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Besitzerstolz

Warum Bauherren am Tag der Architektur wildfremde Menschen in ihre Häuser einladen

31.05.20126 Min. Kommentar schreiben
Druck-Eindrücke: Im Rüsselsheimer Druckzentrum Rhein Main (BM+P Generalplaner, Düsseldorf) entstehen Zeitungen für die Region – Grund genug, es für 800 Besucher zu öffnen.

Text: Christoph Bodenbach

Zu Dutzenden, manchmal sogar zu Hunderten strömen Besucher am Tag der Architektur durch Einfamilienhäuser, Bürobauten, Gärten oder Schulen. Für die Bewohner, Eigentümer und dauernden Benutzer der Häuser scheint das eine Zumutung zu sein – und doch öffnen jedes Jahr rund 1.500 Bauherren gern ihre Tore. Was bringt sie dazu, Scharen fremder Menschen in ihre Häuser und Gärten zu locken?
Auffällig oft machen es staatliche Bauherren. Das stellt Isabella Göring fest, die das Projekt „Tag der Architektur“ bei der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen leitet: „In diesem Jahr haben wir außergewöhnlich viele Projekte von öffentlichen Auftraggebern dabei. Die profitieren natürlich enorm von diesem Tag, denn an ihm können die Bauherrenvertreter von Land, Stadt oder Kommune ihren Beitrag zur Baukultur konkret dokumentieren.“

Nehmen Sie Platz. Bei den Führungen erleben die Besucher Räume, die ihnen sonst verschlossen bleiben.

Das bestätigt Wieland Kämpfe, selbst Architekt beim Bau- und Liegenschaftsmanagement Sachsen-Anhalt. Als Bauherrenvertreter ist er unter anderem für die Herrichtung der Fachhochschule Polizei in Aschersleben verantwortlich. Dort waren gleich vier Architekturbüros beteiligt (Gardzella, Brezinski, Hahne & Saar, Steinblock); das Ergebnis kann am 23. Juni 2012 besichtigt werden. Wieland Kämpfe: „Der öffentliche Bauherr ist neben der Einhaltung des Grundsatzes von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit auch verpflichtet, durch beispielgebende, vorbildliche Architektur einen Beitrag zur Baukultur zu leisten und dies auch der Öffentlichkeit zu präsentieren. Wir können am Tag der Architektur über das öffentliche Bauen informieren. Und wir können zeigen, dass der öffentliche Immobilienbestand am besten und wirtschaftlich unterhalten, erneuert und erweitert werden kann, wenn eine starke, fachkompetente und leistungsfähige öffentliche Bauverwaltung im Zusammenspiel mit freischaffenden Architekten und Ingenieuren agiert.“

