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Keine falsche Bescheidenheit

Bei fehlender Kenntnis der Baukosten ist der Architekt berechtigt, notfalls eine Honorarschlussrechnung auf der Grundlage von Schätzungen aufzustellen.

01.10.20079 Min. Kommentar schreiben
„Kenne Deine Rechte und mache von Ihnen Gebrauch“.

Dieser Beitrag beschäftigt sich getreu dem Motto „Kenne deine Rechte und mach von ihnen Gebrauch“ mit der praxisrelevanten Problematik des Verlustes oder des Vorenthaltens für die Abrechnung wichtiger Unterlagen. Die Ursachen für fehlende Unterlagen können ­vielfältig sein. Aber was dann? Welche Rechte hat ein Architekt zur Ermittlung der tat­sächlichen Zahlen einer Kostenfeststellung, um eine prüffähige Honorarschlussrechnung aufstellen zu können?

Im Folgenden sollen zwei Konstellationen untersucht werden, in denen Architekten oder Ingenieure die für eine Kostenfeststellung erforderlichen tatsächlichen Baukosten nicht kennen. Konstellation A ist die vorzeitige Vertragsbeendigung infolge einer Kündigung durch den Auftraggeber. Bei Konstellation B wurden nach ordnungsgemäßer Vertragsdurchführung und vor Stellung der Schlussrechnung die zur Kostenfeststellung erforderlichen Unterlagen beispielsweise durch einen der Risikosphäre des Architekten zuzuordnenden Wasserschaden beziehungsweise Brand irreparabel zerstört oder durch Diebstahl entwendet.

Fall A: Vorzeitige Vertragsbeendigung durch den Auftraggeber

Einer der wichtigsten Inhalte einer Honorarschlussrechnung und damit eine der Voraussetzungen für deren Prüfbarkeit sind die anrechenbaren Kosten. Der Kostenermittlung (Ober-begriff für die Begriffe Kostenschätzung, Kostenberechnung, Kostenvoranschlag und Kostenfeststellung) ist auch bei vorzeitiger Vertragsbeendigung die Gesamtsumme der anrechenbaren Kosten zugrunde zu legen. Die Honorarforderung des Architekten wird erst dann fällig, wenn er eine prüfbare Schlussrechnung über sein Honorar für die bereits erbrachten und die nicht erbrachten Leistungen erteilt hat.

Welche Rechte hat aber ein Architekt, der aufgrund der vorzeitigen Vertragsbeendigugen nicht sämtliche anrechenbaren Kosten kennt?

1. Anspruch auf Auskunft

Der Architekt hat einerseits – hergeleitet aus § 242 BGB in Verbindung mit dem gekündigten Architektenvertrag – einen Anspruch auf Auskunft gegen den Bauherrn. Bestehen Zweifel an der Richtigkeit der Angaben, so kann im äußersten Notfall sogar die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verlangt werden. Dieser Auskunftsanspruch besteht auch, wenn der Architekt bei Kündigung von einer (unwirksamen) Pauschalhonorarvereinbarung abweichen und die Mindestsätze nach der HOAI abrechnen will. Der Anspruch kann klageweise geltend gemacht werden.

Soweit dem Bauherrn für Bauwerksleistungen keine Rechnungen vorliegen, insbesondere für in Eigenarbeit erbrachte Leistungen, kann von ihm nicht verlangt werden, dass er anstelle einer Rechnungsvorlage die ortsüblichen Preise ermittelt und dem Architekten mitteilt. In diesem Fall beschränkt sich die Auskunftspflicht auf die detaillierte Darstellung der Arbeiten nach Art und Umfang, sodass der Architekt in die Lage versetzt wird, die ortsüblichen Preise zu erfragen.

2. Anspruch auf Einsichtnahme in die Originalunterlagen

Daneben steht dem Architekten ein Anspruch auf Ein­sichtnahme in die Originalunterlagen zu. Dieser Anspruch wird aus einer entsprechenden Anwendung des § 810 BGB hergeleitet.

3. Anspruch auf Herausgabe der Originalbelege

Ferner wird von der Rechtsprechung ein Anspruch auf ­Herausgabe der Originalbelege anerkannt. Der Bauherr ist nach § 259 Abs. 1 BGB verpflichtet, dem Architekten für die Kostenfeststellung eine geordnete Zusammenstellung der Baukosten nebst Belegen für eine angemessene Zeit zu überlassen. Es reicht nicht aus, dem Architekten die Bau­abrechnung ungeordnet zu seinen Händen zur Einsicht zu überlassen.

Der Auftraggeber kann dem Architekten anstelle der Originale Kopien zur Verfügung stellen, solange der Architekt keine berechtigten Zweifel an der Übereinstimmung von Kopie und Original darlegen kann.

