Interview: Roland Stimpel
Sandra Töpfer und Michael Mackenrodt sind Mitbegründer der Wettbewerbsinitiative Berlin (www.wettbewerbsinitiative.de ), die im Juni 2011 aus Unmut über öffentliche Auftraggeber gegründet wurde. Die Inititatoren und Unterzeichner bemängeln Intransparenz bei Vergaben und den Missbrauch von Zugangskriterien, die kleinere und jüngere Büros diskriminieren. Die Initiative erkennt hier Widersprüche zu den Wettbewerbs- und Vergaberegeln der RPW, VOF und GRW. Peter Ostendorff, Leiter des Referats „Wettbewerbe und Auswahlverfahren“ im Berliner Senat für Stadtentwicklung, sieht das naturgemäß ganz anders.
Frau Töpfer, was will Ihre Initiative?
Töpfer: Wir wollen den vermehrt diskriminierenden und intransparenten Vergabepraktiken öffentlicher Auftraggeber entgegenwirken. Darin werden Gleichbehandlung, Generationengerechtigkeit und Transparenz übergangen oder ignoriert, von Baukultur gar nicht zu sprechen. Aufgrund des enormen Zulaufs sind wir motiviert und in der Lage, den Missbrauch des Vergabesystems im Weiteren massiv und organisiert anzugehen.
Herr Ostendorff, verstehen Sie den Unmut über Auslober?
Ostendorff: Ja und nein. Ja, weil allein wegen der großen Zahl von Architekten gerade in Berlin zwangsläufig viele leer ausgehen. Nein, weil sich in der Vergabepraxis in den letzten Jahren vieles gebessert hat. Vor Einführung der VOF haben öffentliche Bauherren Architektenleistungen ohne Regeln vergeben – das war weder transparent noch gerecht! Wer schon zwei schöne Sporthallen gebaut hatte, bekam auch noch die dritte.
Mackenrodt: Der Vergleich mit früheren Unzulänglichkeiten macht die heutigen doch nicht besser. Es geht auch nicht darum, dass viele leer ausgehen – das liegt bei einem Überschuss an potenziellen Bewerbern in der Natur der Sache. Sondern es geht darum, dass Auswahlverfahren, insbesondere der öffentlichen Hand, möglichst sachbezogen und neutral erfolgen müssen.
Ostendorff: Man kann vieles kritisieren. Aber es ist schon ein Fortschritt, dass dank der VOF alle öffentlichen Planungsaufträge oberhalb des Schwellenwerts von zurzeit 193.000 Euro öffentlich ausgeschrieben werden.
Mackenrodt: Entscheidend ist aber nicht die Höhe des Schwellenwerts, sondern die Art und Weise der Verfahren. Im Gegensatz zu Verhandlungsverfahren, bei denen ein Auftraggeber nur aus einem Kaffeesatz alter Daten in die Zukunft orakelt, bietet gerade der Planungswettbewerb ein bewährtes Instrument für neutrale und sachbezogene Bewertungen anhand einer tatsächlich projektbezogenen Leistungsprognose. Dass die VOF Planungswettbewerbe nur ermöglicht und nicht vorschreibt, ist ein gravierender Fehler.
Ostendorff: Gerade Berlin hat in den letzten Jahren das Wettbewerbswesen gestärkt. In unserem Haus sind für Neubauprojekte Wettbewerbe inzwischen selbstverständlich. Auch das Bewusstsein in Politik und Öffentlichkeit hat sich gewandelt. Früher gab es öfter Anfragen im Parlament: Wieso macht ihr schon wieder einen Wettbewerb? Das kostet doch Zeit, Geld, und die Leistung kann doch jeder eingetragene Architekt erbringen. Das ist zum Glück vorbei. Heute fordert die Öffentlichkeit Wettbewerbe geradezu ein.
Töpfer: Nach unseren Recherchen nehmen die offenen Wettbewerbe gerade einmal einen Anteil von vier Prozent ein. Das ist eine viel zu geringe Zahl, bemessen an der Anzahl der beschränkten Verfahren, zu denen aufgrund fragwürdiger Auswahlkriterien zudem nur drei bis fünf Prozent der Büros Zugang haben.
