Text: Jola Horschig
Einschaliges Mauerwerk zählte früher zu den Standardkonstruktionen im Wohnungsbau. Mit den steigenden Anforderungen an den Wärmeschutz gewannen gemauerte Außenwände mit Wärmedämmverbund-System (WDVS) die Oberhand. Der Grund dafür war einfach. Klassische Ziegel, Leichtbeton und Kalksandstein besitzen eine hohe Wärmeleitfähigkeit und dämmen daher schlecht. Dieter Hanke, Projektleiter bei Ludmilla Wohnbau in Landshut: „Es gab lange keine Alternative zum WDVS, bis ich einschaliges Mauerwerk mit gefüllten Ziegeln kennenlernte. Das war etwa im Jahr 2007. Seitdem bauen wir damit und haben gute Erfahrungen gemacht.“ Vor Kurzem erst wurden so errichtete Bauten mit Wärmebildkameras überprüft und dabei weder Leckagen noch sonstige Schäden entdeckt.
Dämmung im Steinkern
Um ihr einschaliges Mauerwerk „EnEV-konform“ auszustatten, schlugen die Hersteller der Wandbaustoffe unterschiedliche Wege ein. Die Kalksandsteinindustrie entschied sich für das Konzept der Funktionstrennung in der Außenwand (Mauerwerk plus WDVS). Dagegen integrierten die Ziegel- und die Leichtbetonindustrie die Wärmedämmung in den Stein. Sie versehen die Steine mit unterschiedlich großen und unterschiedlich geformten Hohlkammern und füllen diese mit wärmedämmenden Materialien wie Mineralwolle, Mineralgranulat oder Perlite. Zu den jüngsten Entwicklungen gehören beispielsweise Verbundsteine aus Leichtbeton mit einer Kerndämmung aus Phenolharz- oder Polystyrolhartschaum. Um die Wärmebrücke „Mörtelfuge“ im Mauerwerk weitestgehend zu eliminieren, sind alle Steine heutzutage plan geschliffen und werden im Dünnbettverfahren mit mörtelloser Stoßfuge verbaut.
Diese materialtechnische Aufrüstung blieb nur dem Porenbeton erspart – dem monolithischen Wandbaustoff mit den von sich aus besten Dämmeigenschaften. Dennoch wird bis heute vielfach irrtümlich angenommen, es ließen sich damit nur maximal zweigeschossige Gebäude errichten.
Doch das Steinsortiment ermöglicht Mauerwerk mit zulässigen Druckspannungen von bis zu 2,0 MN/m². Liane Prediger vom Bundesverband Porenbetonindustrie: „Damit ist Porenbeton auch mit einer 36,5er Außenwand für Gebäude bis circa sechs Geschossen geeignet.“ Die TreuWoBau Dresden AG realisiert die meisten ihrer Projekte mit diesem Wandbaustoff. Erst kürzlich wurde in der Dresdner Beilstraße ein Mehrfamilienhaus mit vier Vollgeschossen und einem Attikageschoss mit 36,5 Zentimeter dicken Außenwänden aus Porenbeton im KfW-Effizienzhaus-Standard 70 errichtet. Das Hauptmotiv nennt Bauleiter Peter Blechschmidt: „Wir ersparen uns hier die zusätzliche Wärmedämmung.“ Die Frankfurter Aufbau AG hat ein Passivhaus im Stadtteil Frankfurt-Kalbach mit einem 49 Zentimeter dicken, monolithischen Ziegelmauerwerk (plus Putz) errichtet. Und die Stuttgarter Architektin Christine Remensperger, Trägerin des Deutschen Ziegelpreises 2011, schätzt einen anderen Aspekt: Sie sieht monolithisches Bauen als Reduktion, die es ermögliche, „mit wenigen Mitteln einen hohen Standard zu erreichen“.
Umweltschonend dämmen
Die mit Wärmedämmung gefüllten Steine sind seit über zehn Jahren auf dem Markt. Trotzdem werden sie für mehrgeschossige Wohnbauten noch relativ selten verwendet. Das liegt zum einen an der statisch bedingten Begrenzung auf maximal sechsgeschossige Bauten. Zwei andere Faktoren nennt Michael Gierga vom Ingenieurbüro Kurz & Fischer aus dem baden-württembergischen Winnenden: „Nicht jedes Bauunternehmen kann die Steine fachgerecht verarbeiten.“ Außerdem spielen regionale Besonderheiten bei der Materialentscheidung eine Rolle. Der Süden Deutschlands gilt als traditionelle Hochburg der Ziegelbauweise, während im Norden eher Kalksandsteine und Porenbeton vorherrschen.
Doch insgesamt wird einschaliges Mauerwerk offenbar verstärkt eingesetzt – auch weil insgesamt wieder mehr Wohnungen gebaut werden. Das Düsseldorfer Marktforschungsunternehmen BauInfoConsult GmbH weist außerdem darauf hin, dass von Bauunternehmern bei der Wärmedämmung häufiger umweltfreundliche Dämmstoffmaterialien und geringere Dämmstoffdicken nachgefragt werden. Es schließt daraus, dass sich damit ein Abklingen der WDVS-Dominanz ankündigen könnte.
Was ist wirtschaftlicher?
Mit einschaligem Mauerwerk sind heute sogar Niedrigenergiehäuser, Energieeffizienzhäuser KfW-70, KfW-55 und KfW-40 sowie Passivhäuser ohne Weiteres realisierbar. Gegenüber einer Konstruktion mit WDVS müssen zudem weniger Materialien verarbeitet werden. Damit verringert sich auch die Zahl fehlerträchtiger Bauanschlüsse. Für spezielle Details wie die Ausbildung von Deckenauflagern, Eckverbänden und Fensterstürzen bieten die Hersteller Ausführungsunterlagen an. Gleiches gilt für den Schall- und den Brandschutz.
Neben den bautechnischen und bauphysikalischen Belangen spielen im Wohnungsbau die erzielbare Wohnfläche und die Wirtschaftlichkeit der Baumaßnahme vorrangige Rollen. Da haben Außenwände aus einschaligem Mauerwerk einen Nachteil: Sie sind auch mit hoch wärmedämmenden Steinen dicker als Wände, die mit einem WDVS gedämmt werden. Sie führen also bei gleichen Außenmaßen des Gebäudes zu einer geringeren Wohnfläche. Und sie erfordern nach einer weit verbreiteten Meinung eine höhere Erstinvestition. Doch das stimme nicht immer, meint Ingenieur Michael Gierga: „Welche Bauweise wirtschaftlicher ist, kann nur eine Berechnung im Einzelfall ermitteln.“ Diese solle auch die voraussichtlichen Instandhaltungskosten über den gesamten Lebenszyklus der Immobilie umfassen. Oft ist eben die Entscheidung für oder gegen einschaliges Mauerwerk noch immer eine Glaubensfrage. Die Faktenbasis könnte mit einer von Industrie, Lobbyismus und Politik unabhängigen vergleichenden Feldstudie verbreitert werden.
Jola Horschig ist freie Baufachjournalistin in Springe bei Hannover.
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