Text: Axel Plankemann
Ein Architekt hatte mit seinem Bauherrn eine Honorarvereinbarung getroffen, welche die Höchstsätze der HOAI überstieg. Im späteren Rechtsstreit über das Honorar argumentierte der Architekt vor Gericht mit dem besonderen gestalterischen Wert seines Projekts und führte an, schon seine früheren Bauten seien in Kollegen- und Kunstkreisen außerordentlich gewürdigt worden. Doch das allein überzeugte das Oberlandesgericht Stuttgart nicht. Nach seinem Urteil vom 29.5.2012 (Az.: 10 U 142/11, Urteilsbegründung hier) muss für eine Überschreitung der HOAI-Höchstsätze zumindest ein Werk der Baukunst geschaffen werden, das heißt ein urheberrechtsschutzfähiges Werk.
Das Urteil verknüpft auf interessante Weise urheberrechtliche Gesichtspunkte mit der honorarrechtlichen Bewertung von Höchstsatzüberschreitungen nach der HOAI. Die dort festgesetzten Höchstsätze dürfen nur bei außergewöhnlichen oder ungewöhnlich lange dauernden Leistungen durch schriftliche Vereinbarung überschritten werden. Dabei bleiben Umstände außer Betracht, die bereits für die Einordnung in Honorarzonen oder im Rahmen der Mindest- und Höchstsätze mitbestimmend gewesen sind. Grundlage ist § 4 Abs. 3 HOAI der früheren Fassung, welcher sich inhaltlich unverändert in § 7 Abs. 4 HOAI der gegenwärtig geltenden Fassung wiederfindet.
Beim Bewerten der Höchstsatz-Überschreitung folgte das Gericht zunächst der Rechtsprechung des BGH. Danach liegt eine rechtswidrige Honorarüberschreitung nicht bereits vor, wenn ein einzelner honorarbildender Abrechnungsfaktor falsch angewendet wird. Voraussetzung ist vielmehr, dass ein von den Vertragsparteien vereinbartes Gesamthonorar die Höchstsätze der HOAI insgesamt übersteigt. Das traf hier zu: Für Gebäude und Freianlage waren jeweils Honorare vereinbart, die sogar die Höchstsätze der Honorarzone V überstiegen.
Dies wurde vom Gericht beanstandet. Ausgehend vom Wortlaut des § 4 Abs. 3 HOAI alter Fassung, darf ein Höchstsatz nur überschritten werden, wenn er keine leistungsgerechte Honorierung gewährleistet, weil sich die Leistungen mit den in der HOAI angebotenen Honorarkriterien nicht mehr bewerten lassen. Das ist aber ein Ausnahmefall, denn die Kriterien der HOAI bieten in der Regel ausreichende Möglichkeiten, Architektenleistungen angemessen zu vergüten.
Soll eine solche Ausnahme auf die Außergewöhnlichkeit der Leistungen im künstlerischen Bereich gestützt werden, so ist nach Auffassung des Gerichtes jedenfalls ein Werk der Baukunst zu schaffen, das heißt ein urheberrechtsschutzfähiges Werk. Die Urheberrechtsfähigkeit wird durch Bezug auf die einschlägige obergerichtliche Rechtsprechung konkretisiert: Es müsse sich um eine persönliche geistige Schöpfung mit individueller Prägung und einem ausreichenden künstlerisch-ästhetischen Gehalt handeln, welche über die Lösung einer fachgebundenen technischen Aufgabe unter Anwendung bekannter Lösungsmuster gerade durch Einsatz besonderer gestalterischer Elemente hinausgeht und so das Bauwerk über „das Übliche“ hinaushebt.
Nach Auffassung des Gerichts bietet die HOAI für eine solche Beurteilung verlässliche Maßstäbe an, unter anderem auch die Regelung über die Honorarzonen. Nur wenn die baukünstlerische Qualität des fraglichen Gebäudes mit der Honorarsystematik und den honorarbildenden Faktoren der HOAI überhaupt nicht mehr erfasst werden kann, liegen demnach außergewöhnliche Leistungen vor.
Das hat der Architekt im vorliegenden Fall nicht belegen können; allerdings hat er es wohl im Prozess an entsprechenden Nachweisen fehlen lassen. Sein Hinweis auf das Renommee früherer Bauten hat das Gericht jedenfalls nicht überzeugt. Nach dem Urteil kann nur in der konkreten Planung im Einzelfall beurteilt werden, ob eine außergewöhnliche Leistung vorliegt oder nicht. Früheres baukünstlerisches Schaffen eines namhaften Architekten allein rechtfertige dagegen nicht per se Honorarvereinbarungen, die die Höchstsätze übersteigen.
Beraten von Sachverständigen, hat das Gericht sowohl das Gebäude als auch die Freianlagen der Honorarzone IV zugeordnet und dem Architekten in dieser Honorarzone den jeweiligen Höchstsatz zugesprochen. Soweit seine Honorarvereinbarung über diese Höchstsätze hinausging, hat das Gericht eine Teilnichtigkeit des Vertrages erklärt.
Axel Plankemann ist Rechtsanwalt in Hannover.
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