Ostendorff: Das kommt nur hin, wenn Sie sämtliche Vergaben mitzählen – auch die von Fachplanungsleistungen. Die absoluten Zahlen sehen günstig aus: In den letzten fünf Jahren hatten wir 38 nicht offene und acht offene Wettbewerbe. Gutachter- und Bieterverfahren lasse ich außen vor.
Mackenrodt: Acht offene Verfahren, davon drei Hochbauwettbewerbe, innerhalb von fünf Jahren sind für eine Stadt wie Berlin sicherlich kein Aushängeschild.
Ostendorff: Der logistische und finanzielle Aufwand für einen offenen Wettbewerb ist viel höher – für Vorprüfung, Preisgericht, Räume und alles andere. Die große Zahl der Teilnehmer ist irgendwann nicht mehr handhabbar. Und wären mehr offene Wettbewerbe wirklich gerecht gegenüber kleinen Büros? Ich kenne etliche, die sagen: Wir können uns die Teilnahme an einem offenen Wettbewerb mit seiner geringen Gewinnwahrscheinlichkeit gar nicht leisten. Aber die großen Büros mit einer eigenen Wettbewerbsabteilung können es.
Töpfer: Das Gegenteil ist der Fall. Die großen Büros nehmen an offenen Wettbewerben kaum noch teil, da sie es ja nicht nötig haben, sich dieser Konkurrenz zu stellen. Die enormen Teilnehmerzahlen sind dabei in erster Linie auf die verringerte Anzahl offener Verfahren zurückzuführen.
Ostendorff: Noch einmal zu den Kosten: Bestimmte Fixkosten sind für jeden Wettbewerb gleich, ob Messehalle, Schloss oder Kita. Aber wir leisten sie uns, obwohl ich schon manchmal ein schlechtes Gefühl habe, wenn man fürs gleiche Geld in dem Kindergarten einen Gruppenraum mehr bauen könnte. Bei offenen Wettbewerben wird aber vor allem die Vorprüfung zu einem unkontrollierbaren Kostenfaktor. Sie bezieht sich ja heute nicht nur auf die Prüfung der Entwurfsidee und der Formalien, sondern wird immer intensiver und spezieller. Alles wird auf Herz und Nieren geprüft, teilweise von eigens beauftragten Spezialisten: Bau- und Unterhaltungskosten, Energieeffizienz und so weiter. Damit sichern wir übrigens nicht nur die Projektqualität, sondern auch das Wettbewerbswesen. Denn wir schaffen so von Anfang an eine Kostensicherheit und begegnen dem Argument, das aus der Politik immer noch kommt: Wettbewerbsprojekte würden am Ende stets teurer als kalkuliert. Aber dies verursacht immense Zusatzkosten, und zwar für jeden zu prüfenden Entwurf. Bei 300 Teilnehmern würde das extrem schwierig.
Mackenrodt: Ich halte es für kurzsichtig, anzunehmen, dass billige Verfahrensarten zu billigen Gesamtkosten führen. Maßgeblich sind vor allem die Baukosten, die durch das jeweilige Konzept bestimmt werden. Der Wettbewerb ist daher ebenfalls ein geeignetes Mittel, um wirtschaftliche Lösungsansätze zu finden. Eigentlich stellt sich doch vielmehr die Frage, wie der öffentliche Auftraggeber eine ausreichende Variantenübersicht bei Direktvergaben und Verhandlungsverfahren sicherstellen will.
Töpfer: Wir beurteilen es äußerst kritisch, wenn es eine derartige Verschiebung des Wertesystems gibt, indem politische Absicherungen Vorrang vor Generationengerechtigkeit, Gleichheitsgrundsatz und Baukultur erhalten. Der offene Wettbewerb ist Ausdruck einer freien und chancengleichen Gesellschaft. Der Zugang dazu stellt einen rechtlich gesicherten Wert dar, den es zu erhalten gilt. Die Vorselektierung der Teilnehmer hat zudem geradezu absurde Folgen. Da immer dieselben Büros ausgewählt werden, stapeln sich dort die Wettbewerbe. Bearbeitet werden sie dann aber immer öfter durch junge Kollegen, die paradoxerweise an diesen Wettbewerben selbst gar nicht teilnehmen dürften. Langfristig führt das zu einer extremen Verzerrung des Wettbewerbswesens und des gesamten Berufsstandes.
