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Gut abspeichern

Serie Heiz- und Klimatechnik, Teil IV: Energie aus regenerativen Quellen braucht Speicher. Hierfür eignen sich Gebäude gut – vor allem, wenn sie von vornherein entsprechend geplant sind

31.07.20129 Min. Kommentar schreiben
Kleines Kraftwerk: Das Netto-Plusenergiegebäude „Berghalde“ mit ­E-Mobilität ist auch mit einem Stromlast-Management ausgestattet. Architekt: Berschneider + Berschneider; Monitoring Energiemanagement: Institut für Gebäude- und Solartechnik der TU Braunschweig

Text: Thomas Wilken, Lars Altendorf

Die Rechnung ist eigentlich ganz einfach: Wenn in den Zeiten, in denen Wärme vorhanden ist, diese nicht benötigt wird, sollte möglichst viel von ihr gespeichert werden. Gerade in Mitteleuropa macht so eine thermische Speicherung Sinn. Erste Projekte dieser Art entstanden bereits Mitte der 1990er-Jahre in Solarsiedlungen, wie in Friedrichshafen oder Hannover-Kronsberg. Hier versorgen mehrere Tausend Kubikmeter große Heißwasserspeicher die Wohnungen über eine solare Nahwärmeleitung mit Heizenergie. Der Energiebedarf lässt sich unter günstigen Bedingungen zu 35 bis 45 Prozent regenerativ decken. Dieser Art der solarthermischen Nutzung sind aber technische und wirtschaftliche Grenzen gesetzt. Wirtschaftlicher kann es sein, regenerative Stromerträge zu generieren. Dazu müssen Eigenstromnutzung, Netzeinspeisung und Stromspeicherung intelligent miteinander kombiniert werden. Die Bereitstellung entsprechender Speichertechnologien steht aktuell im Mittelpunkt von Forschung und Entwicklung. Auch die Möglichkeiten der architektonischen Integration von Photovoltaik als regenerativem Erzeuger werden zurzeit noch nicht ausgeschöpft. Aus wirtschaftlicher Sicht hat die regenerative Stromerzeugung aufgrund der Abnahme der Stromgestehungskosten auch weiterhin ein extrem hohes Entwicklungspotenzial. Dies wird auch durch den aktuellen Bundesratsbeschluss zum Erneuerbare-Energien-Gesetz bestätigt.Auf der Ebene der einzelnen Gebäude und Quartiere sind eine Reihe verschiedener Speichertechnologien möglich, unter anderem die intelligente Steuerung von Anlagenkomponenten und die Anbindung an die vorhandene Infrastruktur (Smart Grid), die Aktivierung des Erdreichs am Standort zur Erschließung der saisonalen Speicherpotenziale von oberflächennaher Geothermie und nicht zuletzt die Aktivierung der thermischen Bauteilmassen im Gebäudeinneren als ohnehin vorhandener Speicher. Auch Batterien kommen als Konzeptbaustein infrage. In diesem Zusammenhang kann ebenso die solare Elektromobilität Kapazitäten bereitstellen. Sie eröffnet so neben dem eigentlichen Zweck als Fahrzeug Perspektiven als Energiespeicher im Stromnetz. Instabilität der Versorgungsnetze und fehlende Leitungstrassen für die Stromverteilung sind derzeit auf einen weiteren Ausbau jedoch noch nicht vorbereitet. Allerdings können auf dezentraler Ebene moderne Speicherkonzepte das öffentliche Netz entlasten und die Umstellung auf eine regenerative Versorgung beschleunigen.

Wärmetausch  I: Am Tag wird die Fußbodenheizung über die Wärmepumpe beladen.
Wärmetausch II: Die Entladung erfolgt nachts.

