Kaum ein Thema erregt die Gemüter von Architekten so wie das der öffentlichen Auftragsvergabe. Man braucht es nur anzutippen – und schon erhebt sich ein Tsunami der Empörung über bürokratische Verfahren, intransparente Auswahlkriterien, überzogene Anforderungen an Referenzen und die sogenannte Leistungsfähigkeit. Da ist es höchst bemerkenswert, dass die EU-Kommission in ihren jüngsten Entwurf zur Novellierung der Vergaberichtlinie einen Passus aufgenommen hat, der eine strikte Verhältnismäßigkeit zwischen den Anforderungen an die Bewerber und dem zu vergebenden Auftrag vorschreibt.
Damit reagiert Brüssel nicht zuletzt auf Forderungen von Bundesarchitektenkammer und ACE (Architects Council of Europe), die faktische Benachteiligung von kleineren Büros und Berufseinsteigern bei der Vergabe wenn nicht aufzuheben, so doch wenigstens deutlich abzumildern. Mehr noch: Die Kommission ermutigt den Berufsstand ausdrücklich, praktikable Lösungen vorzuschlagen, um den Architektenwettbewerb als Regelverfahren bei Planungsaufträgen in der Richtlinie zu verankern.
Erfolge wie diese, wenn auch noch nicht bis zum Ende durchgekämpft und noch lange nicht in deut-sches Vergaberecht umgesetzt, sind Ermutigung für jene, die in der Berufspolitik das ebenso weite wie steinige Feld der internationalen Arbeit beackern. Auf europäischer Ebene geht es oft einfach nur darum, Schädliches zu verhindern – wie etwa die Abschaffung von Qualifikationsniveaus in der Berufsanerkennungsrichtlinie, was im schlimmsten Fall dazu führen könnte, dass jemand ohne einschlägige Ausbildung als Stadtplaner oder Architekt bei der Kammer eingetragen werden müsste. Oder denken wir an die europäische Normung. Ein offener Binnenmarkt braucht europaweite Mindeststandards. Zugleich muss aber der Einfluss von mächtigen Interessengruppen begrenzt werden, die alles normieren wollen, was ihren Produkten dient – auf Kosten von Vielfalt und Individualität.
Alles recht trockene Themen, die meist in engen Beratungszimmern mit der charmanten Ausstattung von Arbeitsämtern aus den 1970er-Jahren verhandelt werden. Kann man in solcher Atmosphäre das ansprechen, was uns eigentlich wichtig ist? Gute Architektur? Die Lebensqualität in unseren Städten? Man kann. Ja, man muss! Wenn wir über Architektur und Stadtplanung reden, geht es um nicht weniger als die soziale, wirtschaftliche und ökologische Zukunft von Städten und Regionen. Das ist politisch vermittelbar. Weit über die Interessenvertretung eines im Weltmaßstab eher kleinen Berufsstandes hinaus. Das ist übrigens auch der Grund, weshalb wir uns in so sperrigen Organisationen wie der UIA (Union Internationale des Architectes) engagieren oder auf Architekturbiennalen rund um den Globus Präsenz zeigen. Deutsche Architekturqualität und Planungskompetenz genießen einen guten Ruf. Unser Know-how im ganzheitlichen Ansatz bei der Betrachtung von Nachhaltigkeit ist unbestritten. Was wir in den letzten Jahren in Sachen Architekturvermittlung auf die Beine gestellt haben, ist zum weltweiten Exportschlager geworden. Wir verfügen über ein kollegiales Netzwerk, das sich der Lösung von Problemen in allen Teilen der Welt widmet: von der Pflege des kulturellen Erbes bis zur Vorbeugung gegen Katastrophen. Dies sind Kompetenzen, die uns zum gefragten Gesprächspartner für Politik auf allen Ebenen machen: in Europa, global und letztlich auch im eigenen Land. Nur so können wir für die richtigen Rahmenbedingungen sorgen, um unseren Beruf in seiner vollen Verantwortung erfolgreich auszuüben.
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