Kann man da nicht eine Positivspirale in Gang setzen – nach dem Motto: Je mehr offene Wettbewerbe es gibt, desto besser verteilen sich die Interessenten?
Ostendorff: In Berlin würden sich immer sehr viele Büros bewerben. Wenn hier ein offener Wettbewerb für eine Turnhalle stattfindet, beteiligen sich weit mehr Architekten, als wenn es um die gleiche Halle irgendwo in Bayern geht. Regional haben wir hier eine hohe Architektendichte, national und international würden viele gerade hier gern bauen.
Töpfer: Wenn in einem Verfahren projektabhängig Eignungskriterien abgeprüft werden, muss dies gemäß VOF streng verhältnismäßig zu den Anforderungen der jeweiligen Bauaufgabe geschehen. Das gilt im Grunde für alle begrenzt offenen Verfahren. Wenn Sie schon die Teilnehmerzahl beschränken: warum mit fragwürdigen Auswahlverfahren? Viel einfacher wäre es doch, nach der Prüfung von projektbezogenen Mindestkriterien die gewünschte Teilnehmeranzahl per Los aus einem Pool grundsätzlich geeigneter Teilnehmer zu ermitteln.
Ostendorff: Wir können nicht riskieren, dass nach einem Losverfahren schließlich ein zu unerfahrenes Büro den Auftrag erhält. Denn unsere Verwaltungen sehen ganz anders aus als in der legendären Zeit, als Gerkan und Marg als frischgebackene Jungarchitekten den Wettbewerb für den Flughafen Tegel gewannen. Damals stand jungen, unerfahrenen Architekten eine gut ausgestattete Hochbauverwaltung gegenüber, deren Mitarbeiter zum Beispiel sagen konnten: Pass mal auf, ich zeige dir jetzt, wie eine Ausschreibung geht. Heute sind wir darauf angewiesen, dass unsere Architekten all das selbst können.
Mackenrodt: Ich halte das für eine Unterstellung. Eine derartige Pauschalierung wäre weder akzeptabel noch zutreffend. Da zudem Erstlingswerke auffällig oft zu herausragenden Projekten geworden sind, ist zudem nicht zwangsläufig gut, was aus einer Routine heraus gebaut wird.
Ostendorff: Da habe ich andere Erfahrungen. Wenn der Architekt Qualität durchsetzen will, dann muss er einfach wissen, wie eine amtliche Planungsunterlage aussieht, wie die Verwaltung strukturiert ist, wo und wie er in ihr ansetzen kann. Denn sein Gegenüber ist vielleicht ein Projektmanager, wie das so schön heißt, der alles Mögliche studiert haben kann, auch Maschinenbau oder Elektrotechnik. Und mit dem soll der unerfahrene junge Architekt das Projekt machen?
Töpfer: Die Aussage, dass junge Architekten dem Qualitätsanspruch der Berliner Senatsverwaltung generell nicht gerecht werden könnten, ist untragbar. Zudem schließen Sie im Vorfeld ja nicht nur den Nachwuchs aus, sondern Sie sorgen auch dafür, dass regelmäßig bis zu 97 Prozent der geeigneten Kollegen die Teilnahme verwehrt wird.
Ostendorff: Qualitätssicherheit ist für uns sehr wichtig. Wir errichten mit öffentlichem Geld Bauten für öffentliche Nutzungen. Wir haben nicht nur gegenüber den Architekten Verantwortung, sondern in erster Linie gegenüber der Allgemeinheit, die die Bauten finanziert und nutzt. Zugleich haben wir aber keine Zeit für begleitende Betreuung, sondern wir müssen uns darauf verlassen, dass das Projekt läuft. Daniel Kündig, Präsident des Schweizerischen Architekten- und Ingenieurverbands, hat mal gesagt: Wettbewerbe sind für die Bauwerke da, nicht für die Architekten. Qualität kann nicht nur den Entwurf, sondern muss auch die Organisation des Planens und Bauens umfassen, ebenso wie die Zuverlässigkeit und Erfahrung des Büros.