Gebäudemasse als passiver Speicher

Je häufiger sich in einem Gebäude ein behaglicher Zustand ohne den Einsatz aktiver Konditionierung einstellt, desto geringer ist der Aufwand zum Heizen oder Kühlen. Gebäude sollten daher möglichst unempfindlich gegenüber äußeren und inneren Einflüssen konstruiert und gestaltet werden, um sowohl sommerlicher Überhitzung als auch schneller Auskühlung vorzubeugen. Zum Beispiel lassen sich die sommerlichen Raumtemperaturen in Verbindung mit der Speichermasse des Gebäudes durch passive Kühlung in Form einer Nachtlüftung regulieren. Für die Nacht ist zur Auskühlung der Bauteilmassen ein effektives Lüftungskonzept erforderlich, das einen circa vier- bis sechsfachen Luftwechsel ermöglicht. Hierbei können elektrische Stellmotoren das Öffnen und Schließen der Fenster und damit die Funktion der Nachtlüftung unabhängig vom Nutzer sicherstellen. Im Rahmen der Planung sind sie aber hinsichtlich der Investitions- und Instandhaltungskosten kritisch zu prüfen. Eine günstigere Alternative sind witterungsgeschützte Öffnungsflügel, die durch den Nutzer bedient werden.

Flächenheiz- und Kühlsysteme zur Aktivierung der Gebäudemasse

Neben den passiven Maßnahmen ist zur Klimaregulierung der Gebäudemasse zusätzlich eine Kombination mit aktiven Maßnahmen möglich. Decken, Wände und Böden lassen sich beispielsweise mit Flächensystemen zum Heizen und Kühlen aktivieren. Ihre niedrigen Systemtemperaturen nahe der Raumtemperatur ermöglichen eine einfache Regelungstechnik. Auch regenerative Energien lassen sich mit diesen Systemen effektiv nutzen (LowExergy-Systeme). In Bürogebäuden ist als Flächensystem zum Heizen und Kühlen die Betonkernaktivierung bereits etabliert. Sie wird hier aufgrund der begrenzten Leistung von etwa 30 bis 40 W/m² in der Regel zur Grundlastkonditionierung eingesetzt. Ob darüber hinaus weitere Heiz- und Kühlsysteme notwendig werden, hängt von den internen und externen Lasten ab und ist stets im Einzelfall zu prüfen.

Mehr Eigenverbrauch: Für Ein- und Mehrfamilienhäuser lässt sich durch Batteriespeicher der Anteil des direkt genutzten PV-Stroms auf über 50 Prozent steigern.

Energiespeicherung durch Stromlast-Management

Aktuelle Beispiele energieeffizienter Gebäude bedienen sich eines Stromlast-Managements, um die selbst erzeugte Energie optimal zu nutzen. Im Ende 2010 fertiggestellten Netto-Plusenergie-Wohngebäude „Berghalde“ in Leonberg bei Stuttgart sorgt zunächst die bauphysikalisch exzellente Gebäudehülle in Kombination mit einer thermisch wirksamen inneren Speichermasse für einen sehr niedrigen Endenergiebedarf. Der für den Gebäudebetrieb, den Haushalt und die Elektromobilität benötigte Strom wird über eine dachintegrierte Photovoltaikanlage in Verbindung mit einer elektrisch betriebenen Wärmepumpe bereitgestellt. Ummöglichst viel Energie selbst zu verbrauchen und möglichst wenige Überschüsse von der PV-Anlage ins öffentliche Netz einspeisen zu müssen, ist ein intelligentes Lastmanagement-System installiert. Es stellt sicher, dass die regenerativ erzeugte Energie vorrangig zu dem Zeitpunkt, zu dem sie anfällt, genutzt werden kann. Deshalb wird beispielsweise die Wärmepumpe nur tagsüber betrieben und nachts ausgeschaltet, einige Haushaltsgeräte wie Waschmaschine, Trockner und Spülmaschine laufen vorzugsweise ebenfalls nur zeitgleich zum PV-Ertrag.

