum Beispiel als Objekt der Um- und Erweiterungsbau einer Schule vereinbart werden. Als Leistungsgegenstand sollte dann die Grundlagenermittlung, bestehend aus den konkret benannten Grundleistungen plus den besonderen Zusatzleistungen, vereinbart werden – zum Beispiel die Bestandsaufnahme. Averhaus: „Die Vertragsformulierungen nicht blind an die HOAI, die nur Preisrecht ist, anlehnen, sondern konkret nur die Leistungen vereinbaren, die benötigt werden.“
Häufig wird bei der Festlegung des Leistungsgegenstandes pauschal eine „Sanierung“ vereinbart. Kommt es zu einem Streit, muss das Gericht herausfinden, was mit „Sanierung“ gemeint war, denn dahinter können verschiedene Leistungen stecken. Eine Sanierung kann ein Umbau sein, eine Modernisierung oder einfach nur eine Instandsetzung. Averhaus: „Solche Unschärfen sollte der Architekt von vornherein vermeiden und den Leistungsgegenstand ganz klar nach den Begriffen der HOAI definieren.“
Honorarpotenziale nutzen
Um richtig abzurechnen und Honorarpotenziale auszuschöpfen, gibt es beim Bauen im Bestand gegenüber Neubauten einige Besonderheiten. Hier die wichtigsten vier Honorarpotenziale, die im Unterschied zu Neubau-Vereinbarungen genutzt werden können:
1. Besondere Leistungen
2. Anrechenbare Kosten nach HOAI §10 Absatz 3a. Beim Bauen im Bestand kann der Architekt zunächst die vorhandene Bausubstanz und das, was er in seiner Planung mitverarbeitet, berücksichtigen. Darüber hinaus kann er auch einen Umbau- beziehungsweise einen Modernisierungszuschlag nach § 24 der HOAI geltend machen. Argumentation gegenüber dem Auftraggeber: Die Berücksichtigung der vorhandenen Bausubstanz dient als Ausgleich für die Ersparnisse des Bauherrn. Dagegen dient der Umbauzuschlag zum Ausgleich der Planungsschwierigkeiten beim Bauen im Bestand.
3. Festlegung der Honorarzone. Maßgeblich ist die Schwierigkeit der Umbauplanung, weniger das Objekt selbst.
4. Festlegung der Trennungstatbestände. Hiermit sind die Situationen gemeint, in denen der Architekt Honorare getrennt abrechnen kann, zum Beispiel für getrennte Gebäude oder verschiedene Leistungen an einem Gebäude. Getrennte Honorarabrechnungen sind für Architekten immer deshalb interessant, weil durch die Gebührendegression der HOAI das Honorar höher ausfällt.
Typisch für mögliche Honorarminderungen ist die Bestandsaufnahme beim Bauen im Bestand. Diese ist als besondere Leistung der Grundlagenermittlung in der Regel immer erforderlich.
Das bedeutet aber auch, dass § 5 Absatz 4 der HOAI zutrifft. Dieser besagt, dass ein Honorar nur dann gezahlt wird, wenn darüber eine schriftliche Honorarvereinbarung getroffen wurde. Wenn also der Architekt eine Bestandsaufnahme auf Zuruf des Auftraggebers erbringt, kann es passieren, dass er kein Honorar dafür bekommt. Rechtsanwalt Averhaus: „Beim Bauen im Bestand ist die Vertragsgestaltung das A und O, weil es vermehrt zu besonderen Leistungen kommt. Das Honorar hierfür ist schriftlich zu vereinbaren.“
Haftung begrenzen
Um jegliche Haftungsfragen von vornherein eindeutig zu bestimmen, ist beim Bauen im Bestand die Bestandsaufnahme von überragender Bedeutung. Wer diese gar nicht oder nur unzureichend vornimmt, kann mit gravierenden Schadensersatzforderungen rechnen, wie ein Beispiel aus der Rechtsprechung zeigt: Ein Architekt erhält den Auftrag, ein Stallgebäude in ein Wohngebäude umzubauen. Im Rahmen der Bestandsaufnahme versäumt er es zu prüfen, ob das Mauerwerk gegen aufsteigende Feuchtigkeit abgesperrt ist. Nach ein paar Jahren steigt tatsächlich Feuchtigkeit auf, was zu erheblichen Umbaumaßnahmen und Kosten führt. Ergebnis: Das zuständige Oberlandesgericht verurteilt den Architekten zu Schadensersatz mit der Begründung, dieser hätte das Stallgebäude genau prüfen müssen und dem Bauherrn zum Beispiel eine Bauteilöffnung vorschlagen müssen.
Für die Bestandsaufnahme ist es deshalb sehr wichtig zu prüfen, was an Bauunterlagen vorhanden ist und worauf man aufbauen kann. Wenn Zweifel bestehen, ob die vorhandenen Unterlagen ausreichen und tauglich sind, sollte man dem Auftraggeber klarmachen, dass die Bestandsaufnahme als absolute Basis der gesamten Planung sorgfältig durchzuführen ist. „Im Zweifel“, so Averhaus „ist dem Bauherr die Einschaltung von Experten, zum Beispiel für die Beseitigung von Kontaminationen, vorzuschlagen.“
Kostenverursachende Maßnahmen im Bestand
Die Kostensicherheit bei Projekten im Bestand ist in der Regel nicht so einfach zu erreichen wie bei Neubauten und erfordert daher erhöhte Aufmerksamkeit des planenden Architekten.
Von Beginn des Projektes an müssen die durchzuführenden und mit Kosten hinterlegten Arbeiten aufgestellt und im Verlauf präzisiert und fortgeschrieben werden.
Im Vergleich zum klassischen Neubau können beim Bauen im Bestand folgende Bereiche Kosten verursachen:
- Abbruch und Rückbau
- Umbau und Anbau
- Anpassungen an den Stand der Technik oder an aktuelle Vorschriften
- Dekontamination und Entsorgung
- Bauteil- und Oberflächensanierung
- Optische Aufwertungen
Auch lassen sich im Neubau bewährte Standards der Kostenermittlung nur teilweise im Altbau anwenden – jedes Projekt stellt neue Herausforderungen und beansprucht individuelle Herangehensweisen. Gerade die Risiken im Bestand müssen vorab eingegrenzt und bei Auftreten im Prozess immer wieder abgepuffert werden, um Kostenvorgaben des Bauherrn einhalten zu können.
Treten jedoch keine außerplanmäßigen Probleme und damit verbundene Kosten auf, sind Investitionen im Bestand für Auftraggeber oft lukrativ, da die Höhe der Investition im Verhältnis zu Neubauten gleicher Größe oft weitaus geringer ist.
Zwar ergeben sich zusätzliche Kosten durch den Rückbau und gegebenenfalls erschwerte Bedingungen im Bestand, die in der Regel dominanten Rohbaukosten entfallen jedoch größtenteils. Daher bilden Projekte im Bestand ein spannendes Aufgabenfeld für Architekten und werden in Zukunft gegenüber dem Neubau weiter an Potenzial gewinnen.
Quelle: Bert Bielefeld
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