Text: Roland Stimpel
Forscherdrang
Schon eine kleine Hochschul-Arbeit kann reif für den Tag der Architektur sein. Erforschen können dessen Besucher in der Weimarer Bauhaus-Universität eine mobile Forschungsstation. Der Mini-Bau besteht im Inneren aus Arbeitskoje mit Schlafnische und einem kleinen Vorraum mit Essküche. Gegenüber der Umwelt ist der transportable Bau mit verschiedenen Klappen je nach Bedarf geöffnet oder geschlossen. Erdacht haben ihn Ulrike Wetzel, Manuel Rauwolf, Matthias Prüger und Daniel Reisch. Einziges Problem am Tag der Architektur: Höchstens drei oder vier Menschen zugleich können ins Innere der Station.
Frische Mitte
Im bayerischen Dorf Wettstetten sind die Häuser meist weiß verputzt und von bieder-rustikaler Gestalt. Es lag nahe, so auch Wettstettens „Neue Ortsmitte“ zu gestalten. Gerade die „Neuen Mitten“ sind ja anderswo oft berüchtigte Orte, an denen Regionalkitsch und Sterilität eine üble Verbindung eingehen. Anders in Wettstettens frischem Zentrum mit Rathaus, Bürgersaal und Altenpflege, das als räumlich kleines Ensemble einen frischen Akzent im Dorf setzt – ein Werk des Augsburger Büros Bembé Dellinger mit Viktor Filimonow.
Interpretierte Baracke
Kleiner geht es kaum am Tag der Architektur: Gerade einmal sieben Quadratmeter misst das Gartengerätehaus in Regensburg, das der ortsansässige Architekt Helmut Hien augenzwinkernd als „Wellblechbaracken-Neuinterpretation in Sichtbeton-Wellblech-Bauweise“ bezeichnet. Zu den üblichen, oft pseudo-rustikalen Geräteschuppen bildet es einen wohltuenden Kontrast. Und es zeigt Hiens materialtechnische Offenheit: Der Architekt führt einen Holzbaubetrieb, macht aber zwischendurch auch mal Küchen-Arbeitsplatten aus Beton – oder Gartenhäuser, die gerade nicht aus Holz sind.
Mauer-Sport
Sportanlagen bilden oft eine Welt für sich – umzäunt und ohne gestalterischen Bezug zum Umwelt. Anders die Anlagen um die Sporthalle Oostkampstraße in Bad Langensalza, Thüringen. Sie sind komplett in die Stadt integriert: Eine 60-Meter-Bahn führt direkt an der Stadtmauer entlang; in den Grünanlagen daneben kann man weitspringen oder (wir sind an einer mittelalterlichen Mauer) schwere Kugeln stoßen. Wo diese Mauer endet, steht seitwärts die Sporthalle. Und auch der Ballspielplatz auf deren anderer Seite ist in das Alltagsleben des Kurstädtchens integriert. Eine Fußgängerbrücke über die Salza tut dazu ein Übriges. Verantwortlich für das Projekt ist der auf Sportanlagen spezialisierte Erfurter Architekt Joachim Casparius.
Entspannender Anbau
Großburgwedel bei Hannover ist als Standort des legendären Eigenheims von Christian Wulff in Erinnerung. Ein kleines Anbau-Projekt im Nachbardorf Kleinburgwedel zeigt, dass es auch in dieser Gegend ganz anders geht. Die Innenarchitektin Sybille Schrötke hat ein Gesamtkonzept vom sachlich-freundlichen Außendesign bis zur Gartengestaltung entworfen. Die 37 neuen Quadratmeter dienen zum Wohnen und Arbeiten, und ganz sicher dienen sie der vorstädtischen Entspannung sowie als Beleg für die These „Weniger ist mehr“.
Mondrian-Hütte
Noch ein Gartengerätehaus in Bayern, und noch eins ohne sichtbares Holz. „Mondrian“ heißt es, steht in Kempten und dient laut Tag-der-Architektur-Information als „farbenfrohes Bindeglied zwischen Zahnarztpraxis und Kindergarten“. Entworfen ist es von Rosa Felkner aus Waltenhofen-Oberdorf. Die zwölf Quadratmeter stehen am Architektur-Wochenende Besuchern für eine bunte Vormittagsstunde offen.
