Text: Uwe Wild
Der Termindruck auf Baustellen ist groß. Technologisch bedingte Wartezeiten sollen daher so kurz wie nur irgend möglich sein. Aus diesem Grund sind seit Jahren auch Schnellzementestriche mit deutlich kürzeren Trocknungszeiten als konventionelle Estriche auf dem Markt. Zum Vergleich: Traditionelle Zementheizestriche nach DIN 18560 sind frühestens etwa fünf Wochen nach Einbau mit einem Bodenbelag belegbar, ein Schnellzementestrich dagegen bereits nach 24 Stunden, wie Hersteller mitunter angeben. Bislang sind Letztere aber in keinen Regelwerken, wie DIN-Normen, Richtlinien und Merkblättern, erfasst. Durchweg positive Langzeiterfahrungen liegen ebenfalls nicht vor, weshalb sie nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik zugeordnet werden können. Insofern handelt es sich um nicht geregelte Sonderestriche, die nach den Vorschriften des jeweiligen Herstellers zu verarbeiten sind. Daraus ergeben sich für Planer, Ausführende und Bauüberwacher erhöhte Sorgfaltspflichten sowie besondere Hinweis- und Beratungspflichten dem Bauherrn gegenüber.
Funktions-Prinzip
Zu unterscheiden sind Schnellzementestriche aus werksgemischtem Trockenmörtel und Estriche, denen auf der Baustelle bestimmte Zusatzmittel beziehungsweise Trocknungsbeschleuniger zugegeben werden. Für Schnellzementestriche aus Werktrockenmörtel werden meist Bindemittelkombinationen aus Tonerdeschmelzzement mit Calciumsulfat oder Tonerdeschmelzzement mit Portlandzement eingesetzt. Diese Kombinationen können in kurzer Zeit eine größere Menge Wasser chemisch binden als der Portlandzement im traditionellen Zementestrich.
Da chemisch gebundenes Wasser nicht verdunsten muss, ist der Estrich schneller belegreif. Zusatzmittel, wie Fließmittel, zielen meist auf eine Reduzierung des Anmachwassers und somit auf eine Optimierung des Wasser-/Zement-Wertes (W/Z-Wert) ab, indem sie eine bessere Verarbeitbarkeit des Estrichmörtels gewährleisten. Je kleiner der W/Z-Wert ist, desto weniger Wasser muss verdunsten. Wie lange dies dauert, hängt – wie bei konventionellen Estrichen – entscheidend von den klimatischen Bedingungen ab.
Restfeuchte-Messung
Die Belegreife ist grundsätzlich durch eine CM-Messung (Calciumcarbid-Methode) zu prüfen. Den zulässigen Restfeuchtegehalt in CM-% muss der Hersteller angeben, da die üblichen Grenzwerte für die Belegreife für Schnellzementestriche nicht gelten. Allein die Angabe der „Trocknungszeit“ reicht nicht aus, da sie die klimatischen Bedingungen auf der Baustelle und die Estrichdicke nicht berücksichtigt. Eine CM-Messung ist relativ aufwendig, da die Probe über den gesamten Estrichquerschnitt (bei Parkett ausschließlich aus dem unteren Drittel) entnommen werden muss. Zerstörungsfreie Messungen mit elektronischen Messgeräten – zum Beispiel das kapazitive Messverfahren oder das Mikrowellenverfahren – dienen lediglich der Orientierung, um größere Feuchteansammlungen vorab zu lokalisieren. Bei einem Heizestrich bietet sich zudem der einfach zu handhabende Folientest an. Hierfür wird eine PE-Folie auf den Estrich gelegt, die Ränder werden luftdicht abgeklebt und die Heizung wird mit höchster Vorlauftemperatur betrieben. Haben sich nach 24 Stunden an der Unterseite der Folie keine Wassertropfen gebildet, ist die Belegreife des Estrichs wahrscheinlich erreicht. Jetzt kann die Ermittlung des exakten Restfeuchtegehalts durch eine CM-Messung erfolgen. Der Bodenbelag muss bei nachgewiesener Belegreife unmittelbar nach der zu protokollierenden CM-Messung aufgebracht werden, da der Estrich in Abhängigkeit von den raumklimatischen Bedingungen wieder Feuchtigkeit aufnehmen kann.
Zu beachtende Kriterien
Damit ein Schnellzementestrich allen am Bau Beteiligten keine Probleme bereitet, sollte zunächst im Rahmen der erhöhten Sorgfalts- und besonderen Hinweis- und Beratungspflichten der Bauherr informiert und mit ihm eine Vereinbarung über die Abweichung von den allgemein anerkannten Regeln der Technik getroffen werden. Bei der Planung ist frühzeitig zu bedenken, dass sich ein Schnellzementestrich nicht für hoch beanspruchte Nutzungen eignet – die erreichbare Festigkeit ist in der Regel auf C25 F4 (Biegezugfestigkeit 4 N/mm²) begrenzt. Außerdem müssen bei einem nicht geregelten Sonderestrich die Vorgaben des jeweiligen Herstellers für Verarbeitung und Einbau genauestens umgesetzt werden. Dies gilt insbesondere für den W/Z-Wert, das Mischungsverhältnis beziehungsweise die Dosierung bei Verwendung von Zusatzmitteln und Beschleunigern sowie für die raumklimatischen Bedingungen. Bei integrierter Fußbodenheizung muss der Schnellzementestrich – analog zu konventionellen Estrichen – fachgerecht auf- und abgeheizt werden. Für die erforderliche Wartezeit bis zum Beginn des Aufheizvorganges sowie das Aufheizprozedere gelten die Vorgaben des Herstellers. Schnellzementestriche mit Gipsbestandteilen dürfen nicht im Nass- und Außenbereich eingesetzt werden. Der Verwendungszweck ist dem technischen Merkblatt des Herstellers zu entnehmen.
Ein Nachteil von Schnellestrichen ist, dass der Einbau durch die kurzen Verarbeitungs- und Glättfristen bei höheren Temperaturen deutlich schneller erfolgen muss. Zur Ausführung empfiehlt sich ein Estrichleger mit entsprechenden Erfahrungen. Bei Heizestrichen ist zusätzlich die vom Bundesverband Flächenheizungen und Flächenkühlungen herausgegebene Fachinformation „Schnittstellenkoordination bei Flächenheizungs- und Flächenkühlungssystemen in Neubauten“ zu beachten. Unter anderem sind darin die jeweiligen Aufgabenbereiche der Baubeteiligten geregelt. Demnach sind Planer und Bauüberwacher im Rahmen der Gesamtplanung unter anderem für die Abstimmung folgender Bauleistungen verantwortlich: Heizung, Dämmung, Estrich und Oberbodenbelag. Weiterhin ist ein Fugenplan für alle Gewerke zu erstellen, der die Vorgaben des Schnellzementestrich-Herstellers hinsichtlich der maximalen Feldgröße berücksichtigt. Auch die Dichtheitsprüfung gemäß DIN EN 1264-4, das Funktions- und Belegreifheizen sowie die Feuchtemessung müssen überwacht und protokolliert werden. Die Muster der dafür erforderlichen Protokolle sind der Fachinformation zur Schnittstellenkoordination zu entnehmen und von den Beteiligten zu unterzeichnen. Sie dienen im Falle eines Schadens der Ursachenklärung.
Uwe Wild ist Sachverständiger für das Estrich-, Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerhandwerk in Brandis bei Leipzig.