Die Kosten der Kopien hat der Bauherr zu tragen, da er die Kopien in seinem eigenen Interesse als Ersatz für die Vorlage der Rechnungsoriginale macht. Allerdings kann der Auftraggeber diesen Anspruch bei Vorliegen eines wichtigen Grundes in der Person des Architekten ablehnen (zum Beispiel Unzuverlässigkeit oder Ähnliches).

4. Schätzung der Kosten

Darüber hinaus kann der Architekt seine Kostenermittlung nach der Rechtsprechung auf der Grundlage von Schätzwerten beziehungsweise früheren Kostenermittlungen aufstellen.Voraussetzung ist jedoch, dass der Architekt zuvor Auskunft verlangt und darauf hingewiesen hat, dass die für die Kostenermittlung erforderlichen Zahlen nach Fristablauf geschätzt werden.

Das Problem einer auf Schätzungen beruhenden Honorarschlussrechnung ist ihre Prüffähigkeit. In früheren Entscheidungen zu den Anforderungen an die Prüffähigkeit hatte der BGH regelmäßig formuliert, die Abrechnung müsse einerseits den Auftraggeber in die Lage versetzen, die Berechtigung der Forderung auf der Grundlage der vertraglichen Vereinbarung zu überprüfen, andererseits sei die Prüffähigkeit einer Schlussrechnung aber „kein Selbstzweck“. Die Anforderungen an die Prüffähigkeit dienten „allein dem Schutz des Auftraggebers“. Sie ergäben sich aus den In­formations- und Kontrollinteressen des Auftraggebers. Diese bestimmten und begrenzten Umfang und Differen­zierung der für die Prüfbarkeit erforderlichen Angaben
der Schlussrechnung.

In den Kontext dieser Rechtsprechung ist auch das BGH-Urteil vom 27.10.1994 zur Prüffähigkeit einer auf Schätzungen beruhenden Honorarschlussrechnung einzuordnen. Nach Auffassung des BGH kann eine Honorarschlussrechnung, die auf Schätzungen beruhende Angaben enthält, ausnahmsweise für den Auftraggeber prüffähig sein, wenn der Architekt alle ihm zugänglichen Unterlagen sorgfältig ausgewertet hat und der Bauherr die fehlenden Angaben anhand seiner Unterlagen unschwer ergänzen kann. Kann nämlich der Architekt die in seiner Schlussrechnung genannten anrechenbaren Kosten insgesamt oder teilweise nur schät-zen, weil er die Grundlagen für ihre Ermittlung in zumutbarer Weise nicht selbst beschaffen kann, erteilt ihm der Auftraggeber vertragswidrig die erforderlichen Auskünfte nicht und stellt er ihm die in seinem Besitz befindlichen Unterlagen nicht zur Verfügung, so genügt der Architekt seiner Darlegungslast, wenn er die geschätzten Kosten vorträgt.

Dem Einwand des Bauherrn, die Kostenermittlung sei nicht formgerecht, steht der Rechtsgedanke des § 162 BGB entgegen, wonach niemand aus einem treuwidrigen Verhalten Vorteile ziehen darf. Danach hat der Auftraggeber seinerseits die Möglichkeit, die geschätzten anrechenbaren Kosten zu bestreiten, indem er unter Vorlage der Unterlagen die anrechenbaren Kosten konkret berechnet. Etwaige Unsicherheiten gehen dabei zulasten des Auftraggebers, der den Umstand, dass eine ordnungsgemäße Erstellung der Rechnung mangels Vorhandenseins der Bauunterlagen nicht mehr möglich ist, zu vertreten hat.

Nunmehr lehnt der BGH in einer kurskorrigierenden Entscheidung die Berücksichtigung subjektiver Kriterien zur Bestimmung der Prüffähigkeit einer Schlussrechnung ab. Eine prüffähige Rechnung, so das Gericht jetzt, müsse „diejenigen Angaben enthalten, die nach dem geschlossenen Vertrag und der HOAI objektiv unverzichtbar“ seien, um die sachliche und rechnerische Überprüfung des Honorars zu ermöglichen. Diese Anknüpfung an objektive Kriterien sei notwendig für die materiellrechtliche Einordnung der Prüffähigkeit als Fälligkeitsvoraussetzung. Anderenfalls könnten die Vertragsparteien nicht verlässlich beurteilen, welche Anforderungen an die Rechnung zu stellen sind.

