Text: Simone Hübener
Das Jugendherbergs-Gebäude in der Nürnberger Burg war Kornhaus, kaiserliche Stallung, Kaserne und nach größeren Umbauten „Reichsjugendherberge“ der Nationalsozialisten. Nach dem Zweiten Weltkrieg standen nur noch seine Umfassungsmauern, seit 1952 ist der Bau wieder Jugendherberge. Das Deutsche Jugendherbergswerk machte später daraus ein Haus mit Tagungsräumen und Veranstaltungssaal sowie einem „Lernort“, an dem sich Schulklassen und Besuchergruppen mit kulturellen und historischen Themen beschäftigen können, unter anderem mit der Nazizeit. Dieses Konzept und die erhöhten Anforderungen an Komfort und Technik führten zu einem grundlegenden Umbau. Aus einem zweistufigen VOF-Verfahren ging 2009 die Arbeitsgemeinschaft der Büros Fritsch + Knodt & Klug ArchitektInnen aus Nürnberg sowie Franchi & Dannenberg, Architecture & Design aus München als Sieger hervor.
Ihr Konzept ist für die Gäste bereits am Empfang deutlich sichtbar und an dem sich anschließenden Gastro- und Loungebereich erkennbar. Die maßgefertigte Theke, an der die Gäste ein- und auschecken, hält Abstand zu den alten Sandsteinstützen und erzeugt mit ihrem klaren Design und der weißen Farbe ein modernes Ambiente. Dieses Spiel zwischen Alt und Neu, den historischen Formen des Bestands und den meist kubischen neuen Möbeln und Einbauten zieht sich durch die ganze Jugendherberge hindurch.
Unterm Dach ein Neubau-Gefühl
Den Gastrobereich und die benachbarte Lounge ließen die Architekten so vielfältig einrichten, dass jeder ein zu ihm passendes Plätzchen findet. Kleine Tische mit Stühlen gesellen sich zu langen Tischen mit Bänken oder Hockern, es gibt Sitzplätze in Alkoven für die introvertierteren Gäste und hohe Tische mit Barhockern für all jene, die gerne den Überblick haben. Die bereits erwähnten klaren Linien der Möbel und die Reduktion auf wenige Farben – Weiß, Dunkelbraun, Rot und das Hellbraun des Holzes – sorgen für eine Einheit in der Vielfalt. Gastrobereich wie Lounge sind glücklicherweise trotz der hohen Anforderungen an den Brandschutz keine abgeschlossenen Säle geworden. Dies konnte gelingen, da der Gastrobereich in Sachen Brandschutz eine eigenständige Einheit bildet. Die von oben kommenden Rettungswege führen direkt ins Freie, ohne dass dafür der zentrale Bereich des Erdgeschosses betreten werden muss. Die beiden kurzen Treppenläufe, die von dort ins erste Obergeschoss führen, werden im Brandfall mit selbstschließenden Türen versperrt. Der Rauch kann dadurch nicht in die oberen Etagen ziehen. Die beiden darüberliegenden Etagen mit Seminarräumen und Gästezimmern liegen noch innerhalb der drei in Massivbauweise errichteten Geschosse, bevor darüber das hohe Dach mit massiven Wänden bis zum sechsten und einer Holzkonstruktion im siebten und achten Obergeschoss beginnt. Da die Aufteilung der Zimmer und somit auch alle Eingänge erhalten blieben, ließen die Planer die alten Eichentüren mit ihren Segmentbögen lediglich aufarbeiten und anschließend wieder einbauen. Die Flurbereiche wirken deshalb sehr rustikal. Die braun angestrichenen Deckenbalken aus Stahlbeton, die wahrscheinlich nach ihrem Einbau in den 1950er-Jahren eine ähnliche Farbe hatten, verstärken diesen Eindruck.
Im Innern der Zimmer geht es allerdings genauso modern zu wie in den restlichen Räumen unterhalb des Daches. Die von den Architekten entworfenen Schränke und Betten – mal übereinander, mal nebeneinander –, der edel wirkende Holzfußboden, eine indirekte Beleuchtung für das ganze Zimmer und schlichte Leseleuchten am Bett eines jeden Gastes sorgen für einen angenehmen Aufenthalt. Intelligent gelöst ist auch das Thema „Doppelbetten oder getrennt stehendene Einzelbetten“. Beide Betten verfügen über ein eigens für diese Jugendherberge entworfenes Kopfteil mit einer Schiene, mit der sie je nach Bedarf auseinandergezogen oder zusammengeschoben werden können.
Äußerst praktisch und durchdacht ist zudem das Konzept der Bäder in den Mehrbettzimmern. Anstatt das komplette Badezimmer mit einer Tür vom Rest des Raums abzutrennen, planten die Architekten vor der Dusche und der Toilette eine Tür; das Waschbecken bleibt zum Zimmer hin offen. So können drei Gäste parallel die Sanitäranlagen nutzen, was die morgendliche und abendliche Warterei erheblich verkürzt.