Kinder-Art-déco
Kitas und Kita-Ergänzungen entstehen überall in Deutschland. Extremformen des Designs sind das scheinbar kindgerechte Quietschbonbon und der erwachsenen-coole Sichtbeton. Aber es geht auch ganz anders, sogar mit einen Hauch von Art -déco. Ihn hat das im thüringischen Schmalkalden ansässige Büro Bießmann+Büttner (mit Thomas Hinz) mit einem Kita-Anbau auf die örtliche Hedwigswiese gebracht – mit Sportraum unten sowie Kreativ- und Personalraum im Obergeschoss. Die grünen Farben und das Fehlen eines Sockels sollen den Bau direkt mit der umgebenden Wiese verbinden. Drinnen ist er trotz der geringen Etagen-Flächen von jeweils etwa 100 Quadratmetern vielfältig gegliedert und belichtet. Die Entwerfer wollen die Kinder – und am Tag der Architektur auch Erwachsene – „zu Erkundungs- und Entdeckungstouren inspirieren“.
Mehr Licht für Goethe
Groß war der Geist, immer größer sind die Besucherzahlen. Aber räumlich kein Großprojekt ist wegen der beschränkten Flächen die Foyer-Gestaltung des Goethehauses am Weimarer Frauenplan. Vornehm-zurückhaltend empfängt das Entrée des Dichtertempels jetzt die Besucher – in der Architektursprache zeitgenössisch, in seinem Geist mit angemessenem Respekt vor dem Haus des Literaturfürsten. Kleine Räume sind zusammengelegt, der Museumsladen ist dagegen abgeschlossen und den legendären letzten Worten des Hausherrn „Mehr Licht“ mit einem LED-basierten System genüge getan. Geplant ist das Ganze vom Erfurter Innenarchitektur-Büro Albrecht von Kirchbach mit Ulf Ströde und Nadine Giel.
Ritter-Stahl
Früher wegen der Feinde, heute zum Brandschutz benötigen Festungen Fluchttreppen. Das gilt auch für die Burg Trausnitz auf einem Hügel über der Stadt Landshut. Und hier liegt das örtliche Büro efz-architekten genau richtig mit dem Einsatz von Cortenstahl, der in manch anderem Kontext eher fragwürdig ist und für die Geschmackskluft zwischen Architekten und Laien fast so sehr steht wie sonst nur noch Sichtbeton. An der Burg liegt jetzt rustikales dunkelrotes Metall mit einem trutzigen Schwung vor rustikalen dunklen Ziegeln. Begeistert wären sie gewesen, die alten Rittersleut’, hätten sie schon im Mittelalter so eine stilvolle Fluchttreppe gehabt.
Baumhaus barrierefrei
Der Münchener Architekt Thomas Straub hat den größten denkbaren Widerspruch überbrückt: Im Auftrag des städtischen Baureferats Gartenbau entwarf er zusammen mit Florian Flocken sowie Elisabeth Laschet und Sigrid Simmerstatter von der Fachhochschule Rosenheim ein barrierefreies Baumhaus. Der Bedarf ist am Neuhofener Berg im Stadtteil Sendling offenkundig da; auch die Tarzans werden schließlich älter. Ein Kompromiss war bei dieser Bauaufgabe allerdings unvermeidlich: Der barrierefreie Zugang führt als Brücke von einer oberen Hangkante zu den nahen Bäumen und erreicht sie weit unterhalb der Kronen.
Entwurf gezimmert
Was hat diese – pardon – Baracke auf dem Tag der Architektur zu suchen? Als Gestaltungskunstwerk eher wenig, als Beispiel für eingesetzten Fachverstand auch nicht. In den Projektinformationen heißt es offenherzig: „Der Entwurf wurde vom Bauherrn selbst erarbeitet, die Eingabeplanung und Beratung zu technischen Details vom Architekturbüro umgesetzt.“ Der Bauherr ist Zimmermann, unterhält im Haus sein Büro und öffnet das Werk als „Musterhaus für natürliches Bauen“. Wir meinen aber: Es gehört durchaus auf den Tag der Architektur – als Beispiel dafür, wie die Arbeitsteilung zwischen Bauherr und Architekt eher nicht aussehen sollte. Die Müncheberger Architektin Friederike Fuchs beweist auf ihrer Homepage, dass sie mit weniger forschen Bauherren deutlich ansehnlichere Projekte zuwege bringt.
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