Von Jürgen Tietz
Rund um den Arkonaplatz im Berliner Bezirk Mitte ist von der Überalterung der deutschen Gesellschaft wenig zu spüren. Es ist ein Kiez im Umbruch, den die Gentrifizierung fest im Griff hat. In den letzten Jahren sind zwischen Bernauer und Schwedter Straße zahlreiche Wohnneubauten entstanden; erst jüngst wurde die Wohnanlage „Marthashof“ nach dem Entwurf von Grüntuch und Ernst fertiggestellt. Und weil in der trendigen Umgebung besonders gerne junge Familien wohnen, herrscht hier kein Kindermangel. Daher wurde der angejahrte doppelgeschossige DDR-Typenbau einer Kita in der Fürstenberger Straße nicht nur umgebaut, sondern auch gleich erweitert. Den Entwurf dazu lieferte das Berliner Architekturbüro Anderhalten Architekten (Entwurf Claus Anderhalten, Anna-Katharina Neff, Projektleiter Wolfgang Schöning). In nur elf Monaten Bauzeit ist an die Stelle der beige-grauen DDR-Kita-Maus eine reizvolle Etude in lichten Grün- und Weißtönen getreten. Und das trotz des knappen Budgets von 3,35 Millionen Euro. Die deutlichste Veränderung zur Fürstenberger Straße hin zeigt das neue Eingangsbauwerk, das sich an den aufgepeppten Altbau anschließt. Mit seinen runden Fenstern ragt der holzverkleidete Kubus markant in den Stadtraum. Er dient als Empfang und Verteilerhalle für die bis zu 180 Kita-Kinder, weshalb natürlich auch genügend Kinderwagenparkplätze im Abstellraum nötig sind.
Im Obergeschoss des Entrees liegt eines der beiden „Kinderrestaurants“. Außerhalb der Essenszeiten kann der großzügige Raum auch zum Spielen, für Vorführungen oder Elternversammlungen genutzt werden. Eine Schiebetür, die aus der Wand fährt, wird dann für den Beamer zur Präsentationsfläche der Fotos vom letzten Kitaausflug.
Wachstumsfördernde Räume
Zur Straße hin präsentiert sich der aufgefrischte Altbau in strahlendem Weiß; die kleinen Fenster wurden durch grüne Blechpaneele bandartig zusammengefasst, der Dachüberstand gekappt. So wirkt er von außen jünger, als er im Inneren sein kann: Durch das neue Erschließungsbauwerk konnte das mittig liegende alte Haupttreppenhaus mit einer neuen Betontreppe an die veränderte Wegeführung angepasst werden. Die vorgelagerte Metallkonstruktion des zweiten Fluchtwegs ist zwar nicht schön, wurde aber aus Funktions- und Kostengründen aus dem Bestand übernommen. Die schmalen Flure wirken allerdings beengend. Damit die Kinder aus den hoch in der Wand platzierten Fenstern der Straßenseite hinausschauen können, haben Anderhalten Architekten ein Podest eingebaut, unter dem sich zusätzlicher Stauraum verbirgt. Insgesamt haben sie einen erfrischend klaren Umbau realisiert. Türen sind für die jungen Nutzer eindeutig zugeordnet: grüne sind für die Kinder, weiße Türen (etwa zu Neben- und Funktionsräumen) für die Erwachsenen.
Ihre besonderen Qualitäten entfaltet die Kita durch den ebenfalls doppelgeschossigen Neubauriegel, der sich der Eingangshalle anschließt. Er erschließt die Tiefe des Grundstücks, sodass insgesamt eine L-förmige Gebäudefigur entsteht. Im Obergeschoss kragen drei holzverkleidete Boxen mit großen Fensterflächen über dem Sockelgeschoss aus und verleihen dem langgestreckten Haus eine kammartige Struktur. Die Gruppenräume sind jeweils zu dem weiten Spielplatz mit seinem alten Baumbestand hin orientiert.
Zwischen den drei Holzboxen haben die Architekten offene Terrassen mit grünem Tartanbelag angeordnet, auf denen die Kindergruppen toben können. Metalltreppen führen direkt zum gemeinsamen Spielplatz hinab. Im Sockelgeschoss schaffen die hochrechteckigen grünen Wandpaneele einen direkten Bezug zur Farbgestaltung im Inneren der Kita. Während das Untergeschoss den kleineren Kindern der Krippe vorbehalten ist, haben die älteren im Obergeschoss ihren Platz: Dort sind jeweils ein größerer und ein kleiner Gruppenraum als Funktionseinheiten gekoppelt. Beides sind lichte, zu zwei Seiten verglaste Räume, die von den Erziehern thematisch bespielt werden. Erschlossen werden sie von dem lang gestreckten zentralen Flur aus, der in einer wandgroßen Verglasung endet. So wird die Kita als räumliche Einheit für die Kinder erfahrbar und zugleich in die baumbestandene Umgebung eingebunden.
Zudem erhält sie viel natürliches Licht, auch durch die Aufweitung des Flurs gegenüber den Terrassen zu kleineren „Zwischen“-Räumen. Hier hat größerformatiges Spielzeug seinen Platz. In den Sanitärräumen reichte es nur zur Standardausstattung; immerhin durften Anderhalten Architekten ein schönes Pflege- und Wickelmöbel entwerfen.
In der klaren Struktur ihrer Kita setzen die Architekten mit der Detailgestaltung sowie der ungewöhnlichen grün-weißen Farbregie gelungene Akzente. Zugleich lässt die Architektur dem Nutzer genügend Freiraum für seine pädagogische Praxis. Das Ergebnis ist ein Haus, das mit spielerischer Leichtigkeit daherkommt, ohne verspielt zu sein.
Dr. Jürgen Tietz ist Kunsthistoriker und Journalist in Berlin.