Speicher für thermische Energie

Zur Verbesserung der Anlagennutzung sowie zur Erhöhung der Flexibilität und Stabilität von Energieversorgungssystemen stehen unabhängig von der Gebäudemasse thermisch aktive Energiespeicher zur Verfügung. Im Wesentlichen werden drei physikalische Prinzipien der Wärmespeicherung unterschieden:

– Warmwasserspeicher
– Latentwärmespeicher
– thermochemische Speicher

Warmwasserspeicher sind am weitesten verbreitet. Sie werden hauptsächlich als Trinkwasser- oder Solarspeicher im Wohnungsbau genutzt. Je nach Wärmebedarf und der Auslegung einer thermischen Solaranlage ermöglichen Kurzzeit-Wärmespeicher in Niedrigenergie-Gebäuden solare Deckungsanteile von etwa 25 Prozent. Bei Gebäuden mit höherem Wärmeschutzstandard, wie beispielsweise Passivhäusern, sind Deckungsraten bis 50 Prozent möglich. Entwicklungen zur Verbesserung der Wärmespeicherung, wie Latentwärmespeicher, thermochemische Wärmespeicher, aber auch Langzeitspeicher im Nahwärmeverbund, konnten sich bisher aufgrund der hohen Kosten noch nicht durchsetzen.
Latentwärmespeicher nutzen die Wärmeaufnahme und Wärmeabgabe beim Phasenübergang. In dem für Warmwasserbereitung und Raumheizung üblichen Temperaturbereich von 30 bis 80 Grad Celsius ist das Speichervolumen der Phasenwechselmaterialien (PCM) im Vergleich zu einem Wasserspeicher nur etwa halb so groß, der Vorteil also eher gering. Neben ihrer niedrigen Be- und Entladeleistung sprechen auch die Volumenänderungen beim Phasenwechsel sowie die Korrosionsgefahr gegenüber Metallen aufgrund der enthaltenen Salzhydrate gegen diese Materialien.
Bei Eisspeichern, die sich aktuell in der Erprobung befinden, ist das anders. Hier wird umweltfreundlich Wasser als Speichermedium gefroren und wieder aufgetaut. In der Regel entfallen Genehmigungsverfahren und die sonst übliche Dämmung, was auch wirtschaftlich interessant ist. Im Winter wird der Speicher als Energiesenke genutzt und bis zur Eisbildung abgekühlt, um die sogenannte Kristallisationsenergie zu erschließen. Entscheidend für den planmäßigen Betrieb ist eine ausreichende Regeneration des Eisspeichers. Diese kann durch den zeitgleichen oder alternierenden Kühlenergiebedarf im Gebäude erfolgen; gleichzeitig ist aber auch der Einsatz solarthermischer Kollektoren denkbar, um das Eis wieder zu schmelzen. Der Vorgang lässt sich beliebig oft wiederholen.
Thermochemische Speicher (TCS) nutzen die Reaktionsenergie, wobei durch den Prozess eine höhere Energiedichte erreicht wird. Die Reaktionspartner können bei Umgebungstemperatur beliebig lange ohne Wärmeverluste gelagert werden. Thermochemische Speicher (TCS) haben in der Gebäudetechnik trotz intensiver Forschung bisher allerdings noch keinen nennenswerten praktischen Einsatz gefunden. Gründe sind das relativ teure Speichermaterial sowie die aufwendige Prozessführung. Verbunden mit dem gerätetechnischen Aufwand in der Haustechnik, ist diese Technologie unrentabel.

