Interview: Nils Hille
Ich bin Ökonom und suche daher nach objektiven Kriterien, die zeigen, welche messbare wirtschaftliche Ausstrahlung ein Gebäude auf die Bauten in der Umgebung hat. Instinktiv würde wohl jeder sagen, dass gute Architektur im Umfeld eines Hauses dessen Wert ebenso hebt wie eine gute Lage, aber es gab bisher keine Berechnungen dazu. Unsere Analysen zeigen: Wenn ein Gebäude von guter Architektur ist, dann beeinflusst das positiv nicht nur dessen eigenen Wert, sondern auch den der Immobilien nebenan. Für andere Faktoren gibt es längst verlässliche Zahlen. Eine U-Bahn-Station hebt zum Beispiel den Gebäudewert um rund fünf Prozent. Jetzt zeigen unsere ersten Untersuchungen in Chicago, in Denkmalschutzgebieten in Großbritannien und im Berliner Hansaviertel: Gute Architektur in der Nachbarschaft lassen sich Käufer und Mieter gerne fünf bis zehn Prozent mehr kosten als eine wenig gestaltete Umgebung. Das ergibt sich aus der Analyse von Immobilienverkäufen und aus Befragungen von Anwohnern. Wir haben zum Beispiel Untersuchungen in dem von Frank Lloyd Wright geprägten Oak Park nahe Chicago vorgenommen. Im Berliner Hansaviertel mit seinen Bauten von Alvar Aalto, Walter Gropius, Arne Jacobsen und Oscar Niemeyer zeigt sich der Effekt sogar in einem Aufschlag von 17,6 Prozent. Das heißt: In der Nähe guter Architektur zu bauen sowie Räume vermieten zu können, lohnt sich. Und das ist unabhängig davon, ob die schönen Nachbarn in einem sowieso bevorzugten Gebiet stehen oder nicht. Allerdings stehen wir noch am Anfang der quantitativen Forschung. Stimmt. Das ist das Trittbrettfahrerproblem. Ich gehe von rein ökonomisch handelnden Bauherren aus. Und mit ihnen haben wir ein fundamentales Problem. Sie kümmern sich nicht um die Wirkung ihres Verhaltens auf andere. Sie nutzen die gute Architektur gegenüber zur Wertsteigerung ihres Gebäudes, bauen aber selbst nur Standard. Wer sich zuerst rührt, zahlt – und die anderen profitieren. Bestes Gegenargument ist natürlich der Hinweis darauf, dass das eigene Gebäude mit guter Architektur am meisten gewinnt. Und wenn alle in diese Qualität investieren, profitieren auch alle. Bei Neubaugebieten mit einer überschaubaren Anzahl von Investoren haben Sie gute Chancen, dass alle den Wert eines architektonisch anspruchsvollen Quartiers erkennen und sich dementsprechend engagieren.Wo es aber viele verschiedene Eigentümer und Investoren gibt, ist es schwierig. Da freut sich meist derjenige besonders, der zum Beispiel gegenüber von einem Denkmalschutzgebiet baut, weil er oder seine Kunden den Blick drauf haben, aber selbst nicht die Auflagen erfüllen müssen. In Berlin reicht dieser Ausstrahlungseffekt denkmalgeschützter Gebäude bis zu 600 Meter weit. Wir haben die Preiseffekte von über 8.000 Denkmalschutzgebieten in England analysiert. Unser Ergebnis ist eindeutig: Der wertmindernde Faktor Denkmalschutz wird nach unseren Berechnungen durch die gute architektonische Qualität wieder ausgeglichen. Gilt der Schutz für ein ganzes Ensemble, profitieren die Eigentümer natürlich gegenseitig voneinander. Die Chance ist umso größer, je mehr Gebiete wir analysiert haben und somit Beispiele liefern können. Doch bisher kommt der meiste Widerstand gegen eine solche Architektur-Ökonomie von Planern selbst. Sie müssen aber die Sprache der Investoren sprechen und sich auf deren nüchterne Zahlenwelt und deren Wunsch nach Umsatz- und Gewinnsteigerung einlassen. Sie sollten sich offen zeigen und erkennen: Die harten Fakten dienen als Argumentationshilfe für ihre eigene gestalterische Freiheit.Wie ermitteln Sie das?
Wenn es aber reicht, neben der guten Architektur zu bauen, muss der Investor ja nicht selbst in einen gelungenen Entwurf investieren.
Wo kommt diese Botschaft an?
Gelten Ihre positiven Zahtlen auch für Gebiete, in denen der Denkmalschutz die Nutzbarkeit einschränkt?
Werden Architekten in Zukunft von Ihren Erkenntnissen profitieren können?
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Der Artikel ‚Gute Architektur hebt den Wert der Nachbarschaft‘ ist sehr interessant und hilfreich.
Als Milieuplaner arbeiten wir seit Jahren an dem Problem der Umgebungsqualität und seine Wirkung auf den Menschen in Kindergärten, Schulen, Arbeitsstätten, im Wohnen und in Altersheimen.
Es sind wichtige Planungsfelder, die den Menschen in der entsprechenden Lebensphase positiv oder negativ beeinflussen.
Mit Hilfe unserer 12 Sinne (wie in meinem Buch ‚Sinn und Unsinn beschrieben) kann jeder sofort assoziales Bauen von dem Menschen zugewendetem Bauen
erkennen. Was uns bisher fehlt, ist, diese Werte meßbar oder bewertbar zu machen, sodaß eine konkrete Planungshilfe an Hochschulen angeboten werden kann.
Insofern ist die beschriebene Methode sehr hilfreich für verantwortungsorientierte Planer.
Ich bitte um weitere Infos!
Prof. Wulf Schneider