Mundpropaganda für den Zahnarzt

Aber auch gewerbliche Bauherren, die manchmal dem Verdacht unterliegen, nur der Renditeoptimierung verpflichtet zu sein, zeigen mit ihren Projekten, wie man sich mit städtebaulicher und architektonischer Qualität erfolgreich von anderen Unternehmen abhebt. Keine Frage: Besonders für Bauherren kommerziell genutzter Bauten ist die Teilnahme am Tag der Architektur interessant. Viele Firmeninhaber und Freiberufler haben längst erkannt, dass der Mehrwert Architektur für ihr Unternehmen ein Marketinginstrument ist.
Martin Ullner, Zahnarzt in Hochheim am Main und selbst begeisterter Besucher beim Tag der Architektur: „Für uns Zahnärzte ist Mundpropaganda die beste Werbung. Und neben guter Arbeit spielen dafür auch die Räumlichkeiten eine große Rolle.“ Seinem Architekten Karl R. Gold gelang es, Räume zu schaffen, die Ängste nehmen und positive Gefühle unterstützen. Die alten und neuen Patienten waren am Tag der Architektur 2011 ebenso begeistert wie die vielen Interessierten.
Auch Produktionshallen werden gelegentlich in hoher architektonischer Qualität errichtet, um damit beispielsweise den innovativen und professionellen Charakter des Unternehmens zu dokumentieren. So präsentierte 2011 zum Beispiel das Druckzentrum Rhein Main seine neue Druckerei in Rüsselsheim (Architekten: BM+P Generalplaner GmbH, Düsseldorf). Über 800 Besucher meldeten sich zu den geführten Besichtigungen an und nahmen dabei gerne die im Haus produzierten Tageszeitungen mit.
Überrascht war der Innenarchitekt Klaus Kischlat in Kronberg. Er arbeitet dort für ein Objektmöbelhaus, das 2011 seinen Showroom in einer alten Lokhalle fürs Publikum öffnete: „Wir haben mit dieser Resonanz nicht gerechnet und uns umso mehr gefreut, dass der Tag der Architektur ein so kräftiger Publikumsmagnet ist.“ Das freute auch die für die Planung verantwortlichen Grabowski Architekten. Ein ähnliches Erlebnis hatte Jürgen Herrmann, Eigentümer der denkmalgeschützten „Alten Brauerei“ in Mannheim. Für ihn plante der dortige Architekt Andreas Schmucker. Herrmann ist begeistert vom neuen alten Haus und der Möglichkeit, es am Tag der Architektur vorzustellen: „Dazu musste man mich nicht überreden. Die Lage des Gebäudes und sein Denkmalstatus sorgen immer wieder für Interesse in der Bevölkerung. Durch die Zusammenarbeit mit dem Architekten habe ich selbst viel über den Umgang mit Bestandsgebäuden gelernt. Dieses Wissen gebe ich gerne weiter.“
Kuchen, Lifemusik und Besuch auf Socken
Bleiben die privaten Bauherren. Man könnte annehmen, dass sie am stärksten davor zurückschrecken, ihre Türen interessierten, aber eben meist fremden Menschen zu öffnen. Immerhin geben sie Einblick in ihr Privatestes. Aber nach der oftmals strapaziösen und spannenden Bauphase genießen viele Bauherren die positive Resonanz, die ihnen von den Besuchern entgegen gebracht wird. Architekt und Bauherr können gemeinsam auf das fertige Werk blicken und noch einmal die Entstehungsgeschichte resümieren. Isabella Göring: „Das sind oft sehr wertvolle und schöne Erfahrungen, die man an diesem Wochenende mit der Familie, den Beteiligten und den Gästen machen darf. Einige Hauseigentümer geben sich sehr viel Mühe und stellen sogar Getränke und Kuchen bereit; auch regelrechte Feste mit Livemusik hatten wir schon. Da versteht selbstverständlich jeder Besucher, dass nicht alle Räume zugänglich sind und dass man vielleicht auch seine Schuhe draußen lässt, zumal bei Regenwetter.“ Andrei Kramer und seiner Familie steht diese Erfahrung noch bevor. Sie nehmen mit ihrem von stereoraum Architekten aus Wörrstadt geplanten Einfamilienhaus in Nierstein am diesjährigen Tag der Architektur in Rheinland-Pfalz teil: „Unser Haus ist mit viel Freude zum Detail und mit großer Achtsamkeit auf unsere individuellen Bedürfnisse geplant worden. Dies spiegelt sich in seiner Größe, Lage, Konzeption, seinem Stil und sogar im Rahmen der Energiesparmaßnahmen wider. Wir freuen uns, es zusammen mit unseren Architekten vorstellen zu dürfen.“
Was auch immer die Bauherren oder die Nutzer mit den ausgewählten Gebäuden verbindet, ob mit professioneller Distanz oder emotionaler Bindung: Sie alle können am Tag der Architektur gemeinsam mit ihren Architekten stolz auf ihr gelungenes Projekt schauen. Und das ist für alle Beteiligten eine Menge.

Christof Bodenbach ist Redakteur der Hessen-Seiten des Deutschen Architektenblatts und Pressesprecher der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen.


Magnet Baukultur

Die Attraktivität des Tages der Architektur belegt eine Besucherbefragung von 2010 der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen (AKH). Die wichtigsten Gründe für den Besuch des Tags der Architektur sind danach das „Interesse an Architektur und Baukultur allgemein“ (68 Prozent), das „Interesse an diesem speziellen Objekt“ (57 Prozent) und die „Bekanntheit des Architekten“ (22 Prozent). Etwa ein Fünftel der Befragten (17 Prozent) gab als Grund des Besuchs an, in der Nachbarschaft zu wohnen. Immerhin 14 Prozent der Gäste besuchten das Objekt explizit aus Informationsgründen, da sie selbst bauen möchten. Knapp jeder zehnte Besucher kannte den Eigentümer des Objekts persönlich. Lediglich fünf Prozent der Besucherinnen und Besucher gaben als Grund der Besichtigung an, vorwiegend eine interessierte Person zu begleiten.

Mehr zur Umfrage finden Sie hier.

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