Über diese beiden Zimmeretagen legen sich zwei „Sondergeschosse“ mit weiteren Seminarräumen und dem zweigeschossigen Eppelein-Saal, einer Art Aula mit 300 Plätzen. Er ist das Schmuckstück des Hauses und erstrahlt – analog zum Erdgeschoss – in einem gelungenen Mix aus Alt und Neu. Die Stützen aus Sandstein und die daran anschließenden gemauerten Bögen, die Deckenbalken und die Brüstung wurden liebevoll restauriert; der neue Holzboden und die Ringleuchter mit neuester LED-Technik bringen ein modernes Flair hinein.
In den restlichen vier darüberliegenden Geschossen wähnt sich der Gast in einem Neubau. Von der Konstruktion aus den1950er-Jahren, die teilweise ertüchtigt werden musste, ist kaum etwas zu sehen; neues Linoleum und farbig gestrichene Wände und Wandpartien tun ein Übriges. Auf Letzteren finden die Gäste florale Muster, in die QR-Codes eingebettet wurden. Wer diese mit seinem Smartphone oder Tablet einscannt, erfährt in kurzen Filmen Wissenswertes über die Geschichte sowie wichtige Persönlichkeiten Nürnbergs. So machten sich die Architekten den Spieltrieb der jungen Gäste für die Vermittlung kultureller Inhalte zunutze.
Herausforderung Tragwerk
Die Bausubstanz des Wiederaufbaus in den frühen Nachkriegsjahren bescherte so manche Überraschung. Es gab kein einheitliches Tragwerk; die Planer fanden jede Geschossdecke anders vor. Die Spannrichtung der Stahlbeton- und Hohlkörperdecken verlief mal in die eine, mal in die andere Richtung. Und an statische Reserven war schon gar nicht zu denken. Da vor allem die neue sanitäre Ausstattung mit Bädern in jedem Zimmer zusätzliche Lasten auf die Decken brachte, musste das entsprechende Gewicht anderswo herausgenommen werden. Wo dies nicht möglich war, wurden die Deckenbereiche, auf denen nun die Bäder angeordnet sind, durch neue Stahlbetonelemente ersetzt.
Da auch der Schallschutz verbessert werden musste, insbesondere hinsichtlich des Trittschalls, ließen die Planer die alten Verbundestriche entfernen und neue mit entsprechenden Dämmwerten einbringen. Ebenso herausfordernd waren die Abbrucharbeiten für den zweiten, neuen Aufzug, der vom Erdgeschoss bis hinauf ins sechste Obergeschoss führt. In manchen Decken mussten Hauptunterzüge durchtrennt und an diesen Stellen aufwendig abgefangen werden. Eine neue Bodenplatte war auch deshalb vonnöten, da die alte aus Granitplatten bestand und für die heutige Nutzung mit all ihren Lasten nicht tragfähig genug war.
Neue Technik im alten Gemäuer
Auch bei diesem Projekt spielt die Wärmedämmung eine große Rolle. Auf die Innenseite der Außenwände wurde dort, wo der Sandstein nicht sichtbar ist, ein acht Zentimeter dicker, rein mineralischer Dämmputz ohne absperrende Bestandteile aufgebracht, die Laibungen erhielten vier Zentimeter dicke Dämmplatten. Das Dach wurde mit einer 20 Zentimeter starken Aufsparrendämmung energetisch verbessert, wobei allerdings seine Geometrie nicht verändert werden durfte. Die Handwerker stockten die Ortgänge mit Ziegeln auf. Ein Unternehmen, das das alte Format noch produziert, konnte glücklicherweise gefunden werden. Zwecks Erhalt der Geometrie mussten alle Dachgauben – und es sind bei der Nürnberger Burg nicht gerade wenige –nach oben und nach vorne versetzt werden. Bei der Planung der Haustechnik mussten die unterschiedlichen Deckenkonstruktionen und Nutzungen der Geschosse berücksichtigt werden. Die meisten Leitungen und Rohre für Frisch- und Abwasser, für die Abluft aus den Bädern und für die Heizung konnten nicht senkrecht von oben nach unten geführt werden, denn der Verlauf musste dem Tragwerk angepasst werden. Vor dem Eppelein-Saal im dritten und vierten Obergeschoss, dessen großer, stützenfreier Innenbereich von jeglicher Leitung freibleiben sollte, ließen die Planer alles an die Dachschräge führen. Für die Zimmer im zweiten und dritten Obergeschoss mussten dann wieder die innen liegenden Bäder angefahren werden, bevor für die offenen Bereiche im Erdgeschoss alles erneut zur Seite rückt.
Die Gäste sehen heute von alledem nur das Ergebnis. Sie dürfen sich fortan an dem neu entstandenen Komfort erfreuen, die schönen Zimmer und das angenehme Raumklima genießen und sich im historischen Gemäuer mit modernem Flair wohlfühlen.
Simone Hübener ist Fachjournalistin für Architektur und Bauen in Stuttgart