Dennoch hält auch diese neuere Rechtsprechung des BGH zur Prüffähigkeit von Architektenschlussrechnungen, die nunmehr zur Frage der Prüfbarkeit ausschließlich auf objektive Kriterien abstellt, daran fest, dass sich ein Auftraggeber nicht auf die fehlende (nunmehr objektive) Prüffähigkeit berufen kann, wenn die Rechnung seinen Kontroll- und Informationsinteressen genügt. Nur die Prüffähigkeit stehe nicht zur Disposition des Auftraggebers, sondern ergebe sich aus der Erfüllung objektiver Kriterien. Im Klartext bedeutet dies, dass die oben wiedergegebenen Leitsätze des BGH-Urteils zur Prüffähigkeit einer auf Schätzungen beruhenden Honorarschlussrechnung trotz Änderung der BGH-Rechtsprechung zu den Kriterien der Prüfbarkeit einer Schlussrechnung nach wie vor aktuell sind.

Neu an der Entscheidung des BGH ist aber, dass der Auftraggeber gehalten ist, etwaige Prüfbarkeitsbedenken in­nerhalb einer Frist von zwei Monaten seit Zugang der Ho­norarschlussrechnung mitzuteilen. Versäumt er dies, ist er fortan mit dem Einwand der fehlenden Prüffähigkeit ausgeschlossen.


Fall B:  Verlust von Unterlagen nach ordnungsgemäßer Vertragserfüllung

Nun stellt sich die Frage, ob die obigen Ausführungen auch für die zweite Konstellation gelten, in der nach ordnungs­gemäßer Vertragsdurchführung und vor Stellung der Schluss-rechnung die zur Kostenfeststellung erforderlichen Unterlagen beispielsweise durch einen der Risikosphäre des Architekten zuzuordnenden Anlass (zum Beispiel Wasserschaden oder Brand) irreparabel zerstört werden. Im Unterschied zu Konstellation A fällt es hier in den Verantwortungsbereich des Architekten, dass er zur Aufstellung der Schlussrechnung notwendige anrechenbare Kosten nicht kennt.

Grundsätzlich obliegt es der Verantwortung des Architekten, die zur Erstellung der Schlussrechnung erforderlichen Unterlagen sorgfältig an einem sicheren Ort aufzubewahren und für den Fall eines Verlustes Sicherheitskopien anzufertigen. Obwohl der Verlust der Unterlagen unstreitig in die Risikosphäre des Architekten einzuordnen ist, wäre es aber grob unbillig, wenn dieser mangels prüffähiger Schlussrechnung ohne Honoraranspruch bliebe. Drohen könnte ihm eine Rückforderung sämtlicher, beziehungsweise aus der Sicht des Auftraggebers zu viel geleisteter Abschlagszahlungen.

Aus § 242 BGB ergibt sich in diesem Fall ebenfalls die Pflicht des Auftraggebers beziehungsweise derjenigen, die im Besitz der für die Kostenfeststellung notwendigen Informationen sind, dem Architekten diese Informationen zur Erstellung einer prüffähigen Schlussrechnung zur Verfügung zu stellen. Der Architekt hat daher jedenfalls auch in der Konstellation B einen Anspruch auf Auskunft, Einsichtnahme in die Originalunterlagen und auf die vorübergehende Herausgabe der Originalbelege.

Darf der Architekt aber auch in dieser Fallvariante seine Kostenermittlung auf der Grundlage von Schätzungen erstellen? Sofern der Architekt die Grundlagen für die Kostenermittlung in zumutbarer Weise nicht selbst beschaffen kann und ihm der Auftraggeber (obgleich es ihm möglich wäre) die erforderlichen Informationen nicht zur Verfügung stellt, genügt der Architekt auch in diesem Fall seiner Darlegungslast, wenn er die geschätzten Kosten vorträgt.

Etwaige Unsicherheiten im Rahmen der Kostenaufstellung gehen jedoch in dieser Konstellation zulasten des Architekten, weil der Auftraggeber den Umstand, dass eine ordnungsge-mäße Erstellung der Rechnung mangels Vorhandenseins der Bauunterlagen nicht mehr möglich ist, hier nicht zu vertreten hat.

Fazit

Dem Auftraggeber bringt das vorsätzliche Zurückhalten von abrechnungstauglichen Unterlagen keinen Vorteil. Vielmehr bewirkt es das Gegenteil, nämlich dass eine Schätzung der Zahlen zu seinen Lasten erfolgen kann. Der gut beratene Auftraggeber wirkt daher an der Abrechnung mit.

Der Architekt kann seine Rechte durch ein Bündel von oben beschriebenen rechtlichen Möglichkeiten durchsetzen. Im Regelfall ist dies für den Auftraggeber eher nachteilig. Unabhängig von Fallvariante A oder B – bei geschicktem Vorgehen ist selbst der Untergang der Belege über die Baukosten kein Untergang für die Honorarforderung.

RA Dr. Burkhard Remmers ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht in Papenburg, Dipl.-Jur. Henning Deeken ist zurzeit Student an der Victoria University of Wellington/Neuseeland.

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