Von Roland Stimpel
Anklagepunkt 1: Stein, Stein und nochmals Stein
Ganz Berlin etepetete
wo du auch guckst, nur Steintapete.
Fürs Auge eine schlimme Qual –
immer dasselbe Material.
Wer trägt die Schuld, dass sich dies ballte?
Natürlich Stimmann, dieser Alte.
Wo er war, herrschte Diktatur beim Material.
Drum prägt den Hauptbahnhof auch Sandstein-Stahl.
Er zwang, das war ein übles Ding
selbst Libeskind zum Sandstein-Zink.
Zum Überlaufen kam das Sandstein-Fass
beim Sony-Center-Zwang zum Sandstein-Glas.
Sein jüngstes Zwangswerk, ganz besonders fad
ist Brandlhubers Sandstein-Carbonat.
Anklagepunkt 2: Mit der Traufe in die Traufe
In ganz Berlin – zum Haareraufen –
überall die gleichen Traufen
Nie mehr als 22 Meter.
Das war derselbe Übeltäter!
Warum geht kein Haus mehr nach oben?
Natürlich wegen Stimmanns Toben.
Ausnahmen warn verboten, keiner ist nun froh.
Am Alex nicht, auch nicht am Flachbau-Zoo.
Und provinziell, so niedrig wie ein Dorf
duckt sich der Potsdam-Platz bedrückend flach im Torf.
Wo Stimmann traufte, werfen keine Türme Schatten
Das freut allein die sonnenfrohen Ratten.
Doch deprimiert es alle Bodenwerte
Sie kleben weiter niedrig an der Erde.
Anklagepunkt 3: Blöcke auf allen Rabatten
Ganz Berlin ist jetzt geblockt.
Auch das hat dieser Kerl verbockt:
Er machte rabiatest Schluss
mit landschaftlich-urbanem Fluss.
Wer zwang die Häuser ans Trottoir?
Klar, dass auch das der Stimmann war.
Alles, ja alles hat er zugebaut:
dem Tiergarten den allerletzten Baum geklaut.
Am Gleisdreieck das allerletzte Grün vernichtet
und überall nur gnadenlos verdichtet.
Und wo er konnte, killte er Fahrspuren
wo wir dereinst mit so viel Freude führen.
Am Reichstag hat er Schultes’ Blöcke zugelassen.
Kein Block dort? Egal: Den Mann muss man hassen.
Anklagepunkt 4: Der Abbau des Aufbauwerks
In ganz Berlin, bis nach Marzahn,
ist praktisch alles weggetan
vom volkseigenen Aufbauwerk.
Wer tat es auf den Bauschutt-Berg?
Wer tilgte unsere DDR?
Natürlich Hans, der Bürgerherr.
Statt Luft und Weite auf den Magistralen
will er bloß enges Drängeln voller Qualen.
Am heute so schön flachen Mühlendamm.
will er statt Asphalt Hausbaugrubenschlamm.
Ahnt er mal archäologisch ausgrabbare Quader
bedroht er dort die Werke alter Kader.
Er will – auf so was kommt man nur als Durchgeknallter –
statt freier Rathaus-Steppe finstres Mittelalter.
Anklagepunkt 5: Bürger, die Berlin bedrohen
Am Friedrichswerder herrscht das Grauen.
Jedes Haus: Anders anzuschauen.
Wer lockerte an falscher Stelle Zwang?
Wer stört die skulpturale Reinheit der Reichsbank?
Wer sah im Kern der Stadt ganz plötzlich Einzelhausbedarf?
Stimmann natürlich – der Kerl ist parzellenscharf.
Er hat Berlin schon ganz gentrifiziert
am Kotti alle Armen ausquartiert.
Im Zentrum geht kein Investieren auf die Schnelle:
Es gibt ja nur die Einzelhausparzelle
mit der er alle Gruppen- und Sozialprojekte
vertrieb, vergraulte, mindestens erschreckte.
Es bauen nur noch bürgerliche Townhouse-Drohnen.
Total versnobt: Sie bauen ohne Subventionen.
Schlussplädoyer: Die schrecklichen Folgen
Nun ist er Rentner, und der Stadtbau windet sich wie’n Aal:
hört dies, sagt das, nennt es „prozessual“.
Endlich geht Stadtbau weder längs noch quer,
sondern barackig, spontan-temporär.
Endlich wird unsere Stadt nicht mehr von ihm verschlimmert.
Endlich tropft alles hin, gemächlich wie die Limmat.
Niemand will jetzt mehr zwingend-feste Formen gießen.
Nur Stimmann will das schöne Rathaus-Forum ganz vermiesen.
Doch wie er wirkte, merkt Berlin an jeder Stelle:
Wer kann, verlässt den Unort auf die Schnelle.
Egal, dass die Statistiker von Zuwachs sprechen:
Wir wollen uns an ihm mit Jammern rächen.
Berlin hat rundum nur Gewürg.
Wer kann, der zieht nach Brandenbürg.
Die gesamte Künstlerszene
machte sich schon länger uff de Beene.
Berlin tut alle enervieren.
Niemand will mehr hier studieren.
Und auch aufgrund des Stimmannismus
erstarb der ganze Stadttourismus.
Kunz weiß es, und natürlich Hinz:
Berlin ist finsterste Provinz!
Komm, lass uns ab nach China segeln.
in schöne Städte ohne Stimmanns Regeln.