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Wenn Klimaschutz Recht bekommt

Energetische Standards und ihre rechtlichen Tücken: Baugenehmigung, Haftung und Mängel

31.10.20125 Min. Kommentar schreiben

Text: Markus Prause

EnEV, EEWärmeG, DIN V 18599, DIN EN 832, U-Wert, Tageslichtversorgungsfaktor, Wärmebrückenzuschlag, Erzeugeraufwandszahl…: Das energetische Bauen hat in den letzten Jahren eine Regelungsdichte erfahren wie kaum ein anderer baurechtlicher Bereich. Für Architekten ergeben sich daraus erhebliche juristische Konsequenzen.

Baugenehmigung: Energiestandards sind zwingend

Nur wenn EnEV und Erneuerbare-Energien-Wärme-Gesetz (EEWärmeG) beachtet werden, kann ein Bauantrag überhaupt genehmigt werden. Beides sind keine unverbindlichen technischen Regelwerke, sondern Gesetze im materiellen Sinne und damit Teil des öffentlichen Baurechtes. Auch die in der EnEV genannten DIN-Normen als Teil dieser Verordnung besitzen zwingenden gesetzlichen Charakter. Das öffentliche Baurecht ist selbstverständlich auch in Verfahren einzuhalten, in denen die Baubehörde diese Vorgaben nicht prüft oder ein Vorhaben genehmigungsfrei ist. Hier muss häufig der Architekt als Entwurfsverfasser die Einhaltung des öffentlichen Baurechtes bestätigen – inklusive der rechtlichen Vorgaben zum energetischen Bauen (OLG Koblenz, Urteil vom 4.11.2009 – 1 U 633/09). Ist diese Bestätigung fehlerhaft, weil zwingende energetische Anforderungen nicht eingehalten wurden, droht dem Entwurfsverfasser neben haftungsrechtlichen Konsequenzen vielfach sogar die Verhängung eines Bußgeldes.

Beschaffenheitsversprechen: stets verbindlich

Der Architektenvertrag ist ein Werkvertrag im Sinne der §§ 631ff. BGB. Demnach schuldet der Architekt dem Bauherrn verschiedene Werk-

erfolge – beispielsweise die Erstellung einer dauerhaft genehmigungsfähigen Planung. Die Arbeiten des Architekten dürfen keine Mängel aufweisen. Die Leistung des Architekten ist gemäß § 633 BGB mangelfrei, wenn

– sie die im Architektenvertrag vereinbarten Beschaffenheiten besitzt oder wenn diese nicht ausdrücklich vereinbart wurden,

– sie sich für die vertraglich vorausgesetzte oder gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die für derartige Leistungen üblich ist.

Es ist für die Frage der Mängelfreiheit also zunächst einmal zu prüfen, welche Beschaffenheiten die Parteien zu dem Objekt vereinbart haben. Beschaffenheiten beim energetischen Bauen können beispielsweise sein:

– Erzielung einer Energiereduktion um einen bestimmten Prozentsatz bei einer energetischen Sanierung

– Verwendung von Bauteilen mit bestimmten energetischen Eigenschaften

– Erzielung eines KfW-Standards

– Passivhaus, Null-Energie-Haus, Energie-Plus-Haus etc.

Werden derartige Beschaffenheiten vereinbart, bilden sie für den Architekten zwingende Vorgaben. Die Nichteinhaltung einer solchen Beschaffenheit führt automatisch – auch ohne Vorliegen eines Verschuldens des Planers – zur Mangelhaftigkeit der Architektenleistung. Es ist daher Vorsicht bei der Zusage von Einsparpotentialen oder sonstigen Eigenschaften geboten. Der Planer muss sich im Vorfeld des Vertragsabschlusses Gedanken machen, ob die beabsichtigten Standards auch tatsächlich realisierbar sind und wie diese im Vertrag verankert werden. Beschaffenheitsvereinbarungen, die gesetzlich vorgeschriebene Mindeststandards unterschreiten sollen, beispielsweise aus der EnEV oder dem EEWärmeG, sind rechtlich unzulässig und daher unwirksam.

Werden Beschaffenheiten vereinbart, kann es wichtig sein, die Rahmenbedingungen hinreichend klar zu präzisieren. Wird beispielsweise bei einer energetischen Sanierung ein bestimmtes Einsparpotenzial zugesagt, müssen auch die entsprechenden Parameter und Prämissen verdeutlicht werden (z. B. Art der Nutzung, Nutzerverhalten). Weiterhin sollten Vorbehalte wegen möglicher Unsicherheitsfaktoren in den Vertrag aufgenommen werden (z.B. aufgrund noch nicht geöffneter Bauteile).

