Von Hubertus Schulte Beerbühl
Doppelhaus ist ein einziges Wohnhaus
§ 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 BauGB erlaubt im Außenbereich – unter weiteren Voraussetzungen – die Erweiterung eines zulässigerweise errichteten Wohngebäudes auf bis zu zwei Wohnungen. Das Gericht hat unter Verweis auf ein Urteil und einen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts (AZ: 4 C 13.97 und 4 B 175/92) entschieden, dass ein Doppelhaus insgesamt als ein Wohnhaus im Sinne dieser Vorschrift anzusehen sei, nicht als zwei Wohngebäude. So soll vermieden werden, dass jede Doppelhaushälfte nochmals um eine Wohnung erweitert werden kann. Ob das Bauwerk bauordnungsrechtlich oder im Sinne der Baunutzungsverordnung zwei Gebäude darstellt, ist deshalb unerheblich. Beseitigt der Bauherr von diesem Bauwerk eine (Doppelhaus-)Hälfte, um an deren Stelle einen Neubau zu errichten, kann er sich nach Ansicht des Gerichts dafür nicht auf die genannte Privilegierungsvorschrift berufen. Das Erweiterungsvorhaben dürfe nämlich nicht zu einer qualitativen Veränderung des Gebäudes führen. Das Wohnhaus müsse in jedem Fall seine Identität behalten und die „Hauptsache“ bleiben. Weil in dem entschiedenen Fall die Identität nicht mehr gewahrt sein würde und die Baumaßnahmen einem Neubau gleichkämen, hatte die Vorinstanz das Vorhaben für nicht genehmigungsfähig gehalten; das Oberverwaltungsgericht bestätigte diese Auffassung.
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen
Beschluss vom 20. Juli 2010
Az.: 10 A 1420/09
„Anbau“ großzügig definiert
Ein Vorhaben im Außenbereich, an einen bestehenden Altbau einen Erweiterungsbau mit einer zweiten Wohnung anzuschließen, ist nur genehmigungsfähig, wenn dieser Anbau kein selbständig benutzbares Gebäude ist. Denn zulässig ist nur eine Erweiterung, nicht aber ein Neubau. Die Grenze ist anhand der bautechnischen Gegebenheiten zu ziehen: In dem vom Gericht entschiedenen Fall wäre der Anbau ohne den Altbau baukonstruktiv nicht realisierbar gewesen, die Wohneinheiten im Obergeschoss wurden durch einen gemeinsamen Flur verbunden und die Wasserversorgungs- und Abwasserbeseitigungsanlagen nicht getrennt ausgeführt. Daher befand das Gericht, es entstehe kein weiteres Gebäude. Das Bauamt hatte zuvor die Genehmigung verweigert und dies damit begründet, dass der Anbau eine getrennte Zugangsmöglichkeit durch eine eigene Haustür habe und eine „Verzahnung“ der Wohnungen fehle, etwa durch Einrichtung von Badezimmern in dem jeweils anderen Gebäudeteil. Dies hielt das Gericht nicht für ausschlaggebend.
Verwaltungsgericht Münster
Urteil vom 19. Juni 2008
Az.: 2 K 852/07
Entgegenstehen öffentlicher Belange
In dem entschiedenen Fall war zu klären, ob eine vom Kläger zur Genehmigung gestellte gewerbsmäßige Bootsvermietung an einem See als zulässige Erweiterung eines zulässigerweise errichteten Gewerbebetriebs anzusehen war. Weil davon aber öffentliche Belange nicht nur beeinträchtigt wurden, sondern – wie das Gericht im Einzelnen ausführte – dem Vorhaben entgegenstanden, wies es die auf Zulassung gerichtete Klage ab. Die gesetzlichen Bestimmungen über die Zulässigkeit von Vorhaben im Außenbereich unterscheiden zwischen dem „Entgegenstehen“ und der „Beeinträchtigung“ öffentlicher Belange: Die in § 35 Abs. 1 BauGB genannten privilegierten Vorhaben sind trotz ihrer Bevorzugung nicht zulässig, wenn ihrer Verwirklichung öffentliche Belange entgegenstehen. Die in § 35 Abs. 2 und 3 BauGB angesprochenen sonstigen, d.h. nicht privilegierten Vorhaben sind hingegen schon dann nicht zulässig, wenn öffentliche Belange lediglich beeinträchtigt werden. Oder anders ausgedrückt: Sie sind nur dann zulässig, wenn öffentliche Belange nicht oder nur geringfügig negativ berührt werden. Das Gericht hat entschieden, dass dieser Unterschied auch bei nach § 35 Abs. 4 Satz 1 BauGB begünstigten „teilprivilegierten“ Vorhaben zu berücksichtigen ist. Hier sei es erforderlich, dass dem Vorhaben öffentliche Belange nicht entgegenstehen. An den genannten Standorten müssten sich diese Belange gegebenenfalls durchsetzen. Das gelte entgegen einer in der Fachliteratur vertretenen Auffassung für alle Fallgruppen des § 35 Abs. 4 BauGB.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil vom 2. März 2010