Speicher für elektrische Energie

Zur Verbesserung der Eigenstromnutzung im Gebäudebereich und insbesondere im Zusammenhang mit der Elektromobilität ist der Entwicklungsbedarf elektrischer Energiespeicher noch hoch. Zugleich fordert der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien Speichertechnologien auf dezentraler Ebene. Das sind neben Wärmespeichern insbesondere elektrochemische Speicher. Ein Lösungsansatz besteht darin, die überwiegend dezentral erzeugte Energie vor Ort, im Gebäude oder im Quartier, zu nutzen. Damit lassen sich Übertragungsverluste vermeiden und die Stromnetze erheblich entlasten. Für Ein- und Mehrfamilienhäuser lässt sich durch Batteriespeicher der Anteil des direkt genutzten PV-Stromes von 15 bis 20 Prozent auf über 50 Prozent steigern. Aber auch umgekehrt kann kostengünstiger Überschussstrom aus dem öffentlichen Netz gespeichert werden. Darüber hinaus bieten sich Batteriesysteme zur Notstromversorgung an.
Für stationäre Anwendungen in Gebäuden werden heute fast ausschließlich Hochleistungs-Bleibatterien eingesetzt. Dieser Speichertyp ist am preiswertesten, sehr betriebssicher und zu nahezu 100 Prozent recycelbar. Die Zyklenfestigkeit ist stark abhängig von der vorgesehenen Entladetiefe. Für eine möglichst lange Lebensdauer sollten die Batterien in Räumen mit Temperaturen von etwa 20 Grad Celsius aufgestellt werden. Die neueren Lithiumbatterie-Systeme erreichen mit 5.000 Stunden eine deutlich höhere Zyklenfestigkeit bei annähernd 100 Prozent Endladetiefe. Eine Weiterentwicklung ist zudem ein Hybridsystem aus Bleibatterie (Energie) und Lithium-Ionen-Akku (Leistung). Zukunftsträchtig für den Einsatz in Gebäuden scheint vor allem die Vanadium-Redox-Flow-Batterie. Es handelt sich dabei um ein besonders leistungsfähiges Batteriesystem im Bereich zwischen einem Kilowatt und mehreren Megawatt Leistung.

Ausblick

Im Kontext zur Energieeinsparung und zur Steigerung der Energieeffizienz von Gebäuden ist die thermisch wirksame Speicherkapazität eine intelligent nutz- und steuerbare Größe. Die Gebäudemasse ist als Bestandteil eines ganzheitlichen und integralen Konzepts in die Planung einzubeziehen und mit den sonstigen Belangen des Gebäudekomforts abzustimmen. Insbesondere in der Kombination von Photovoltaik mit Wärmepumpe beziehungsweise Kältemaschine im Kontext mit Low-Ex-Niedertemperatur-Systemen und einer massiven Bauweise sind hohe solare Deckungsanteile für die Heizung und Kühlung von Gebäuden zu erreichen. Weiterhin müssen Gebäude durch eine hohe Eigenstromnutzung dazu beitragen, die Netzbelastung zu reduzieren. Dies ist jedoch nur durch die gleichzeitige Betrachtung von elektrischen und thermischen Energiemengen möglich.
Nach dem „Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität“ und dem Regierungsprogramm Elektromobilität der Bundesregierung sollen bis 2030 mindestens sechs Millionen E-Fahrzeuge auf Deutschlands Straßen fahren. Darüber hinaus soll bis 2050 neben dem Gebäudebestand der urbane Straßenverkehr überwiegend über regenerative Energiequellen versorgt werden. Das stellt hohe Anforderungen an Gebäude, Infrastruktur und Verkehr. Die Herausforderungen können nur im integralen Ansatz als innovative Kombination von Gebäudearchitektur, Energieerzeugung und -speicherung sowie intelligenter Steuerungstechnik bewältigt werden. Zu den Lösungsansätzen zählen die dezentrale Energieversorgung über Kraft-Wärme-Kopplung, Brennstoffzellen und Solarenergienutzung in Kombination mit Gebäudemasse, Wärmepumpen, elektrischen Batterien und saisonalen Energiespeichern. Ferner werden sowohl die Gebäude im Smart Grid als auch die „virtuellen Kraftwerke“ in Zukunft „Systemdienstleistungen“ erbringen müssen, um Netzstabilität, Lastmanagement und jahreszeitliche Speicher– und Verlagerungsstrategien zu unterstützen.

Dipl.-Ing. Architekt Thomas Wilken ist der stellvertretende Leiter des Instituts für Gebäude- und Solartechnik an der Technischen Universität Braunschweig. Dipl.-Ing. Lars Altendorf arbeitet dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter.

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