Hinzu kommt, dass zahlreiche Begrifflichkeiten aus dem energetischen Bauen nicht eindeutig definiert sind oder hierüber zumindest uneinheitliche Vorstellungen zwischen den Parteien bestehen können (z.B. 3-Liter-Haus, Niedrigst-Energie-Gebäude). Daher sollten derartige Begriffe im Architektenvertrag näher erläutert werden, um eine klare Definition der vertraglich geschuldeten Leistung zu erhalten. Nähere Informationen zu den unterschiedlichen Hausbezeichnungen und Standards finden Sie im folgenden Text.

Gewöhnliche Verwendung: Standards sind einzuhalten

Auch wenn die Vertragsparteien keine Beschaffenheiten ausdrücklich vereinbaren, ist der Planer in seiner Leistungserbringung nicht frei. Seine Leistungen müssen sich für die vertraglich vorausgesetzte oder gewöhnliche Verwendung derartiger Leistungen eignen. Die Planung muss insbesondere die vertraglich vorgesehene Nutzung des Objektes erlauben. Ein Beispiel: Ein Bürogebäude mit einer Glasfassade muss im Hinblick auf den sommerlichen Wärmeschutz so ausgelegt sein, dass die Räumlichkeiten auch bei extremer Sonneneinstrahlung noch nutzbar sind und bestimmte Innenraumtemperaturen nicht überschritten werden (LG Bielefeld, Urteil vom 16.04.2003 – 3 O 411/01; OLG Köln, Urteil vom 10.09.1999 – 22 U 30/99).

Die Verwendbarkeit des Objektes muss also sichergestellt sein. Zudem verlangt die Rechtsprechung, dass gesetzliche Mindeststandards sowie die anerkannten Regeln der Technik eingehalten werden. Demnach sind Planungsleistungen beispielsweise mangelhaft, wenn

– sie wegen Verstoßes gegen gesetzliche Vorschriften (z. B. EnEV, NBauO) nicht oder nur eingeschränkt verwertbar sind (OLG Brandenburg, Urteil vom 02.10.2008 – 12 U 92/08),

– sie aus technischen Gründen nicht realisierbar sind,

– die Gebrauchstauglichkeit beispielsweise wegen Verstößen gegen DIN-Normen und/oder anerkannte Regeln der Technik gemindert ist.

Die Rechtsprechung betrachtet den Architekten als Sachwalter des Bauherrn. ­Daher ­treffen den Planer als Nebenpflicht zum Architektenvertrag diverse Hinweis- und Aufklärungspflichten. Werden solche Hinweispflichten – auch zum Wärmeschutz – verletzt, haftet der Architekt (OLG Stuttgart, Urteil vom 18.08.2008 – 10 U 4/06). Im Ergebnis muss der Architekt die Mindeststandards einhalten, die sich aus den gesetzlichen Regelungen und technischen Regelwerken zum energetischen Bauen ergeben. Das gilt auch, wenn energetische Standards zum Objekt nicht ausdrücklich vereinbart wurden. Nur wer sie einhält, erzielt eine mangelfreie Leistung.

Mängel: Schäden werden teuer

Schadensersatzansprüche können im Bereich des energetischen Bauens sehr erheblich sein, zum Beispiel beim Verlust von Fördermitteln bei Nichterzielung eines KfW-Standards oder bei Folgekosten für einen zu hohen Energieverbrauch des Objekts. Energetische Standards stellen mittlerweile wertbildende Faktoren bei der Verkehrswertermittlung (vgl. § 6 Abs. 5 ImmoWertV) und ein relevantes Kriterium für die Vermietbarkeit dar. Als Schäden geltend gemacht werden können daher auch Wertverluste am Objekt, Mindereinnahmen in der Vermietung (LG Hamburg, Urteil vom 11.09.2009 – 311 S 106/08) und Nutzungsausfall (OLG Saarbrücken, Urteil vom 17.04.2008 – 2 U 599/06). Die Schäden werden gegebenenfalls um eventuelle Sowieso-Kosten gekürzt, die stets angefallen wären.

Markus Prause ist Rechtsanwalt in Hannover.

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