Von Barbara Chr. Schlesinger
Die am 27. Juli 2010 in Kraft getretene, novellierte Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) bringt zwei wesentliche Neuerungen, die den Planungsprozess erheblich beeinflussen: die Festschreibung der „Gefährdungsbeurteilung“
(§ 3) sowie von „Straftaten und Ordnungswidrigkeiten“ (§ 9). Nach § 5 Arbeitsschutzgesetz besteht die generelle Pflicht festzustellen, ob die Sicherheit und die Gesundheit der Beschäftigten im Betrieb gefährdet sind oder sein können. Die Gefährdungsbeurteilung wird schon für die Planung von Arbeitsstätten eine sehr entscheidende Grundlage sein müssen, die vom Arbeitgeber/Bauherrn zu schaffen ist. Sie kann für Architekten auch eine Chance sein, neue Beratungs- und Planungsleistungen anzubieten.
Bei bereits bestehenden Arbeitsstätten dient die Gefährdungsbeurteilung als Entscheidungsgrundlage dafür, ob die Arbeitsstätte dem Stand der Technik angepasst werden muss oder ob die bisherigen Maßnahmen noch ausreichen und damit ein gefährdungsbezogener Bestandsschutz gerechtfertigt ist. Neu in der Arbeitsstättenverordnung 2010 sind zudem unmittelbare Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen gegen die Vorschriften. Damit gewinnen Sicherheit und Gesundheitsschutz weiter an Bedeutung, da Aufsichtsbehörden und betriebliche Arbeitsschutzakteure vorsätzliche und fahrlässige Gefährdungen von Beschäftigten direkt ahnden können. So liegt eine Ordnungswidrigkeit vor, wenn zum Beispiel
■ die Gefährdungsbeurteilung nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig dokumentiert wird;
■ eine Arbeitsstätte nicht so eingerichtet oder betrieben wird, dass von ihr keine Gefährdungen für die Sicherheit und Gesundheit von Beschäftigten ausgehen und dabei der Stand der Technik und insbesondere die Arbeitsstätten-Richtlinien nicht berücksichtigt werden;
■ Sicherheitseinrichtungen nicht gewartet werden;
■ kein Toilettenraum bereitsteht.
Bei der Planung von Arbeitsstätten wird es daher unerlässlich sein, sich über die Arbeitsstätten-Richtlinien hinaus über die Arbeitsstättenregeln und den Stand der Technik zu informieren, zum Beispiel in Informationsschriften der Berufsgenossenschaften, der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung sowie des Länderausschusses für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI).
Bereits 2004 war die Arbeitsstättenverordnung grundlegend neu gestaltet worden. Dazu sollten bis August 2010 „Regeln für Arbeitsstätten“ (ASR) fertiggestellt sein, die alten Arbeitsstätten-Richtlinien sollten auslaufen. Jedoch sind die neuen Regeln noch nicht komplett. Richtlinien, für die es noch keinen Ersatz in Form der Regeln gibt, gelten daher bis längstens Ende 2012 weiter. Da die Richtlinien teilweise sehr alt sind, sind die dort vorgesehenen Maßnahmen vom Arbeitgeber bzw. dem Architekten daraufhin zu prüfen, ob sie dem Stand der Technik entsprechen. Das ist eine Aufgabe mit erheblicher haftungsrechtlicher Relevanz, die unter Berücksichtigung der oben genannten Neuerungen nicht einfach lösbar ist, wenn nicht sogar nahezu unlösbar, solange die ASR nicht vollständig vorhanden sind. Die Architektenkammern der Länder und die Bundesarchitektenkammer weisen darauf gegenüber dem Bundesarbeitsministerium und im Ausschuss für Arbeitsstätten (ASTA) immer wieder hin. Auch stellt es sich immer wieder als schwierig heraus, die Anforderungen an das Bauen mit der im Arbeitsschutz üblichen Denkweise und Rechtssystematik in Einklang zu bringen. Als eine Planungshilfe wurde deshalb auch die Internetplattform „Arbeitsstätten sicher planen und gestalten“ von der Verwaltungsberufsgenossenschaft mit Unterstützung der Bundesarchitektenkammer entwickelt.
Barbara Chr. Schlesinger ist Referentin für Architektur und Bautechnik der Bundesarchitektenkammer.
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