Das Münchner Büro Landau + Kindelbacher gehört zu den Großen des Fachs. Von Hotels über Arztpraxen bis hin zu Vorstandsetagen, Villen und Verwaltungsgebäuden hat das etwa 50-köpfige Team rund um die Gründer Gerhard Landau und Ludwig Kindelbacher praktisch alles realisiert, was an Bauaufgaben in der Innenarchitektur anfällt. Am Telefon kommen wir mit Gerhard Landau über bürointerne Arbeitsteilung, akademisches Schubladendenken und die Vorzüge kaufmännischer Angestellter ins Plaudern.
Herr Landau, Ihr Büro bietet sowohl Hochbau- als auch Innenarchitekturleistungen an. Wie ist das Zahlenverhältnis zwischen Innen- und Hochbauarchitekten?
Ziemlich genau Fifty-fifty. Doch ich will gleich dazu sagen: Ich differenziere da nicht gern und bin auch kein Freund von diesem Abgrenzungswahnsinn. Die Arbeitsteilung bei uns im Büro ist sehr hoch.
Wie muss ich das verstehen?
Wir haben zum Beispiel keine getrennten Wettbewerbs-, Entwurfs- oder Ausschreibungsabteilungen. Das würde unserer Idee der Ganzheitlichkeit widersprechen. Ich weiß, das ist eine wirtschaftliche Gratwanderung. Aber wer bei uns arbeitet, ist „Vollarchitekt“. Der kann einen Entwurf erarbeiten, weiß, wie man eine Ausschreibung macht oder einen Wettbewerb angeht. Und auch diese scharfe Trennung von Innenarchitektur und Hochbau gibt es bei uns nicht.
Wie finden Sie mit einem so hohen Allround-Anspruch überhaupt Mitstreiter?
Die Rekrutierung ist durchaus kompliziert, denn Leute, die bereit sind, als Generalisten zu arbeiten, sind schwer zu finden. Das ist auch durchaus als Kritik an den Hochschulen zu verstehen. Dort werden keine ganzheitlich denkenden Architekten ausgebildet, sondern nur Spezialisten für bestimmte Schubladen. Im Prinzip durchlaufen neue Mitarbeiter, die frisch von der Hochschule kommen, bei uns ein etwa vier Jahre dauerndes „Training on the Job“. Erst dann haben sie alle Kompetenzen, die sie für die Aufgaben hier brauchen. Und was nicht ganz unwichtig ist: Unsere Mitarbeiterzufriedenheit ist ausgesprochen hoch.
Ihr Büro kann auf ein sehr vielfältiges Portfolio verweisen. Sie realisieren in der Innenarchitektur nahezu alles, was man sich vorstellen kann – und kommen dabei ohne Spezialisten aus?
Wir haben eine relativ ausgeprägte Bürohierarchie entwickelt, bei der die Verantwortlichkeiten sehr klar verteilt sind. Die jeweiligen Büroleiter sind jeweils Spezialisten auf einem Gebiet, also Experten für Museumsbau, Office- oder Hotel- Design. Ohne diese sehr speziellen Kenntnisse würde es ja auch gar nicht mehr funktionieren – allein, wenn man bedenkt, mit wie viel neuen Technologien, Materialien und Verarbeitungsmöglichkeiten man heute in der Innenarchitektur zu tun hat, und auch, welche Nutzungsansprüche an Räume gestellt werden. Da ist Spezialwissen unverzichtbar. Nicht nur die Bauherren erwarten diese Kompetenzen – sie sind auch für die Arbeit mit externen Fachplanern wie Akustik- oder Lichtplanern wichtig.
Arbeiten bei Ihnen auch Nicht-Architekten?
Wir haben seit 2007 eine kaufmännische Fachkraft eingestellt, die für die wirtschaftliche Leitung zuständig ist. Das ist eine unglaubliche Erleichterung. So können wir uns bei Gesprächen mit den Bauherren ganz auf die fachliche Komponente konzentrieren, während Vertragsangelegenheiten von einem kompetenten Gegenüber abgewickelt werden.
Die Innenarchitektur galt über lange Zeit als nachgeordnete Disziplin, die dann zum Einsatz kam, wenn die Kollegen vom Hochbau fertig waren. Ist das heute immer noch der Fall?
Da hat ein gewisses Umdenken stattgefunden. Früher beschränkte sich die Aufgabe des Innenarchitekten ja darauf, Stäbchenparkett zu verlegen. (Lacht.) Noch vor gut zehn Jahren war die Architektur insgesamt sehr fassadenlastig. Da wollten sich die Bauherren vor allem über die Außenerscheinung ihrer Gebäude präsentieren. Inzwischen wird viel Wert auf die kohärente Gestaltung von Innenräumen gelegt, die aufwendig zu Erlebniswelten aufgerüstet werden. Dieser Wandel hat meines Erachtens mit dem gewachsenen Bewusstsein für Designfragen zu tun, das sich in den vergangenen Jahren stark entwickelt hat. Innenraumqualitäten sind heutzutage ein Verkaufsargument.
Haben Sie als großes Büro einen Vorteil gegenüber den vielen kleinen, spezialisierten Innenarchitekturbüros?
Der Vorteil eines Büros mit unserer Größe ist sicher die Vielfalt der Erfahrungen, aus denen sich kreative Impulse auch über die einzelnen Abteilungen hinweg schlagen lassen. Unsere Entwürfe sind ganzheitliche Entwicklungen, bei denen Hochbauarchitekten und Innenarchitekten von Anfang an zusammenarbeiten. Wir können Bauherren, für die wir ein Gebäude planen, auch in Fragen der Innenarchitektur kompetent zur Seite stehen. So gibt es zunehmend Aufträge, bei denen wir, beispielsweise bei Hotels, nicht nur das Gebäude und die Innenräume entwerfen, sondern auch die Ausstattung – bis ins kleinste Detail.
Aber irgendwann haben Sie doch auch mal klein angefangen, oder?
Mein Partner Ludwig Kindelbacher und ich haben das Büro im Jahr 1994 in der Münchner Innenstadt gegründet, wo wir bis heute sitzen. Gleich unser erster Innenarchitekturentwurf, übrigens eine Arztpraxis, wurde ausgezeichnet. Es folgten noch weitere Preise, die für uns als junges Büro außerordentlich förderlich waren.
Gibt es denn zwischen Ihnen und Herrn Kindelbacher eine Art Arbeitsteilung?
Ja, die gibt’s. Und sie ist wahrscheinlich auch das Geheimnis unserer guten Zusammenarbeit. Ich bin für die Leistungsphasen I bis IV zuständig und Ludwig Kindelbacher für V bis IX. Wir wissen, wo die eigenen und wo die Stärken des jeweils anderen liegen und sind uns da noch nie in die Quere gekommen.
Das Gespräch führte Cornelia Dörries.