Herr Eller, unter Ihren 50 Mitarbeitern sind ziemlich genau zur Hälfte Frauen – darunter einige junge Mütter. Wie funktioniert das?
Es gibt gar keine klare Strategie, aber ein klares Ziel: Ich möchte gute Mitarbeiter – egal ob Frauen oder Männer – unbedingt halten. Dazu zählen auch die jungen Mütter, die durch ihr Neugeborenes natürlich erst einmal andere Prioritäten im Leben setzen. Doch wenn ich als Chef flexibel bin, dann geht uns deren wertvolle Arbeitskraft nicht verloren.
Worin zeigt sich Ihre Flexibilität?
Es gibt ganz unterschiedliche Zeitmodelle, in denen die jungen Mütter bei uns arbeiten können. Meist tun sie es halbtags. Manche sind an bestimmten Wochentagen volltags im Einsatz und an den übrigen nur für das Kind da. Andere kommen zwei Stunden pro Tag ins Büro und arbeiten zu Hause weiter. Da müssen Sie als Chef einfach mal Vertrauen haben.
Aber wie klappt es in der Praxis, wenn ein Entwurf noch nicht fertig ist, die Abgabe immer näher rückt und eigentlich eine Nachtschicht nötig wäre?
Solche Situationen vermeiden wir von vornherein. Die Eltern mit besonderen Arbeitszeitmodellen bekommen auch dementsprechend passende Aufgaben, für die ich ebenfalls Mitarbeiter mit viel Erfahrung benötige. Eine Projektleitung an einem Vier-Stunden-Tag zu stemmen, wäre meist eine Herkulesaufgabe. Doch die Stellvertretung ist oft eine gute Möglichkeit, oder das Bearbeiten von Ausschreibungen mit einem passenden zeitlichen Umfang. Manche Kolleginnen betreuen auch einzelne Teilbereiche bei Projekten, wie den Innenausbau und die Fassadenplanung. Oder sie kümmern sich um die Öffentlichkeitsarbeit und die Akquise. Und egal, worum es geht: Mir ist es wichtiger, dass die Mitarbeiter die gemeinsam definierten Ziele in einem bestimmten Zeitraum erreichen, als dass sie nach Stechuhr im Büro anwesend sind.
Nehmen die Mitarbeiterinnen Ihr Angebot an?
Immer häufiger. Am Anfang ist es ihnen teilweise sehr schwer gefallen, zum Beispiel mittags einfach zu gehen, wenn die Kollegen noch mitten in dem dringenden Projekt steckten. Da mussten alle Seiten lernen, dass das so jetzt in Ordnung ist. Als der erste Mann zu mir kam und seine dreimonatige Elternzeit ankündigte, war ich auch erst einmal überrumpelt. Mittlerweile haben wir alle ein großes Maß an Verständnis entwickelt.
Das klingt ja fast zu schön, um wahr zu sein.
Viele Kollegen aus unserer Branche haben mir vorher auch gesagt, das gehe nicht. Doch ich stehe auf dem Standpunkt: Wenn wir das wirklich wollen, dann finden wir auch für jede Mitarbeiterin mit Kind eine sinnvolle Beschäftigung, die unser Büro weiter nach vorn bringt. Bisher habe ich damit recht behalten.
Und wenn kurzfristig die Betreuung für das Kind ausfällt, Sie aber dringend mit der Mutter oder dem Vater sprechen müssen …
… dann bringt sie oder er den Nachwuchs halt mit in unser Büro. Man mag denken, das störe die konzentrierte Stimmung im Büro. Doch gerade das Gegenteil ist der Fall: Es tut gut, denn es holt uns mal wieder runter und sorgt für Erheiterung. Die Kinder malen mit den bunten Stiften auf alten Plänen oder turnen durch die Gänge. Währenddessen achten Kollegen auf sie und ich kann mit dem Mitarbeiter in Ruhe reden.
Wie oft kommt das vor?
Immer mal wieder. Bei längeren Betreuungsengpässen oder kranken Kindern erwarte ich aber auch, dass mein Angestellter seinen Partner mit in die elterlichen Pflichten nimmt und sie sich somit die Aufgabe teilen.
Wieso warten Sie nicht einfach, bis die angestellten Mütter wieder völlig flexibel einsetzbar ist?
Wer zwei bis drei Jahre komplett außen vor wäre, würde leicht den Anschluss verpassen. Und ich müsste jemand Neues suchen, ihn einarbeiten und könnte ihn nur für wenige Monate befristet einstellen. Zudem hätten wir schnell deutlich weniger weibliche Angestellte im Büro, was ich keinesfalls möchte. Ich schätze ihre Art und ihren Umgang mit Kunden. Unsere Architektinnen behalten leicht den Überblick über komplexe Projekte und nehmen sich bei Hahnenkämpfen meist geschickt zurück. Sie brauchen dieses Kräftemessen einfach nicht. Trotzdem haben sie den vollen Respekt bei unseren Kunden und Partnern. Auf diese Kompetenzen will und kann ich nicht verzichten.
Das Interview führte Nils Hille.
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