Von Roland Stimpel
Frankfurts Wohnquartier New Atterberry ist vor allem brav. Auf dem einstigen Militärgelände hat ein Bauträger knapp tausend Wohnungen und Eigenheime in wenigen Typen errichtet, praktisch alle in grauem Putz oder rotem Klinker. Da hebt sich die nicht ganz so brave Kita angenehm ab, gebaut von der Stadt und entworfen vom örtlichen Büro dirsch.federle architekten. Wenigstens ein Haus im Einheitsquartier, dass sich ein bisschen was traut. In dem aber der Gestaltungsmut nicht in skulptural-ikonografischen Selbstzweck ausgeartet ist, sondern zweckdienlich-kinderfreundlich wirkt.
Schon das Fassadenmuster empfängt freundlich. Es besteht aus Figuren, wie sie in Kitas gern gebastelt werden: Man faltet Papier vielfach zusammen, schneidet ein Muster aus und entfaltet das Ganze zu einer langen Kette gleicher Elemente. Hier ist es aufgetragener Putz, geformt zu abstrahierten Umrissen händchenhaltender Kinder. Das ungewöhnliche Element prägt zudem das Raster für die Fensterumrahmungen.
Einladend ist auch das dreieckige Vordach, das sich auf eine großzügig-unfunktionale, doch der Baukörperform wohltuende Mauer stützt.Ddrinnen ist der Umgang mit Raum und Fläche ebenfalls recht großzügig. Es gibt ein luftiges Treppenhaus-Foyer und auch im Erdgeschoss angenehme Helligkeit. Hierfür leistet sich das Haus drei Lichthöfe, die im Obergeschoss etwas Fläche kosten. Das schafft Großzügigkeit, ist aber auch gelebte Raumökonomie: Anders wäre kein bis zu 20 Meter breites Gebäude mit tagesbelichteten Fluren möglich gewesen.
Das Organisationsprinzip ist einfach: Von jedem Flur gehen auf der Nordseite diverse Nutz- und Mehrzweckräume ab und auf der Südseite pro Etage drei Gruppenbereiche. Jeder von ihnen besteht seinerseits aus zwei bis drei recht flexibel nutzbaren Räumen plus Sanitärraum. Wände und Decken haben Gelb- und Grüntöne – allerdings nur so leicht variiert, dass eine unterscheidende Benennung zumindest Kindern schwerfällt. Dafür mussten Kita-übliche Symbole wie Tiere, Sonne und Mond her.
Die Kita wuchs in der Planung – ihr Grundstück nicht
In den Erdgeschossräumen sind die Kleinen im Alter bis drei Jahre untergebracht, oben die Größeren bis sechs Jahre. Da das Ganze nach Frankfurts öko-konsequenten Bauvorschriften ein Passivhaus ist, sind die drei versprungenen Südfassaden voll verglast. Das freilich um den beim Haustyp üblichen Preis, dass die Jalousie rigide fallen muss, wenn die liebe Sonne besonders kräftig scheint.
Draußen langweilt jedoch das Einheitsquartier. Und vor dem schönen Bau kommt auch in dieser Kita nicht nur Heiterkeit auf. Zwar hat jede Gruppe ihre Terrasse. Doch um zu Boden zu kommen, müssen die größeren Kinder dann über eine der drei wuchtigen Außentreppen gehen, die die Schmalseiten des Baus allzu sehr dominieren. Die Spielflächen, ohnehin zwischen Haus und Zaun eingeklemmt, erscheinen so noch kläglicher, als sie ohnehin schon sind. Da reicht es gerade für eine kümmerliche runde Sandkiste und ein hölzernes Spielhüttchen, dessen Winzigkeit jeder Tierzuchtverein als Verstoß gegen das Hunderecht anprangern würde.
Hier müssen nun Generationen kleiner Kinder damit aufwachsen, dass die Stadt erst nur eine kleine Kita plante und dann auf dem gegebenen Grundstück weit mehr Kinder betreut haben wollte. Da war es für ein größeres Grundstück zu spät. Auf einem Großteil des Freiraums ringsum muss schließlich ein angeblich viel wichtigeres Bedürfnis der benachbarten Papas, Mamas und Kinderlosen befriedigt werden: Auch in diesem Neubauquartier dient ein Großteil der Freiräume zum Parken statt als Spielpark. 11,5 Quadratmeter fürs Auto schreibt Frankfurts Stellplatz-Satzung pro neue Wohnung vor. Rechnet man die Freifläche unmittelbar vor den Gruppenräumen auf die drinnen betreuten Kinder um, ergibt das für jedes fünf Quadratmeter.
Drinnen anregend, ringsum steril
Man spielt auf dem Präsentierteller nahe dem Metallzaun, auf weitgehend versiegeltem Grund. Wenigstens ist das südliche Drittel des Geländes luftiger und offener. Hier trösten auch ein paar ausgewachsene Bäume. Der Weinheimer Landschaftsarchitekt Michael Palm hat getan, was auf dem knappen Raum möglich war, und sogar eine schön geschwungene Bobbycar-Bahn angelegt.
Ein klein wenig forschen können die Kinder nur in den Mulchzonen an der Böschung direkt am Zaun, die eigentlich nicht zum Spielen konzipiert wurden. Eine kreisrunde Rasenfläche in der Mitte bleibt dagegen leer, als Versammlungsplatz im Brandfall. So anregend das Haus im Inneren sein mag: Draußen müssen sich die Kinder trotz aller architektonischen Bemühungen damit arrangieren, dass sie in einer konventionell-sterilen Gegend aufwachsen.