Az.: 1 B 06.220
Straße zum Bauernhof muss breit genug sein
Alle Zulässigkeitstatbestände der §§ 30 ff. BauGB (Vorhaben im beplanten oder unbeplanten Innenbereich oder im Außenbereich) verlangen, dass eine ausreichende Erschließung gesichert ist. Soll ein Baugrundstück für Kraftfahrzeuge erreichbar sein, muss daher die Straße, an die das Baugrundstück grenzt, hinsichtlich ihrer Befestigung und Breite gewisse Mindestanforderungen erfüllt. Ein öffentlicher Feldweg oder Wirtschaftsweg ist deshalb zur Erschließung eines landwirtschaftlichen Anwesens nur geeignet, wenn er über die gesamte Zufahrtsstrecke so breit ist, dass die Zufahrt von Personenkraftwagen, kleineren Kraftfahrzeugen der Polizei, der Feuerwehr, des Rettungswesens und der Ver- und Entsorgung sowie kleineren landwirtschaftlichen Fahrzeugen tatsächlich möglich ist. Die Richtlinien für den ländlichen Wegebau stellen nach Ansicht des Gerichts eine sachverständige Konkretisierung der Anforderungen an ländliche Wege dar. Das Gericht zog diese Überlegungen im Bebauungsrecht heran und kam danach zu der Einschätzung, dass ein 160 Meter langer Weg, der an mehreren Stellen weniger als 2,5 Meter breit war, keine hinreichende Erschließung vermittelte. Nicht ausreichend für eine gesicherte Erschließung war, dass der Kläger und andere Landwirte den Weg offenbar seit Jahren zur Bewirtschaftung der anliegenden Wiesen auch mit Großgeräten befahren. Dies war nur möglich, weil die Eigentümer der angrenzenden Grundstücke duldeten, dass diese im Grenzbereich mitbenutzt werden. Den privaten Eigentümern, die im Gegensatz zu einer Gemeinde den Bindungen des öffentlichen Rechts nicht unterliegen, stehe es jedoch jederzeit frei, durch Errichtung eines Zauns an der Grundstücksgrenze die weitere Zufahrt selbst kleinerer landwirtschaftlicher Fahrzeuge zu verhindern. Deswegen könne nicht darauf verzichtet werden, dass der als öffentlicher Feldweg gewidmete Weg eine Mindestbreite von 2,5 Meter aufweise.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil vom 17. Februar 2010
Az.: 1 B 09.2123
Landwirtschaft: Bestandsschutz auch ohne Gewinn
Sowohl im Rahmen der Eingriffsverwaltung als auch bei der Prüfung der Genehmigungsfähigkeit von Umwandlungs-, Erweiterungs- oder Wiederaufbauvorhaben nach § 35 Abs. 4 Satz 1 BauGB spielt die Fortdauer der früher einmal genehmigten Nutzung eine entscheidende Rolle. Denn wenn die Nutzung erkennbar auf Dauer aufgegeben wird, verliert die Genehmigung ihre Legalisierungswirkung, und in Folge dessen geht der Bestandsschutz unter. Die Grenzen des Bestandsschutzes sind unter anderem dann erreicht, wenn der Berechtigte in einem Gebäude eine andere als die genehmigte Nutzung aufnimmt, die außerhalb der Variationsbreite der bisherigen Nutzungsart steht und erkennbar nicht nur vorübergehend ausgeübt werden soll. Wird eine Genehmigung für eine landwirtschaftliche Nutzung erteilt, die Tierhaltung einschließt, so ist damit nicht jede beliebige Art der Tierhaltung legalisiert. Bei Tierhaltung kann auch eine Änderung der Nutzungsweise relevant werden, sofern sie für die Nachbarschaft eine höhere Belastung mit sich bringt. Auch insoweit ist darauf abzustellen, ob die Tierhaltung sich innerhalb des Spektrums von Variationsmöglichkeiten hält, das ausgeschöpft werden darf, ohne dass die Genehmigungsfrage neu aufgeworfen wird. Das hat der Verwaltungsgerichtshof für einen Fall bejaht, in dem der Kläger seinen Viehbestand nach Zahl und Zusammensetzung im Rahmen der vorhandenen Stallkapazitäten variiert hatte, wobei die Immissionssituation für die Nachbarschaft unverändert geblieben war. Unerheblich für die Fortgeltung der Genehmigung war auch, dass der Kläger seine Tierhaltung in den 1980er Jahren von einer Tierhaltung im Rahmen einer Nebenerwerbslandwirtschaft auf eine solche zum Eigenbedarf umgestellt hatte. Entscheidend für die Bejahung eines landwirtschaftlichen Betriebes sei gewesen, dass eine bestimmte Organisation und eine nachhaltige und ernsthafte Bewirtschaftung vorhanden gewesen seien und es sich um ein auf Dauer gedachtes und auch lebensfähiges Unternehmen gehandelt habe. In Abgrenzung zu einer nicht privilegierten Hobbylandwirtschaft sei das hier zu bejahen gewesen.
