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Einbinden oder einzäunen

Was macht Gartenschauen nachhaltig? Koblenz und Berlin zeigen zwei Wege: Entweder man plant von vornherein für den künftigen Alltag und nicht nur für einen Sommer. Oder man etabliert eine Art Dauer-Gartenschau mit Zaun, Eintrittsgeld und hohem Pflegestandard.

29.04.20138 Min. Kommentar schreiben

Text: Cornelia Dörries

Die gerade eröffnete Internationale Gartenschau in Hamburg-Wilhelmsburg soll weitläufige, disparate Industrie- und Naturbrachen auf der Elbinsel in die grüne Matrix eines lebenswerten, attraktiven und umweltfreundlichen Großstadtquartiers verwandeln – in enger Verzahnung mit der Internationalen Bauausstellung (siehe DAB 2/2013). Wie frühere Gartenschauen, verspricht auch sie dauerhaften Wert, hier zur „Nachnutzung als Volkspark“. Die Hamburger wissen: Auch wenn der Erfolg einer Gartenschau vordergründig in Besucherzahlen und Umsätzen gemessen wird, erweist sich erst viel später, ob sich die teure Veranstaltung auch gelohnt hat. Lange nach den Shows, Schaubeeten und Staudenwettbewerben des Festsommers zeigt sich im Rückblick, ob sie tatsächlich und wie versprochen wegweisende Impulse für die langfristige Entwicklung von Stadt und Region gegeben hat. Die Weichen dafür werden schon bei der Planung einer Bundesgartenschau gestellt: entweder in einer gelingenden Integration des Geländes in die Stadt oder in einer aufwendig gepflegten Idylle – einer Gartenschau auf Dauer.

Rüdiger Dittmar ist als Leiter des städtischen Eigenbetriebs Grünflächen- und Bestattungswesen in Koblenz sozusagen der jüngste Nachlassverwalter einer Bundesgartenschau. Und man kann sagen, dass er sich zugleich als glücklicher Erbe versteht, denn für ihn war das Buga-Motto “Koblenz verwandelt” ein Versprechen, das tatsächlich gehalten wurde. “Der Übergang von der Bundesgartenschau 2011 zur Dauernutzung ist sehr gut gelungen. Die Veranstaltung wurde tatsächlich als Chance genutzt, Stadtentwicklung über Freiräume anzustoßen”, so Dittmar. In der Stadt an Rhein und Mosel bot das Großereignis die einmalige Gelegenheit, die Innenstadt über neu gestaltete Freianlagen und Wegeverbindungen wieder mit dem Schlossareal, dem berühmten Deutschen Eck und dem Flussufer zu verknüpfen und so die einzigartige landschaftliche Lage, geadelt mit UNESCO-Welterbestatus, in eine dauerhafte städtische Qualität zu verwandeln (siehe DAB 5/2011 und DABonline.de/tag/Buga).

Die zukünftige Nutzung der Anlagen war integraler Bestandteil sämtlicher Buga-Planungen, die unter der Federführung des Bonner Büros RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten erfolgten. „Die Frage war immer: ‚Was kann Koblenz sich leisten?’”, erinnert sich Dittmar. „Natürlich vertraten die Landschaftsarchitekten hier und da andere Standpunkte als die beteiligten Fachleute aus der Stadt. Doch jede Diskussion war immer die gemeinsame Suche nach dem besten Weg.”

Grob beschrieben, entschied man sich für ein Konzept, bei dem die temporäre Ausstellungsplanung mit ihren Schaugärten, Bühnen und Modellanlagen wie eine Folie über die auf Dauer angelegten Strukturen gebreitet wurde – mit dem Ziel, so viel wie möglich in eine ständige Nutzung zugunsten der Stadt zu überführen. Das praktische Erbe der Bundesgartenschau erwies sich am Ende größer als erwartet. So profitiert die Stadt nicht nur von den zusätzlichen und neu gestalteten Freianlagen, sondern nutzt selbst die eigens für die Gartenschau entwickelte Corporate Identity weiter. Selbst die 33 Meter lange Festtafel vor dem Schloss, eine Spende der örtlichen Tischler-Innung für den Buga-Sommer, ist dank des unerwarteten Zuspruchs erhalten geblieben und soll auch in diesem Jahr wieder zum Treffpunkt für alle werden, die vor schöner Kulisse essen, trinken oder einfach in der Abendsonne sitzen wollen.

Nicht zu unterschätzen ist für Rüdiger Dittmar das ideelle Vermächtnis von 2011. Die Gartenschau habe in der Bevölkerung ein neues Bewusstsein für den Wert und die Qualität der städtischen Freiräume und Gartenanlagen geschaffen. Das Spendenaufkommen zugunsten des kommunalen Grüns ist ebenso gewachsen wie das ehrenamtliche Engagement. So kümmern sich Mitbürger in Staudenpflegekreisen um die wertvolle Bepflanzung und werden dabei von der Stadt sowohl materiell als auch mit Fortbildungsmöglichkeiten unterstützt. Dank diesem Engagement können auch aufwendigere Bepflanzungen dauerhaft erhalten werden.

Keine Frage, für Koblenz war die Bundesgartenschau ein großer Gewinn. Den lässt sich die Stadt allerdings auch etwas kosten. Mit etwa 1,7 Millionen Euro pro Jahr schlagen die Aufwendungen nur für den Erhalt und die Pflege der Buga-Anlagen zu Buche. Doch für Grünflächen-Chef Dittmar sind diese Ausgaben eine Investition in die Zukunft. Denn mit dem Erfolg von 2011, der sichtbaren Aufwertung der Stadt und ihrer von vielen neu oder wiederentdeckten Attraktivität hat sich Koblenz auf gewisse Weise neu erfunden – als Ort, an dem Kultur, Natur und Gartenkunst verschmelzen. Unter der Marke „Koblenzer Gartenkultur“ soll das, was vor zwei Jahren mit der Buga begann, zum Standortfaktor mit entsprechenden Strukturen in Tourismus, Wirtschaft und Kultur ausgebaut und weiterentwickelt werden.

