Text: Simone Hübener
Die Wohnanlage der Stiftung der Cellitinnen zur heiligen Maria in Düren, entworfen von JSWD Architekten, bietet neben einem Seniorenhaus mit 100 Pflegeplätzen und 49 Wohnungen auch ein Wohnhaus mit 17 Einheiten für nicht pflegebedürftige Menschen.
Was sich nach einer großen Differenzierung anhört und aufgrund der Gebäudefassaden auch so aussieht, ist im Alltag ein freundliches und offenes Miteinander. Denn die Haltung der Cellitinnen bildet die Grundlage für den architektonischen Entwurf. Der Einzelne soll möglichst lange am gemeinsamen Leben teilhaben; der wechselseitige Kontakt zwischen den Bewohnern, zwischen Jung und Alt, aber auch zu den Dürener Bürgern wird gefördert. All dies spiegelt sich in der Architektur der Anlage wider – doch in vollem Umfang erst, seit mit einem neuen Seniorenwohnhaus und der Erweiterung des Kindergartens in diesem Jahr das gesamte Ensemble vollendet wurde. Der erste Bauabschnitt des Seniorenhauses St. Gertrud wurde bereits 2005 eröffnet und stellt sich nach außen wie ein klassisches Altenwohn- und Altenpflegeheim dar. Die einzelnen Apartments und Wohnungen sind durch die gläsernen Erker an der Fassade eindeutig ablesbar; hochformatige Fenster(-türen) kennzeichnen die halböffentlichen Bereiche im Erdgeschoss.
Umrahmt wird alles von einer schlichten, hochwertigen, hellroten Klinkerfassade; den oberen Abschluss bildet ein Satteldach ohne Überstand. Wer zum ersten Mal hier ist, vermisst allerdings an der Straßenseite den Haupteingang. Dieser ist dem großzügigen, bepflanzten und möblierten Innenhof zugeordnet, zu dem sich alles orientiert.
Durch einen breiten, hohen Durchgang gelangt man dorthin – und dem Besucher strahlt der gläserne Eingangs- und Verbindungstrakt entgegen. Auch die Kapelle und der zum Ensemble gehörende Kindergarten werden von dort erschlossen. Die alten Menschen können, auf Bänken sitzend, vom parkähnlichen Garten aus den Kindern beim Spielen zuschauen und zuhören; Dürener Bürger sollen und dürfen dort eine Auszeit nehmen – wenn sie die Grünfläche denn finden oder um sie wissen. Der Eingang des neuen Restaurants, das mit dem zweiten Bauabschnitt verwirklicht wurde, ist dagegen in der zur Kölnstraße ausgerichteten Fassade angeordnet und dadurch gut sichtbar.
Das passt auch besser zum betrieblichen Ansatz des Seniorenhauses, den dessen Leiter Helmut Klein wie folgt formuliert: „Wir verstehen unser Haus als Teil des Lebens in der Stadt.“ Zusätzlich zur Gastronomie entstanden während der zweiten Bauphase weitere Apartments und Wohnungen, die zum Seniorenhaus zählen, sowie das neue Wohnhaus, das direkt daran anschließt. Für die Erweiterung griffen die Architekten auf das Konzept und die Materialien des bereits bestehenden Gebäudes zurück. Und das ist auch gut so, denn im Innern gehören die beiden Teile ebenfalls zusammen. Das Seniorenwohnhaus setzt sich dagegen deutlich ab. Dünnformatige, beige Klinker und großflächige Elemente aus perforierten, dreidimensional verformten Metalltafeln mit wellenförmiger Struktur verleihen der Fassade einen sehr modernen Charakter und lassen das Seniorenwohnhaus nach außen eher wie ein schickes Townhouse erscheinen.
Kubisch modern
Noch stärker als beim Seniorenhaus ist hier auch die Hinwendung zum Garten. Zum Straßenraum öffnet sich der Baukörper lediglich über wenige schmale Fenster und eine gläserne Ecke, die den Eingang markiert. Anders die gegenüberliegende Fassade: Die Loggien sind wie große Kuben in die Fassade eingeschnitten und reihen sich in gleichen Abständen an- und übereinander.
Der zum Haus gehörende Garten ist zwar mit den Grünanlagen der anderen Gebäude verbunden – dank Parkplätzen und Tiefgaragenzufahrt nehmen die Bewohner aber wohl lieber den Weg durch das Gebäude und über den Innenhof. Hierfür und wegen anderer gemeinsamer Aktivitäten von Seniorenhaus und Seniorenwohnhaus verbanden die Architekten beide Gebäude miteinander.
