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Fürstendiener und Titanen

Gab es für Architekten eine gute alte Zeit? Nein, meint eine Münchner Ausstellung zur Geschichte des Berufs

30.11.20123 Min. Kommentar schreiben
Frühes Zeugnis des Berufs: Auf der ägyptischen Statue von etwa 1320 vor Christus schrieb ein Architekt in Hieroglyphen.  Staatliches Museum Ägyptischer Kunst München Foto: Jürgen Liepe

Text: Christof Bodenbach

Stararchitekten – ein Phänomen des 20. Jahrhunderts? Nein, es gab sie schon in der Renaissance, wo Bramante, Raffael und Michelangelo in der Hitliste ganz oben standen und von ihren Kollegen mit Neid beäugt wurden. Auch die „Signature Buildings“ gibt es nicht erst seit Frank Gehrys Bilbao-Museum. Schon Senenmut, der Baumeister der Pharaonin Hatschepsut, zeigte seine Kreativität mit spektakulären Terrassentempeln. Scheinbar typische Erscheinungen unserer Zeit sind tatsächlich epochenübergreifend. Das ist eine Erkenntnis der Ausstellung „Der Architekt – Geschichte und Gegenwart eines Berufsstandes“ in München. Wer statt der Geschichte des Fachs einmal die Geschichte seiner Akteure studieren will, sollte sich ins Architekturmuseum der TU München in der Pinakothek der Moderne aufmachen.

Eine weitere Erkenntnis der Schau: Zu allen Zeiten beeinflussten nicht nur Technik und Kunst, sondern mindestens ebenso stark Politik und Wirtschaft das Berufsbild. Spannend ist es auch, zu verfolgen, wie Selbstverständnis und Selbstbild von Architekten wechselten: Wo Claude-Nicolas Ledoux den Architekten im frühen 19. Jahrhundert noch als „Titan der Erde, Rivale des Schöpfers“ sah und Le Corbusier sich 1956 als eleganter Homme de Lettres inszenierte, da stehen die Mitarbeiter Aldo Rossis 1973 im Hippie-Look vor dem Wandgemälde „La città analoga“.

Im Ausstellungsraum mit den Werkzeugen von Architekten sind wunderschöne Zeichnungen und Modelle aus den unterschiedlichsten Epochen ausgebreitet – ein wahrer Augenschmaus, wie so vieles in der Ausstellung. Selbst vermeintlich banale Objekte lassen viele Besucher nicht kalt: Die Präsentation von Rapidografen und Kurvenlinealen lässt die einen nostalgisch-verklärt an das eigene Studium denken und die nächsten staunen, wie tief greifend sich der Arbeitsalltag des Architekten seit Einzug des Computers verändert hat.

Auch aus Musik, Theater und Film sind wunderbare Materialien ausgebreitet, etwa zu den Bühnenbildern von Herzog de Meuron oder zu Le Corbusiers Zusammenarbeit mit dem Architekten und Komponisten Iannis Xenakis am Kloster Sainte-Marie de la Tourette und dem Philips Pavillon. Es gibt Film-Ausschnitte aus „The Fountainhead“, einem Manifest des amerikanischen Radikal-Individualismus mit Anklängen an Frank Lloyd Wrights Leben, sowie aus so unterschiedlichen Filmen wie „Verrückt nach Mary“, „Ein unmoralisches Angebot“ oder einer Folge der „Simpsons“, in der Frank Gehry einen beeindruckenden Auftritt hat.

Der geschichtliche Teil spannt den Bogen vom alten Ägypten bis zur Rolle des Architekten im 20. und 21. Jahrhundert – insbesondere bezogen auf den Wandel der Gesellschaften und damit den Wandel der ­Beziehung zum Bauherrn. Allerdings kommt die Gegenwart gegenüber der Vergangenheit recht kurz. Die Lebenswirklichkeit der meisten Architekten erschließt sich jedenfalls nicht aus den gefilmten Interviews mit Stars wie Wolf Prix, Matthias Sauerbruch, Werner Sobek oder Peter Zumthor. Mit dieser Ausstellung gibt der Direktor des Museums, der renommierte Architekturhistoriker Winfried Nerdinger, seinen Abschied. Er zeigt die reiche Geschichte des Berufsstands und dessen Wandel vom Handwerker zum Künstler und vom Fürstendiener zum Freischaffenden. Nerdingers Einführung in den gut vier Kilogramm schweren Katalog heißt denn auch: „Studiere nicht die Architektur, sondern die Architekten.“

Christof Bodenbach ist Pressesprecher der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen und Autor.


Mehr Informationen

Die Ausstellung „Der Architekt – Geschichte und Gegenwart eines Berufsstandes“ läuft bis zum 3. Februar 2013 in der Pinakothek der Moderne in München.

Der zweibändige Katalog mit 816 Seiten und 650 Abbildungen kostet im Museum 76 und im Buchhandel 98 Euro.

www.architekturmuseum.de

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