Gespräch: Roland Stimpel
Herr Bomba, Sie sind gelernter Ingenieur und Ökonom und haben nun seit zwei Jahren als Staatssekretär mit Architekten zu tun. Wie erleben Sie als ein so rationaler Mensch die Architekten: als Kreativspinner, als Sendboten der Baukultur, als Lobbyisten wie alle anderen?
Bomba: Kreativ ja, was Gespräche und gemeinsame Veranstaltungen sehr belebt. Als Sendboten der Baukultur natürlich auch, aber praxisbezogen und nicht missionarisch. Als selbstbewusste Interessenvertreter ebenfalls, aber nicht nur als Vertreter eigener, sondern auch öffentlicher Interessen.
Trommer: Das Letzte ist für mich ein wichtiger Punkt: Wir vertreten die Interessen der Nutzer, der Gesellschaft, der Umwelt. Damit sie Gewicht bekommen, dürfen und müssen wir auch von Bauherren verlangen, dass sie diese Belange berücksichtigen und nicht nur für sich selbst ein gutes Werk abliefern. Als Kammern können wir das erst recht verlangen. Wir sind ja kein Berufsverband, sondern Körperschaft des öffentlichen Rechts und haben damit eine öffentliche Aufgabe. Wir setzen uns auch dafür ein, dass in Ihrem Ministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung nicht der Verkehr alles andere dominiert.
Bomba: Wir rücken die Bereiche Bauen, Wohnen und Stadtentwicklung wesentlich stärker in den Vordergrund als bisher. Wir sind da keineswegs untätig. Wir loben beispielsweise Preise aus, um besonders gute Beispiele in die Öffentlichkeit zu tragen. Ich erinnere an den kürzlich gemeinsam mit der Bundesarchitektenkammer verliehenen Deutschen Architekturpreis. Wichtig sind auch unsere Preise für die Gestaltung von Wohngebieten, für mehr Urbanität an Ein- und Ausfallstraßen oder für den ländlichen Raum. Im Rahmen der Städtebauförderung und unserer baulichen Tätigkeit laufen momentan etwa 2.500 Projekte in Deutschland, in die sehr viel Geld fließt.
Trommer: Jeder betont den Wert der Städtebauförderung. Trotzdem ist der Etat dafür in diesem Jahr von 535 Millionen auf 455 Millionen Euro gesunken; nächstes Jahr steht eine weitere Kürzung an.
Bomba: Wir haben unseren Beitrag zur nötigen Konsolidierung des Haushalts geleistet; dazu stehe ich. 2011 haben wir 455 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. 2012 werden es 410 Millionen plus 92 Millionen für das Programm „Energetische Stadtsanierung“ sein. Die Städtebauförderung bleibt weiter ein wichtiger Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung unserer Städte. Alle Programme werden fortgeführt.
Trommer: Städte sind doch nicht die Kostgänger des Staats, sondern seine wichtigste Steuerquelle. Dass sie gut funktionieren, muss auch im Interesse des Fiskus sein. Und mehrere Untersuchungen haben gezeigt, dass die Städtebauförderung so viele Investitionen und damit Steuereinnahmen anstößt, dass sie sich selbst finanziert.
Bomba: Ganz genau, jeder Euro Bundesmittel stößt mehr als sieben Euro private und öffentliche Investitionen an. Bisher sind die Untersuchungen, die die Anstoßwirkung auf die Privatwirtschaft belegen, viel zu wenig bekannt gemacht worden. Erst nach den ersten Kürzungen wurden viele wach, es wurden Bundestagsabgeordnete und unser Ministerium geradezu mit Briefen überhäuft. Es war ein seriöser, fundierter Protest, und er war hilfreich. Abgeordnete aller Fraktionen und natürlich auch wir achten genau darauf, dass die Städtebauförderung nicht ins Bodenlose fällt. Für den Haushalt 2012 hatten wir zunächst einen Ansatz von 265 Millionen Euro; das wäre ein Radikalschnitt gewesen. Jetzt sind wir bei 410 plus 92 Millionen Euro ein gehöriger Batzen.
Trommer: Als Teil der Städtebauförderung ist auch das Programm „Soziale Stadt“ betroffen. Dabei verdanken wir auch ihm, dass wir in den Städten nicht die Probleme Englands und Frankreichs haben. Das liegt nicht zuletzt an Programmen wie der „Sozialen Stadt“, die ein wichtiger Teil der Städtebauförderung sind. Das spart viel mehr ein, als es kostet.
Bomba: Das Programm „Soziale Stadt“ ist wegen angeblicher Spielwiesen zu Unrecht gescholten worden. Gerade in sogenannten Brennpunktquartieren erzielen wir damit gute Ergebnisse. Das Programm hat einen hohen Wert. Deshalb wird es weiterentwickelt und neu ausgerichtet. Wir kämpfen für das Programm „Soziale Stadt – Investitionen im Quartier“ und haben uns dafür eingesetzt, es von 28 Millionen im Jahr 2011 wieder aufzustocken. Klar ist aber: Geld hilft gar nichts, wenn nicht gute Ideen und Initiativen hinzukommen, nicht zuletzt auch von Architekten und Planern.