Strategien für gedeihliche Nachlasspflege

Seit 1951 fanden in Deutschland 31 Bundesgartenschauen statt. Die ersten wurden in stark kriegszerstörten Städten ausgerichtet und als grüner, hoffnungsvoller Gegenentwurf zur entbehrungsreichen Nachkriegs-Gegenwart sowie als Teil des Wiederaufbaus inszeniert. Die Gartenschauen der 1960er- und 1970er-Jahre hingegen bemühten sich vor dem Hintergrund des autogerechten Stadtumbaus um eine Bewahrung und Vernetzung des vorhandenen, oft von Verkehrsschneisen durchschnittenen städtischen Grüns. In den 1980er-Jahren wiederum gingen aus den Bundesgartenschauen etliche neue Parks und Stadtgärten hervor, die der Aufwertung dicht besiedelter Quartiere oder der stadtplanerischen Integration von ungenutzten Brachflächen dienten. Spätestens seit Mitte der 1990er-Jahre konzentrieren sich Bundesgartenschauen in Ost und West nicht nur auf die Anlage lokaler Parks und Gärten, sondern stoßen mit der Entwicklung landschaftsarchitektonischer Konzepte die Umwandlung ganzer Industrie- und Bergbauregionen sowie die Neuordnung städtischer Räume an– so auch die jetzt eröffnete Internationale Gartenschau in Hamburg-Wilhelmsburg, geplant vom Bonner Büro RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten.

In ihrer Geschichte spiegelt die Bundesgartenschau also ziemlich genau den Wandel der landschaftsplanerischen Aufgaben wider. Doch diese Vielfalt erlaubt nur bedingt einen Vergleich des langfristigen Erfolgs der jeweiligen Planungen. Was sich heute jedoch ganz objektiv bewerten lässt, sind Attraktivität, Pflege- und Erhaltungszustand, die Qualität der Anlagen, die Angebote für die verschiedenen Nutzergruppen sowie die mittelbaren Impulse für die Entwicklung des Umfelds. Und genau diese Aspekte sind für die Deutsche Bundesgartenschau-Gesellschaft (DBG) mit Sitz in Bonn ausschlaggebend, wenn es um die Verleihung des „Ehrenpreises für hervorragend nachhaltige Parknutzung“ geht. Mit dieser Auszeichnung werden seit 2007 ehemalige Standorte von Bundesgartenschauen gewürdigt, an denen es gelungen ist, die Erhaltung von gartenarchitektonischer Qualität mit einer Anpassung an die sich wandelnden sozialen, kulturellen und botanischen Rahmenbedingungen zu verbinden. „Auch wenn der Ehrenpreis nicht dotiert ist – als Anerkennung für den Wert einer Anlage sowie als Bestätigung des Pflegekonzepts genießt er hohes Ansehen und dient nicht zuletzt der Rechtfertigung des Budgets, das für eine langfristige Qualitätssicherung erforderlich ist“, so Sybille Eßer von der DBG. Den mit einer Baumspende verbundenen Preis für kluges Management und eine planvolle Entwicklungsstrategie erhielt neben dem 1951 entstandenen Rheinpark in Köln und dem Grugapark in Essen (1965) auch der Britzer Garten in Berlin, Schauplatz der Buga 1985. Dieser von Wolfgang Miller aus Stuttgart konzipierte Park zeigt auf sinnfällige Art, wie eine Stadt vom ambitioniert gepflegten Nachlass einer Gartenschau langfristig profitieren kann. Bei seiner Eröffnung vier Jahre vor dem Mauerfall war der Britzer Garten noch ein Ersatz für den fehlenden Zugang zum Umland. Und gerade in dicht bebauten Vierteln, wie dem Arbeiterbezirk Neukölln und der Großsiedlung Gropiusstadt, mangelte es der von Abwanderung geplagten Stadthälfte an qualitativ ansprechenden Freiräumen. In gewisser Weise sollte der 90 Hektar große Park also auch eine politische Aufgabe erfüllen und mit seinen kontemplativen Grün- und Freizeitangeboten die Unerreichbarkeit der freien Natur kompensieren helfen.

Dass dieses Konzept auch heute noch funktioniert, ist nicht etwa einer laufenden Anpassung an den Zeitgeist zu verdanken. Alles im Britzer Garten zeugt von einem fast altmodischen Beharren auf gartenkünstlerischer Qualität. Berlins Politik entschied, den Garten als umzäunten, eintrittspflichtigen Park weiterzuführen und Hunde, Fahrräder und Grillen konsequent zu verbieten. Trotzdem – oder gerade deshalb – kommen jährlich mehr als eine Million Besucher. Die Einnahmen aus den Eintrittsgeldern werden zum Erhalt des vorbildlichen Pflegezustands und für die Schaffung neuer Angebote genutzt. Der Unterhalt liegt nicht, wie bei anderen Berliner Anlagen, in Verantwortung des klammen Stadtbezirks, sondern gehört zum Bestand der landeseigenen Grün Berlin GmbH. Besucher genießen hier auch den Kontrast zu all dem, was Grünflächenämter und Parkbesucher nicht nur in der Hauptstadt zum Verzweifeln bringt: Personalnotstand, Geldmangel, Vandalismus, Verwahrlosung. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.

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