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Manhattans Mauselöcher

Anständig wohnen auf 25 Quadratmetern? Ein Wettbewerb suchte Lösungen für New York, wo sich viele Singles, Paare und sogar Familien über so viel Raum freuen würden

31.03.20134 Min. Kommentar schreiben

Text: Christine Mattauch

Nach ihrer Hochzeit zogen Mimi Hoang und Eric Bunge in eine 30 Quadratmeter große Wohnung in Manhattans East Village. Es war ein dunkler, enger Altbau; die Nutzung des Bades kam einer gymnastischen Übung gleich. „Das Apartment hatte keinerlei Vorzüge“, erinnert sich Bunge, „außer dass es billig war.“ Jedenfalls nach New Yorker Maßstäben: 1.200 Dollar zahlten die Jungarchitekten, die gerade ihr Studium in Harvard beendet hatten. Das war Ende der 90er Jahre.

Heute gehören Hoang und Bunge mit ihrem Brooklyner Büro nArchitects zur Avantgarde der Zunft. Es ist wohl kein Zufall, dass ausgerechnet sie jetzt als Sieger aus einem ungewöhnlichen Wettbewerb hervorgingen: Die Stadt New York will in einem Pilotprojekt komfortable Kleinwohnungen von 25 bis 28 Quadratmetern erstellen. Für das Programm „adAPT NYC“ wird eigens die Vorschrift außer Kraft gesetzt, dass Apartments in Neubauten mindestens 37 Quadratmeter groß sein müssen. „Leute aus aller Welt strömen in die Stadt“, sagt Bürgermeister Michael Bloomberg. „Wir müssen ein innovatives, erschwingliches Wohnmodell entwickeln, das ihren Bedürfnissen gerecht wird.“

In der Single-Hochburg New York gibt es rund 1,8 Millionen Ein- und Zwei-Personen-Haushalte, aber nur eine Million Ein- und Zwei-Zimmerwohnungen. Angebote fehlen besonders für Singles mit geringem Einkommen. Gegenwärtig werden Wohnungen auf mitunter bizarrste Weise in kleinere Einheiten geteilt und untervermietet. Manche finden es anrüchig, dass der Milliardär, der seinen Mitbürgern Miniwohnungen empfiehlt, selbst im Überfluss lebt. Die unbarmherzige New Yorker Presse verglich die Micro-Units umgehend mit dem Platz, der dem Stadtoberhaupt in seiner Villa an der vornehmen Upper East Side zur Verfügung steht: fast 1.200 Quadratmeter. Bloomberg konterte, er habe in seiner Jugend zehn Jahre in einem Kleinst-Apartment gelebt, mit Ausziehcouch und selbst gebauten Bücherregalen.

Das American Institute of Architects unterstützt Bloombergs Initiative. Geschäftsführer Rick Bell sieht die Micro-Units schon flächendeckend über ganz New York verteilt: „Wir können auf diese Weise in allen fünf Stadtteilen kleine, anständige Apartments vorhalten.“ Andere sind nicht so begeistert. In San Francisco, wo ebenfalls eine Debatte über die Zulassung von Kleinstwohnungen entbrannt ist, leisten Sozialverbände Widerstand. „Ist es akzeptabel, Menschen in Schuhschachteln unterzubringen? Welchen Standard setzen wir da eigentlich?“, fragt Tommi Avicolli Mecca, der die Beratungsabteilung des Mietervereins „Housing Rights Committee“ leitet. Kritiker fürchten auch, dass in die Wohnungen gerade nicht die kreativen Singles einziehen, für die sie gedacht sind, sondern arme Großfamilien, von denen viele seit Jahren vergebens auf Sozialwohnungen warten.

 

Doch das New Yorker Pilotprojekt, so viel steht fest, wird Ende des Jahres gebaut, für 15 Millionen Dollar, im Stadtviertel Kips Bay, zwischen Downtown und Central Park. Die Fläche ist gegenwärtig ein Parkplatz und gehört der Stadt. Für die Realisierung haben sich Mimi Hoang und Eric Bunge mit dem Entwickler Monadnock zusammengetan. Ihr Entwurf sieht 55 Wohnungen vor, die modular vorfabriziert werden – ein Novum in Manhattan. Drei Meter Raumhöhe und eine Schiebeglasfront mit Balkonaustritt vergrößern die Apartments optisch; sie wirken bei aller Kompaktheit überraschend geräumig. Das Wohnzimmer ist zugleich Schlafraum, Einbauschränke unterhalb der Decke sorgen für Stauraum. Es gibt jeweils ein separates Bad und eine kleine, komplett eingerichtete Küche.

Die Außenfront des neunstöckigen Gebäudes wollen Hoang und Bunge mit Klinker in vier Grautönen verkleiden. Es wird eine gemeinschaftliche Dachterrasse geben, mehrere Lounges, ein Fitnessstudio und ein Café, außerdem einen Abstellraum für Fahrräder und eine Waschküche. Für New Yorker Verhältnisse ist das ausgesprochen luxuriös. 40 Prozent der Wohnungen sollen subventioniert werden, ihre Miete liegt dann zwischen 900 und 1.900 Dollar. Für die übrigen werde sich ein Marktpreis bilden, heißt es.

Die Idee der Miniwohnungen geht zurück auf die Initiative „Making Room“ des gemeinnützigen New Yorker Citizens Housing and Planning Council, das 2011 fünf internationale Architektenteams um Ideen bat. Die Micro-Units erschienen der Stadt am einfachsten umsetzbar. Ein Allheilmittel zur Beseitigung der Wohnungsnot sind sie allerdings nicht, glaubt Allison Arieff vom Stadtplanungs-Think-Tank „SPUR“: „Ihr Erfolg hängt von dem urbanen Umfeld ab. Was sich draußen abspielt, muss spannend genug sein, um die fehlenden Möglichkeiten im Inneren auszugleichen.“

Christine Mattauch ist freie Journalistin in New York.

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