Text: Cornelia Dörries
Es ist rund zehn Jahre her, da schlug die Fernsehredakteurin Sabine Reeh den Programmverantwortlichen des Bayerischen Rundfunks ein eigenes Architekturformat vor. Die Reaktion fiel, vorsichtig formuliert, sehr verhalten aus. Architektur, so das Argument, gebe es doch reichlich im Programm. „Und das war ja auch nicht falsch: hier mal ein Architektenporträt, dort ein Bericht über einen Museumsneubau oder das Bauhaus“, erinnert sich Reeh. „Aber es waren zumeist Filme mit Hochkultur-Anspruch für eine sehr kleine, Architektur-affine Zielgruppe. Selbst die sehr erfolgreiche Reihe ‚Architektur der Jahrtausendwende‘ beschäftigte sich ausschließlich mit neuen anspruchsvollen öffentlichen Bauten in den Großstädten der Welt.“ Ihr schwebte etwas anderes vor, etwas, in dem von Architektur nicht als Hochglanzphänomen, sondern als Teil des Lebens normaler Leute erzählt wird.
Wahrscheinlich wäre ihr Vorschlag im Sande verlaufen, hätte sie nicht ihre Idee mit dem für Fernsehmenschen überzeugendsten Argument untermauern können: der Quote. Denn in der Kultursendung, die sie damals betreute, stiegen die Zuschauerzahlen immer dann steil an, wenn es um Baupolitik und Stadtentwicklung ging – Themen, die die Leute unmittelbar betrafen, interessierten und aufregten. Sabine Reeh ließ nicht locker und reichte den Vorschlag wieder und wieder ein. Im Jahr 2004 zahlte sich ihre Beharrlichkeit schließlich aus. Sie konnte mit der Arbeit an der Serie „Traumhäuser“ beginnen, deren blumiger Name möglicherweise darüber hinwegtäuscht, dass es sich nicht um Luxusvillen, sondern um gute Gegenwartsarchitektur für ganz normale Menschen dreht. Jede einzelne Folge erzählt die Geschichte von der Entstehung eines Hauses: vom Ausheben der Baugrube über erste Entwurfsskizzen bis hin zum Einzug der Bewohner. Es geht in den Episoden um die großen und kleinen Nöte der Bauherren ebenso wie um die guten und schlechten Ideen der Architekten, Phasen der Verzweiflung und Momente des Glücks. Und natürlich auch um Geld, enttäuschte Erwartungen und Kompromisse – eben all das, was so ein Hausbau mit sich bringen kann.
Der Erfolg der ursprünglich auf zehn Folgen angelegten, im April 2006 auf Sendung gegangenen Serie sprengte, was die Zuschauerzahlen und Kritiken anging, alle Erwartungen. Die anfangs zaudernden Programmchefs sahen ein, dass Architektur kein sperriges Elitenthema sein muss, wenn man es richtig anpackt – und stimmten der Fortsetzung des quotenträchtigen Formats zu. Doch die Popularität der Sendung rief auch bedenkenträgerische Architekten auf den Plan, die Zweifel an der fachlichen Qualifikation der Macher anmeldeten. Es stimmt: In der „Traumhäuser“-Redaktion gibt es keinen Architekten. „Aber das ist für uns kein Problem, sondern ein Vorteil“, so Sabine Reeh. „Schließlich geht es um die Vermittlung dieser Themen an ein nicht vorgebildetes, breites Laienpublikum. Da können wir als Nicht-Experten einfach die richtigen Fragen stellen. Und außerdem sorgt eine hochkarätige Fachjury für das verlässlich hohe Niveau bei der Auswahl der Projekte.“
Inzwischen arbeitet das Team an der fünften Staffel. Produziert wird im Zwei-Jahres-Rhythmus. „Wir brauchen so viel Zeit, weil die Häuser nicht binnen eines Jahres fertig werden“, erklärt Reeh. Sie selbst hätte nie geglaubt, dass aus ihrer Idee mal eine Serie mit Markenstatus hervorgehen würde, die längst nicht mehr nur im Bayerischen Fernsehen läuft, sondern ebenso von arte und in anderen dritten Programmen des ARD-Verbunds gezeigt wird. Der TV-Erfolg bescherte auch dem Online-Auftritt der Sendung hohe Klick-Zahlen, und die Deutsche Verlags-Anstalt (DVA) erkannte schnell, dass die große mediale Resonanz auch ein Buch zur Serie beflügeln würde. Zudem bekam Sabine Reeh von Beginn an Unterstützung der Bayerischen Architektenkammer und des BDA-Landesverbands. So organisierte der BDA eigene Filmvorführungen mit anschließender Diskussion in den großen bayerischen Städten, die örtliche Presse berichtete, und die Architektenkammer warb auf ihrer Website für die Sendungen und Vor-Ort-Veranstaltungen mit den Machern und Beteiligten. Die Säle waren immer voll. „Dieses ganze Rahmenprogramm und sein Erfolg ist ja auch darauf zurückzuführen, dass es eine Marktlücke gab“, so „Traumhäuser“-Redakteurin Reeh.
Dass nicht nur das glanzvoll inszenierte fertige Projekt gezeigt wird, sondern auch die schlammige Baugrube, unverputzter Gipskarton und Fallrohre – diese Vorstellung war manchen Architekten anfangs unheimlich. Sie hatten Bedenken, dass ihr ästhetischer Anspruch dabei untergeht. Denn die schnellen, bewegten Bilder des Mediums Fernsehen sind etwas anderes als die sorgsam ausgeleuchteten, menschenleeren Hochglanzpanoramen der handelsüblichen Architekturfotografie. Doch auch solchen Zweifeln kann das Redaktionsteam begegnen. „Am Ende des Films sind unsere sogenannten ‚Beauty Shots‘ des fertiggestellten Hauses zu sehen“, sagt Sabine Reeh. „Sie entsprechen in ihrer Qualität durchaus hochklassigen Fotos. Außerdem drängen viele Architekten ganz bewusst nicht mehr in die Hochglanzecke. Sie wollen nicht Millionenvillen bauen, sondern anspruchsvolle Architektur für ganz normale Leute.“
Zur Einreichung von Projekten sind ausschließlich Architekten berechtigt. Aus gutem Grund, denn das gestalterische Niveau, dem die Sendung eine Plattform bieten will, lässt sich nur durch professionelle Planer garantieren. Nicht zuletzt diese Strenge bei der Auswahl hat das Format bei der Architektenschaft so beliebt und glaubwürdig gemacht. Aber auch Aspekte, die über das einzelne Objekt hinausgehen, werden in den Filmen behandelt. Für ihre Verdienste um die Vermittlung von lebendiger Baukultur wurde Sabine Reeh im Jahr 2009 mit dem Bayerischen Architekturpreis ausgezeichnet. Sie bekam ihn gewissermaßen auch dafür, dass ein für Laien sperriger Begriff wie „Bebauungsplan“ in einer Publikumssendung am Sonntagnachmittag erklärt wird und die Zuschauer die erteilte Baugenehmigung so gerührt zur Kenntnis nehmen wie einen ersten Kuss. „Wenn sich Architekten jetzt bei uns melden, haben sie längst verstanden, dass es nicht reicht, ein tolles Projekt zu realisieren, sondern dass man eine Geschichte erzählen muss.“
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