Wettbewerbe sind ein Faszinosum: Architekten erbringen kreative Höchstleistungen, und bei der Beurteilung zählt diese Leistung allein – nicht ihr Name, ihr Alter oder ihre Bürogröße. Bauherren bekommen eine breite Palette an Alternativen für ein Spottgeld, gemessen am Wert der Ideen. Und die Gesellschaft gewinnt baukulturell, wenn qualifizierte Juroren aus einer Vielzahl von Entwürfen die gelungensten herausfiltern.
Wettbewerbe haben Charme für alle Beteiligten – aber gemessen daran sind sie in der Ausführung erstaunlich wenig beliebt. Potenzielle Auslober halten sie für kompliziert, aufwendig und sogar riskant. Teilnehmer stöhnen über bürokratische Zugangsregeln, über mal zu enge und mal zu diffuse Entwurfsvorgaben und über Entscheidungen, die nicht jeder nachvollziehen mag. In der breiteren Öffentlichkeit erscheinen Wettbewerbe gelegentlich als Blackbox, in der Experten nach schwer verständlichen Maßstäben Entwürfe prämiieren, die Laien unverständlich scheinen oder sie sogar provozieren.
Woher kommt diese Kluft zwischen den Chancen, die Wettbewerbe bieten, und ihrer nur mäßigen Akzeptanz? Beides hat miteinander zu tun: Wettbewerbe wecken höchste Erwartungen, und diese werden nicht immer erfüllt. Architekten sind enttäuscht, wenn vor dem kreativen Wettstreit ein bürokratischer Kraftakt steht und danach ein vergaberechtliches Hickhack folgt oder wenn sie sogar als Preisträger nur einen Bruchteil ihrer Kosten hereinholen.
Weil Wettbewerbe so chancenreich und so heikel zugleich sind, widmen Architektenkammern ihnen besondere Aufmerksamkeit: Sie stoßen Wettbewerbe an, sie begleiten und beraten, sie sammeln in ihren Wettbewerbsausschüssen und bei hauptberuflichen Wettbewerbsreferenten das nötige Know-how. Kammern werben nach außen für Wettbewerbe und arbeiten an den Regeln mit – zuletzt an den Richtlinien für Planungswettbewerbe (RPW), die vom Bund für seine Wettbewerbe Anfang 2009 und inzwischen auch von einer großen Mehrheit der Länder in Kraft gesetzt wurden. Sie sind transparenter und einfacher zu handhaben als die älteren Wettbewerbsregeln GRW und RAW.
Auch in den RPW wird wieder die unvermeidliche Spannung zwischen unbürokratischer Einfachheit und differenziertem Regelwerk deutlich, zwischen Kommunikationsbedarf im Verfahren und nötiger Anonymität, zwischen Verbindlichkeit der Vorgaben und kreativer Freiheit (siehe Bericht).
Im einen oder anderen Punkt müssen sie wohl im Lichte aktueller Erfahrungen auch nachjustiert werden. Aber grundsätzlich liegen sie mit dem Ansatz der Schlankheit und der vergaberechtlichen Sicherheit richtig. Nicht zuletzt taugen sie auch für private Auslober. Sie können mit ihren Fachpreisrichtern die Jurys dominieren – nicht unbedingt schön aus Architektensicht, aber förderlich für mehr Wettbewerbe.
Denn das muss das Hauptziel sein: bei potenziellen Auslobern und in der Öffentlichkeit den Charme des Wettbewerbs herauszustreichen – für einzelne Projekte wie für die Baukultur insgesamt. Dazu gehören natürlich auch die Vorzüge, die er gegenüber Verhandlungsverfahren hat. Denn wir brauchen mehr Wettbewerbe, vor allem brauchen wir mehr offene Verfahren. Da gilt es, einen Teufelskreis zu durchbrechen: Auf immer weniger offene Verfahren stürzen sich immer mehr Teilnehmer, was bei Auslobern die Bereitschaft zur Offenheit weiter einschränkt und bei den Teilnehmern die Chance auf den Gewinn. Aber mit praxisnahen Regeln, mit unermüdlichem Werben und mit qualifizierter Betreuung sollte es möglich sein, diesen Teufelskreis ins Positive zu drehen.
Klaus Meier-Hartmann ist Präsident der Architektenkammer Berlin.
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