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil vom 19. Oktober 2009
Az.: 5 S 347/09
Freiluftgaststätte nahe Wohnhäusern: TA Lärm nicht anzuwenden
Freiluftgaststätten sind nach Nr. 1 Satz 2 Buchstabe b) der TA-Lärm von deren Anwendungsbereich ausgenommen. Das gilt nach der Entscheidung des Gerichts auch für die Freiluftbereiche gemischter Gaststätten, die im „absoluten Nahbereich“ von Wohngrundstücken liegen. Der Grund für die Herausnahme von Freiluftgaststätten aus dem Anwendungsbereich der TA-Lärm sei, dass die durch den Betrieb dieser Anlagen verursachten Geräuscheinwirkungen, die durch das Verhalten der Gäste bestimmt würden, anhand dieser Verwaltungsvorschrift nicht zutreffend bewertet werden könnten. Es bedürfe hier einer Beurteilung der Lärmauswirkungen unter Berücksichtigung besonderen, insbesondere konkreten örtlichen Umstände des Einzelfalls bedürfe. Die Grenzen des „absoluten Nahbereichs“ könnten im Übrigen nicht mathematisch-exakt in Metern ausgedrückt werden.
Bundesverwaltungsgericht
Beschluss vom 3. August 2010
Az.: 4 B 9/10
Dr. Hubertus Schulte Beerbühl ist Richter am Verwaltungsgericht Münster.
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zur zeit ist die untere bauaufsichtsbehörde damit beschäftigt grundstücksbesitzer im außenbereich der stadt zeulenroda – triebes mit abrissforderungen zu überhäufen und beruft sich dabei auf pargr, 35 babgesetz .
dabei geht es um ein gebiet das schon zu ddr zeiten zu erholungszwecken , nicht zu wohnzwecke genutzt wurde .
nach der wiedervereinigung wurden kleinere gerätehäuser und toiletten errichtet , die nur der privaten nutzung beim aufenthalt zur erholung genutzt werden und in der grundfläche nicht über 10-12 qm gehen .
diese gebäude stehen einzeln und sollen entfernt werden , nur wie ist ein hygienischer aufenthalt , vor allem für kinder und alte menschen , absicherbar.
vor allem sind wir bis 2012 im glauben gelassen worden alles habe seine richtigkeit, die zuständigen behörden waren vom zustand und der nutzung dieser grundstücke informiert .
zufahrten und elektrische versorgung ist alles gegeben . sanitäre anlagen bestehen , bzw. können , wo nicht vorhanden , nachgerüstet werden..
abschließend sei zu bemerken das viele nutzer diese grundstücke zu erholung und für das alter errichtet und erhalten haben .
ich weis nicht wie wir uns gegen diese , meiner meinung nach willkür , wehren können.
es betrifft keine privelegierte vorhaben , sondern sonstige vorhaben , auch wenn man bedenken der gefahr einer zersplitterung äußert , im umfeld von 200-300mtr. stehen wohngebäude und wie gesagt die zufahrt für fahrzeuge aller art ist gegeben und wird von den eigentümern in ordnung gehalten .
als nochmal , wir wissen nicht warum hier der lebenstraum vieler menschen zerstört werden soll , die zeit ihres lebens alles für die erholung und ordnung auf diesen grundstücken getan haben .
in der hoffnung auf ihr verständniss und eventuellen ratschläge oder hinweise bedanken wir uns im vorau auf das herzlichste
mit frndl. gruß G . Schulz