Mackenrodt: Gegen angemessene Kriterien ist überhaupt nichts einzuwenden – es geht konkret darum, dass die Zahl der Wettbewerbsteilnehmer nicht durch überzogene Kriterien auf eine vorab gewünschte Teilnehmerzahl „hingebogen“ wird.
Wie wäre es mit dem Modell Franco Stella? Ich meine nicht die Art, in der er sich Zutritt zum Berliner Schlosswettbewerb verschafft hat. Sondern die Methode, sich als kleines, ortsfremdes Büro hinterher zwei große einheimische Büros zur Unterstützung zu suchen.
Ostendorff: Wer den Zuschlag für das Projekt bekommt, kann andere Büros nur als Subunternehmer beauftragen, nicht als gleichberechtigte Partner. Und das macht normalerweise kein großes Büro bei einem kleinen. Es kommt nur in einem Ausnahmeprojekt wie dem Schloss vor.
Mackenrodt: Von einem Schloss sollte man nicht auf den Alltag schließen. An dem Verfahren ist aber interessant: Die Jury war einstimmig der Meinung, dass ein kleines Büro ohne Referenzen die beste Lösung gefunden hat – und eben nicht eins, das schon drei Schlösser nachweisen kann.
Umstritten bei der Auswahl von Teilnehmern sind auch die oft gewählten Punktetabellen.
Ostendorff: Ich bin glücklicherweise kein Jurist, sondern Architekt. Juristen sagen mir aber, dass unsere Auswahl korrekt ist. Wenn jemand in einem Punkteverfahren auf 995 Punkte kommt, dann darf man ihn dem Konkurrenten mit 994 Punkten vorziehen.
Mackenrodt: Punktetabellen sagen nur in anderen Worten, wen der Auslober diesmal dabeihaben will und wen nicht. Wie der Auslober aber zu seiner Entscheidung gekommen ist oder welche Gründe im Einzelnen zu seiner Punktevergabe geführt haben, wird anhand der Tabelle nicht ersichtlich. Genau das verlangt aber die VOF.
Ostendorff: Unsere Verfahren für beschränkte Wettbewerbe sind sehr transparent, nicht zuletzt durch die Bildung von Auswahlgremien. Diese setzen wir ein, obwohl sie in den 2009 eingeführten RPW-Wettbewerbsrichtlinien nicht mehr vorgeschrieben sind – anders als in den früheren GRW. Dem Gremium gehören mindestens zwei freie Architekten an, die weder teilnehmen noch im Preisgericht sind, sowie drei Vertreter des Auslobers.
Mackenrodt: Das Problem ist die fehlende Anonymität und die mangelhaften Voraussetzungen für eine ernsthafte Gegenüberstellung. Da jedes Referenzprojekt zudem unterschiedliche Hintergründe, Ziele und Lösungen widerspiegelt, ist die Gefahr groß, dass die Bewertung vor allem durch Assoziationen mit dem Namen des dahinterstehenden Büros beeinflusst wird.
Ostendorff: Ein Tipp für kleine Büros: Sie haben in der Auswahl viel größere Chancen, wenn sie sich zu Arbeitsgemeinschaften zusammentun. Es muss sich nicht das große Büro mit dem kleinen verbünden; es können auch kleine mit unterschiedlichen Schwerpunkten sein. Wenn alle Leistungsphasen gefordert sind, kann sich zum Beispiel das Büro, das schon verschiedene Bauleitungen für Schulen und Sporthallen nachgewiesen hat, mit einem anderen zusammentun, das besonders hohe Gestaltungsqualität bietet. Es gibt erfahrene Büros mit mäßiger Entwurfsqualität – und umgekehrt. Leider kommen bisher nur ein bis zwei Prozent aller Bewerbungen von Arbeitsgemeinschaften. Aber viele davon kommen in den Wettbewerb hinein.