Trommer: Ideen und Initiativen haben wir und die Städte mehr als Geld. Das ist zum Beispiel auf dem UrbanTec-Kongress im Oktober dieses Jahres in Köln deutlich geworden. Schon 118 Städte und Regionen mit zusammen 17,8 Millionen Einwohnern streben an, sich allein mit regenerativen Energien zu versorgen. Das ist fast ein Viertel der Menschen in Deutschland. Und Erfolge daheim machen auch unser Planungs-Know-how zu einem gefragten Exportgut.
Bomba: Um den Export zu fördern, war ich kürzlich mit einer Wirtschaftsdelegation in Südamerika. Seitens der Bundesarchitektenkammer war Vizepräsident Andreas Wolf dabei. Überall sind wir auf unsere jahrhundertelange Erfahrung in der Planung von Städten, im Städtebau, der Stadtgestaltung und der Bewältigung des Wachstums angesprochen worden. Von großem Interesse waren Themen wie Qualität, Nachhaltigkeit, Technologien für Wasser und Energie oder Themen wie „Green Citys“ und „Green Mobility“. Im Oktober 2012 wird es in Berlin einen internationalen Kongress zur Stadtentwicklung mit dem Arbeitstitel „Städtische Energien/Urban Energies“ geben, zu dem wir Kollegen aus 50 Ländern erwarten – daraus entstehen auch neue Chancen für Planer und Architekten aus Deutschland.
Als typisch deutsch gilt aber auch die Bürokratie. Daheim ist momentan die Klage über Energiespar-Vorschriften am lautesten.
Bomba: Wir dürfen hier den Bogen nicht überspannen und müssen die EnEV so gestalten, dass die Gebäude noch funktionieren und man sich darin wohlfühlt. Wir haben den klaren Auftrag, energiesparendes Bauen auch wirtschaftlich auszugestalten. Ich bin kein Fan davon, Häuser nur in Dämmstoffe einzupacken. Es gilt, die vielen technischen Möglichkeiten für eine verbesserte Energieeffizienz abzuwägen und zu nutzen. Dazu zählen hochmoderne Fenster, innovative Heizungsanlagen, Steuerungstechniken und vieles andere mehr. Aber ich sehe auch die Dringlichkeit des Energiesparens. Der Klimawandel erlaubt kein Zögern; die Erderwärmung wird uns in den kommenden Jahrzehnten massiv beschäftigen. Wir werden wohl in Deutschland die Sparziele bis 2050 erreichen, in den Schwellenländern nimmt der CO2-Ausstoß jedoch immer noch massiv zu.
Trommer: Das Problem ist brennend, aber nicht jeder Lösungsversuch ist gut. Schon in der jetzt gültigen EnEV 2009 sind die Grenzwerte so streng, dass sich vor allem Sanierungen oft kaum noch lohnen. Werden sie höher gesetzt, dann wird am Ende weniger saniert und gespart als bisher. Und dann geht die ganze Sache nach hinten los.
Bomba: Auch deswegen diskutieren wir das mit der Fachwelt. Das ist eines der Themen in dem von uns gegründeten Expertenkreis Bau. In diesem Kreis sind wichtige Vertreterinnen und Vertreter der deutschen Bauwirtschaft, natürlich auch die Architekten. Wir reden über die großen Zukunftsthemen wie Klima, Energie und demografischen Wandel. Wir wollen die Standpunkte der Experten und Praktiker kennenlernen, bevor wir in die Verfahren der Gesetzgebung einsteigen.
Neue Gesetze – das klingt nach noch mehr Bürokratie.
Bomba: Ich habe mir den Bürokratie-Abbau auf die Fahne geschrieben. Wir merken, dass alle unter Überregulierung leiden, staatliche Bauherren übrigens genauso wie Unternehmen und Privatleute. Wir wollen nicht nur Neuregelungen erlassen, sondern uns auch von Überkommenem trennen – und das möglichst bei jeder Gesetzgebung. Dies betrifft auch Planungsverfahren, die vor allem bei Großprojekten nicht mehr Jahrzehnte dauern dürfen. Wir müssen überlegen, wie wir effizienter und damit schneller, aber auch sicher und nachhaltig bauen können.
Trommer: Da bekommen oft Bürger den Schwarzen Peter, die sich im Verfahren beteiligen oder hinterher klagen. Ich halte das aber nicht für das größte Hemmnis. Die größten Verzögerer sind oft die vielen beteiligten Behörden und anderen Gremien, besonders in Sachen Finanzierung. Da geht so manche Akte von der Stadt zum Land, dann zum Bund und wieder zurück – und überall durch mehrere Stationen. Die Bürgerbeteiligung ist schon heute vergleichsweise straff geregelt, aber mancher Behördenarbeit haftet ein gewisses Ewigkeitsdenken an. Hier wären strengere Fristen bestimmt segensreich.