So treffen sich in dieser Anlage rüstigere und weniger rüstige Senioren, Dürener jeden Alters und spielende Kinder immer wieder an verschiedenen Orten.
Damit unterstützt die Architektur das Konzept der Cellitinnen und fördert zugleich das lebendige Miteinander der Generationen. Auch die Qualität der Betreuung und Pflege schlug sich auf die Architektur nieder. Der Bauherr hält das eine hoch, weshalb das andere nicht schlechter sein darf.
Senioren-Komfort am Weißenhof
Hochwertige Architektur zeichnet auch das Augustinum auf dem Stuttgarter Killesberg von Wulf Architekten aus (damals noch wulf & partner). Und auch der Städtebau überzeugt, wenngleich diese Anlage deutlich sichtbar mehr auf Individualität denn auf Gemeinschaft setzt. Die vier Doppeltürme, in denen die 290 Wohnungen untergebracht sind, resultieren aus zwei verschiedenen Faktoren. Je geringer die Grundfläche jedes Gebäudes, desto größer ist zum einen der Außenbezug der einzelnen Wohnungen. Zum anderen war es dadurch möglich, auf jeder Etage maximal sechs Wohnungen anzuordnen. Die Zugangsbereiche ähneln mehr einem gewöhnlichen Mehrfamilienhaus als einem Seniorenheim.
Zudem musste der Neubau harmonisch in seine Umgebung eingebettet werden. Diese ist von der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, der Weißenhofsiedlung, dem Höhenpark Killesberg und der Bebauung des Areals der ehemaligen Stuttgarter Messe geprägt.
Dem ansteigenden Gelände angepasst, stuften die Architekten die Kuben zusätzlich in der Höhe ab. Von außen erscheinen die acht Wohnkuben mit ihren hellgrauen Putzflächen, den weißen Öffnungsflügeln und den dunkel wirkenden Verglasungen sehr edel. Im Innern gesellen sich hellbeige Böden zu weißen Wänden und Decken sowie zu dunklen Lampen, Einbauten und Geländern.
Eine breite Magistrale verbindet die öffentlichen und die halböffentlichen Bereiche und ermöglicht es den Senioren, auch bei schlechtem Wetter oder an heißen Sommertagen geschützt das hauseigene Restaurant zu erreichen. Der Speisebereich dient wie in Düren auch im Augustinum als einer der Treffpunkte für alle Bewohner. Doch während in Düren alle Bewohner möglichst lange an den gemeinsamen Mahlzeiten teilhaben sollen, gestaltet sich das im Augustinum anders. Für die weniger rüstigen alten Menschen wurde ein Tagespflegebereich eingerichtet, was generell zu begrüßen ist. Denn dort werden sie versorgt und unterhalten und müssen nicht den ganzen Tag allein verbringen. Zum Essen bleiben jene, die dabei bereits auf Hilfe angewiesen sind, allerdings auch in diesen Räumen – zum Schutz der eigenen Privatsphäre, wie es heißt. Es macht sich jedoch der Eindruck breit, als wollten auch viele der anderen Bewohner es nicht mitansehen, wie ein anderer älterer Mensch beispielsweise gefüttert werden muss.
Die Architekten können dafür nichts. Sie haben es den alten Menschen allerdings aufgrund ihres Gestaltungswillens an einer anderen Stelle schwer gemacht.
Denn in den meisten Wohnungen gibt es keine klassisch zu öffnenden Fenster, sondern Festverglasungen und mit Paneelen geschlossene Öffnungsflügel. Die Fassade wirkt dadurch, wie erwähnt, sehr edel und schön. Den Bewohnern bereitet diese ungewohnte Ausstattung dagegen besonders am Anfang große Probleme. Hier hätten besser die Nutzer im Vordergrund stehen sollen. An zahlreichen anderen Stellen bringen die Gedanken, die sich die Architekten über viele Kleinigkeiten gemacht haben, jedoch gute und qualitativ hochwertige Lösungen mit sich. So setzt sich die Höhe der Fensterbrüstungen in der Brüstungshöhe der Loggien fort, was sowohl von innen als auch von außen zu einem ruhigen Erscheinungsbild führt. Filigrane, aufgesetzte Geländer sorgen im Außenbereich dafür, dass die geforderte absturzsichere Höhe erreicht wird. Auf diese Weise verbinden sich in der Architektur und im Konzept Komfort und Ästhetik miteinander und sorgen dafür, dass sich die Bewohner hier wohlfühlen.
Simone Hübener ist Fachjournalistin für Architektur und Bauen in Stuttgart