Mackenrodt: Die Wettbewerbsinitiative möchte mit den Auslobern primär zu einem konstruktiven Dialog über konkrete Verbesserungen kommen. Sofern die Wiederherstellung des grundlegenden Freiheitsrechts auf Zugang zum Wettbewerb aber nur über den Rechtsweg zu erreichen ist, werden wir uns nicht scheuen, auch diesen Weg zu beschreiten – falls es sein muss, vom Einzelfall bis hin zur EU-Beschwerde.
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für den neubau einer kita in meiner heimatstadt habe ich mit einem kollegen eine arbeitsgemeinschaft im vof-verfahren gebildet.
im beurteilungsgremium fand sich neben den üblichen politikern auch der bürgermeister und eine neue mitarbeiterin der bauverwaltung, die am tag zuvor
(26.10.2011) erst mündlich eingestellt und deren arbeitsvertrag erst am 02.11.2011 begann.
der bürgermeister stellt die frage , warum wir nicht sanitär-fertigzellen aus beton für die
kita einsetzen wollen, das spare erheblich zeit und geld.
der 1. beigeordnete will vorgefertigte wandelemente mit dem kran montiert, wo der
heizkörper schon dran sei, weil so sei es billiger und schneller.
die kollegin die in kooperation mit der akrlp das verfahren vorbereitet hatte sitzt dabei und schweigt. sie hatte eine gewerkeweise vergabe vorgegeben.
der auftrag ging an ein namhaftes büro in der nähe.
begründung (neben den üblichen ausreden …. organisatorische projektumsetzung/
ablaufdarstellung der werk-/detailplanung nicht genügent und ausführlich dargestellt…)
…. die arge hat noch kein gemeinsames projekt realisiert!
ich habe eine mitarbeiterin zum jahresende kündigen müssen.
freundliche grüße alfons keßler
Guten Tag,
da wir ein kleines büro sind, haben wir mit einem kollegen eine arbeitsgemeinschaft gebildet für die gemeinsame teilnahme an einem vof-verfahren.
von öffentlichen bauherren wird dies für kleine büros immer wieder gern empfohlen, um angeblich die chancen bei vof-verfahren auch für die kleinen büros zu erhöhen.
zur verhandlungsphase wurden wir trotzdem nicht zugelassen.
bei der vorauswahl für die zulassung zum verhandlungsverfahren haben wir als arge weniger punkte erreicht als eine einzelbewerbung von unserem büro erreicht hätte, da der kollege in den letzten jahren kein gleichwertiges projekt (schulbau) vorzuweisen hatte. den auftrag erhielt dann nach dem verhandlungsverfahren ein großes büro aus einem anderen bundesland.
ohne weiteren kommentar
MfG B.W.
Ich meine unwidersprochen behaupten zu können, dass mit Einführung der VOF den Architektinnen und Architekten ein grundsätzlich besserer und freierer Zugang zum nationalen und internationalen Wettbewerbsmarkt eröffnet wurde. Profitiert haben davon auch und vor allem Regionen mit einer hohen Architektendichte wie z. B. Berlin, wo Architekten nun auch in Gegenden aktiv werden können, die ihnen in Vor-VOF-Zeiten verschlossen blieben. Damals hat man bei der Festlegung der „Zulassungsbereiche“ durchaus sehr genau überlegt, welche (unerwünschte) Konkurrenz man durch eine intelligente Grenzziehung außen vor lassen konnte. Auch die Kinderkrankheiten der ersten VOF-Regelungen sind mittlerweile überstanden, Wettbewerbe mit mehr als 300 Teilnehmern oder Losverfahren mit über 1000 Beteiligten, die zwar chancengleich, aber unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht mehr zu vermitteln waren, gehören glücklicherweise der Vergangenheit an.