Bomba: Es gibt sicherlich Potenziale zur rechtlichen Vereinfachung. Die Beteiligung der Öffentlichkeit zu optimieren heißt nicht, sie auszuschalten. Ich kann mir sogar vorstellen, dass eine effektivere Beteiligung Verfahrensschritte vereinfachen kann.
Trommer: Über Verfahrensregeln müssen wir auch in Sachen Architektenwettbewerbe nachdenken. Hier sehe ich das Hauptproblem, dass die Kreativität kleiner und junger Büros zu oft keine Chance erhält. Es wird umso schlimmer, je mehr vor allem die Städte als Auslober keine Fachleute mehr haben, sondern Juristen oder Betriebswirte, die nicht auf die intelligenteste Lösung fixiert sind, sondern auf die Abarbeitung aller denkbaren Paragraphen. Wir sind auch über den europäischen Architektenverband ACE aktiv, um das europäische Vergaberecht zu entschlacken. Wir wollen zum Beispiel, dass auch wieder regionale Ausschreibungen erlaubt sind. Auch da wünschen wir Ihre Unterstützung!
Bomba: Wir haben mit der Evaluierung der Richtlinien für Planungswettbewerbe begonnen und werden diese, falls nötig, überarbeiten. Dabei sind auch die Zugangsmöglichkeiten für junge und kleinere Büros ein Thema. Natürlich binden wir auch die Kammern in bewährter Weise ein.
Bomba: Da muss man aufpassen, dass man das Ökonomische nicht zu stark in den Vordergrund stellt. Gerade in Wettbewerben haben oftmals kleine Büros geniale Ideen. Beispielhaft kann man hier das Büro AV 1 aus Kaiserslautern benennen, das den offenen Wettbewerb für die Depots und Werkstätten für die staatlichen Museen zu Berlin gewann, oder das Büro Dannheimer Joos aus München, das erfolgreich aus dem Wettbewerb für die Kulturstiftung des Bundes in Halle an der Saale hervorging. Ich rate jungen Architektinnen und Architekten: Macht euch selbständig und tut es in einer Bürogröße, mit der ihr leben könnt. Da reichen oft zwei oder drei Leute; es muss kein 20-Mann-Büro sein. Nicht Größe ist entscheidend, sondern Qualität.
Trommer: Entscheidend ist aber auch ein auskömmliches Honorar. Die Sätze nach der HOAI sind 13 Jahre lang gar nicht gestiegen, dann 2009 um bescheidene zehn Prozent. Gerade im Interesse der Qualität muss eine leistungsgerechte Bezahlung gewährleistet sein. Auch die Novellierung der Leistungsbilder muss noch in dieser Wahlperiode geschafft werden, die bis 2013 dauert.
Bomba: Es ist für mich keine Frage, dass die Leistung der Architekten auch wirtschaftlich und rechtlich eine feste Basis braucht. Für die HOAI-Novelle hatten wir ein Mammutprogramm der Beteiligung mit über hundert mitwirkenden Fachleuten und 60 Sitzungen. Auf dem gemeinsamen Weg zur Novelle sind wir bisher weit gekommen und haben im Konsens mit allen Beteiligten die neuen Leistungsbilder definiert. Sie dürfen uns da als Partner und Freunde sehen. Wir wissen, dass wir den Architekten einiges schuldig sind, und wir werden das weiter mit Nachdruck betreiben. Nun ist es Sache des Ministeriums für Wirtschaft und Technologie, die Grundlagen für neue Honorartabellen zu schaffen. Das Verfahren ist zwar insgesamt aufwendig, aber wir können die HOAI-Novelle noch in dieser Legislaturperiode schaffen.
Trommer: Nicht nur, um hier Druck zu machen, rufe ich die Architekten und Planer in Deutschland zu mehr politischem Engagement auf. Ich kann zwar verstehen, dass man sich mit einem so schönen, kreativen Hauptberuf nicht noch nach Feierabend mit ewigen Sitzungen und ellenlangen Verwaltungsvorgaben beschäftigen will. Aber das Engagement von Architekten in der Politik ist gefordert, da sie qua Ausbildung und Berufspraxis in die Zukunft denken und sie im Kopf vorwegnehmen. Wir müssen sagen, wohin die Reise gehen könnte; wir müssen vorn sein.
Bomba: Ich kenne viele Architekten, die sich bereits entsprechend engagieren. Für mich ergibt sich das schon daraus, dass Architekten in den öffentlichen Raum hineinwirken. Also sollten sie sich auch am öffentlichen Leben beteiligen. Architekten, Ingenieure und Techniker sollten in den Parlamenten vertreten sein. Ihr Sachverstand wird genauso gebraucht, wie ihre Fragen und Forderungen. Auch wenn sie manchmal unbequem sind.