Durch die Integration in die VOF wurde der Planungswettbewerb Teil des europäischen Vergaberechts. Vom Grundsatz her stellt er die gerechteste Form der Vergabe eines Planungs-auftrags dar, weil das Verfahren anonym ist und weil bei der Vergabe ausschließlich auf das konkrete Projekt bezogene Kriterien eine Rolle spielen. Auch gewährleistet der Wettbewerb im Ergebnis eine gestalterisch hochwertige und wirtschaftliche Leistung, weil die auf die konkrete Aufgabenstellung erarbeiteten Beiträge nie solo, sondern immer im Zusammenhang mit zahl-reichen Alternativen beurteilt werden.
Die nun drei Jahre alte Wettbewerbsordnung RPW gibt den Beteiligten am Wettbewerb ein Instrumentarium an die Hand, das es ermöglicht, für jedes in Frage kommende Projekt ein maßgeschneidertes Verfahren vorzubereiten. Im Vordergrund stehen muss hier ein gerechter Interessensausgleich zwischen Auslober und Teilnehmern. Die Verfahren müssen gerecht, chancengleich und ressourcenschonend sein, Aufwand und Ertrag müssen für Auslober wie für die Teilnehmer in einem angemessenen Verhältnis stehen. Hierbei ist klar festzustellen, dass nicht jedem Planungsgegenstand ein offenes Verfahren angemessen ist, darüber waren sich auch die Diskutanten einig. Nur wie gestalte ich ein faires Bewerbungsverfahren? Hier ist Frau Töpfer beizupflichten, die vorschlägt, projektbezogene Mindestkriterien festzulegen (z.B. Referenzen und/oder Wettbewerbserfolge), wer die entsprechende, projektangemessene Schwelle überspringt, landet im Lostopf. Kriterien wie „Anzahl der Mitarbeiter“ oder „Jahresumsatz des Büros“ sollten hier keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielen, auch weil sie sich im Rahmen der Bewertung nur schwer überprüfen lassen. Auslobern, die einen Mangel an „qualifizierten Büros“ im Verfahren befürchten, steht außerdem die Möglichkeit offen, Büros ihres Vertrauens, die die Kriterien erfüllen, als „gesetzte Büros“ ins Verfahren zu nehmen.
Die damit verbundene Auswahl durch Los ist zwar gerecht, sie ist jedoch zufällig und schließt eine hohe Anzahl von ernsthaft interessierten und kompetenten Kolleginnen und Kollegen vom Verfahren aus, andere nehmen aus Gründen des Zufalls auch an „ungeliebten“ Wettbewerben teil. Hier muss man sich fragen, wieso sich der zweiphasige Wettbewerb einer nur geringen Beliebtheit erfreut, er hat auch in der dargestellten Diskussion praktisch keine Rolle gespielt. Gegenüber dem beschränkten Wettbewerb mit Vorauswahlverfahren hat er den grundsätzlichen Vorteil, dass er einem deutlich größeren Kreis von (ernsthaften) Interessenten die Teilnahme am Verfahren ermöglicht, dass der Aufwand für die Teilnehmer deutlich geringer ist als bei den anderen Verfahren und dass während des gesamten Verfahrens bei der Auswahl der besten Arbeiten ausschließlich fachliche und auf den konkreten Planungsgegenstand bezogene Kriterien eine Rolle spielen. Der für die erste Phase immer wieder angeführte hohe personelle und finanzielle Aufwand könnte durch die Begrenzung auf eine lediglich formale Vorprüfung und durch die Jurierung im Rahmen eines personell reduzierten Preisgerichts deutlich verringert werden. Eine solche Vorgehensweise in der ersten Phase würde die Bewerbungsphase eines beschränkt offenen Wettbewerbs ersetzen, mit dem entscheidenden Vorteil, dass bei der Auswahl für die zweite Phase ausschließlich auf den konkreten Planungsgegenstand bezogene Kriterien eine Rolle spielen. Die zweite Wettbewerbsphase kann wie bisher durchgeführt werden, ein Kolloquium findet nur für den Teilnehmerkreis der zweiten Phase statt, es besteht zudem die Möglichkeit, weiterführende Erkenntnisse aus der ersten Wettbewerbsphase noch in das weitere Verfahren einzubringen. Außerdem steht die Möglichkeit offen, das nur in der zweiten Phase ausgeschüttete Preisgeld überwiegend als Aufwandsentschädigung vorzusehen, so dass die verbleibenden Büros für ihren erhöhten Aufwand eine wenn auch geringumfängliche Entschädigung erhalten.
Dieses Vorgehen bietet die Chance eines Wettbewerbsverfahrens, das weg von Referenzen und ggf. Losglück fachliche, am konkreten Planungsgegenstand orientierte Kriterien für den Zugang zum Wettbewerbsverfahren in den Vordergrund stellt. Der 2-phasige Wettbewerb bekäme den Stellenwert, der ihm eigentlich schon bisher aufgrund seiner Zielrichtung und Logik zusteht, weil das Verfahren gerecht ist, den Aufwand für die Teilnehmer überschaubar hält und Büros mit nur geringer Berufserfahrung nicht benachteiligt. Vor allem für städtebauliche und landschaftsarchitektonische Aufgabenstellungen stellt das zweiphasige Verfahren eine ernst zu nehmende Alternative dar, die zukünftig eine breitere Anwendung erfahren sollte.
Die in der Diskussion abschließend von Herrn Mackenroth in den Raum gestellte „EU-Beschwerde“ halte ich für nicht weiterführend. Vielmehr sollte die anstehende Novellierung der RPW dazu genutzt werden, die bestehende Wettbewerbsordnung (endlich) bundesweit zu vereinheitlichen und die Aspekte der Zugänglichkeit zum Verfahren und der Chancengleichheit deutlicher in den Vordergrund zu rücken.
Die aktuelle Regelung zur Teilnahme an Wettbewerben muß dringend im Hinblick auf die Entwicklung der Architekturqualität unter Einbeziehung sämtlicher Potentiale überprüft werden.
Die Vergangenheit hat doch gezeigt, dass das aktuelle System eben nicht zu einer Kostensicherheit oder wirtschaftlichen Lösungen geführt hat.
Dies ist natürlich häufig ein Problem der Besetzung des Preisgerichtes…
In Wettbewerben mit sehr eingrenzenden Vorgaben haben oft die Lösungen gewonnen, die sich über diese Beschränkungen hinweggesetzt haben !!
Preisgerichte haben sich dann gerne darin gesonnt, diesen mutigen Teilnehmer zu würdigen….das enfant terrible hat immer etwas Befreiendes gegenüber den bemühten Lösungen einer eventuellen falschen Vorgabe des Auslobers.
Ich bin sicher, dass es bei einer Öffnung des Wettbewerbswesens nicht zur befürchteten Flut an Einreichungen kommt, da sich dann eben das Engagement mehr verteilt und eben nicht alle an einem Wettbewerb teilnehmen, nur weil er nicht beschränkt ist.
Wichtig ist weiterhin eine Beschränkung der Darstellungsarten.
„Das Blendwerk der Grundrisse“ ist uns ja allen bekannt….die letztlich entscheidenden Preisrichter sind Fachleute und brauchen nicht den aktuellen Animationswust. Es gibt ja schon vereinzelt Bestrebungen hier eine vereinfachte Darstellungsart durchzusetzen.
Interessant sind dann noch die 2-stufigen Wettbewerbe, die ja auch den Aufwand für die Teilnehmer deutlich reduzieren.
Hinsichtlich der Bewertung der Wirtschaftlichkeit sind letztlich die Fachpreisrichter gefragt.
In den meisten größern Aufträgen sind die Leistungsphasen z.T. auf 3 Architekturbüros verteilt, da diese dann in ihren Kernkompetenzen arbeiten.
Es ist ja nicht das generelle Problem von jungen Büros, dass sie nicht alle LP kompetent vertreten können. Ich bin mir sicher, dass in dieser -gängigen -Arbeitsverteilung erst wirkliche Kompetenzen gebündelt werden können.
Das Wettbewerbswesen in seiner jetzigen Form ist zum Scheitern verurteilt, da es sich nicht der vorhandenen Kompetenzen bedient sondern lediglich einem vermeintlichen Schutzmechanismus folgt.
Dass diese vermeintliche Sicherheit letzltich keine ist, hat sich ja oft genug gezeigt!
Ralph Königs, Aachen