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Übertrieben unterschrieben

Die neue HOAI verlangt für zahlreiche Vereinbarungen die Schriftform. Das schafft Probleme

27.01.20148 Min. Kommentar schreiben

Text: Erik Budiner

In die HOAI 2013 sind zahlreiche Schriftform-Erfordernisse eingefügt worden. In vielen Fällen geschah dies ohne Rückkoppelung mit dem Kennen der Berufspraxis erst in letzter Minute, als das Anhörungsverfahren schon abgeschlossen war. An 43 Stellen findet sich nun die Vorgabe, dass die Vertragsparteien über Honorarfragen eine schriftliche Vereinbarung treffen müssen (siehe hier, oder DAB, Ausgabe 8/2013, Seite 40, und DABonline.de/tag/Schriftform). Fraglich ist, ob diese wohl in erster Linie als pädagogisch gedachten Maßnahmen tatsächlich mehr Transparenz und Vertragssicherheit bringen.

In der HOAI selbst wird die Schriftlichkeit nicht definiert. Eindeutige Klarstellungen hierzu fehlen sowohl in der amtlichen Begründung als auch in den Anwendungshinweisen des BMVBS. Um aber in jedem Fall Honorarnachteile zu vermeiden, sollte man hier der bisherigen Rechtsprechung und der herrschenden Meinung in der Kommentarliteratur folgen. Danach bedeutet Schriftlichkeit das, was im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt ist. § 126 BGB definiert die Schriftform. Sie ist nur dann gewahrt, wenn beide Vertragspartner (oder bevollmächtigte Vertreter) den Inhalt einer Urkunde durch ihre Namensunterschriften bestätigt haben. Wechselseitige Bestätigungsschreiben oder die Hingabe eines nur von einer Vertragspartei unterzeichneten Bestätigungsschreibens genügen diesen Anforderungen also nicht. Insoweit gilt nur eine Erleichterung (§ 126 Abs. 2 BGB): Wenn mehrere absolut gleichlautende Fassungen der Urkunde existent sind, reicht es, wenn jeder Vertragspartner die für den anderen Teil bestimmte Urkunde unterzeichnet beziehungsweise die unterzeichneten Urkunden ausgetauscht werden.

Die in der HOAI enthaltenen Formvorschriften können sich nur auf die jeweiligen Honorarvereinbarungen beziehen. Dies bedeutet, dass bei Nichtbeachtung der Schriftform lediglich die einzelne Honorarvereinbarung betroffen ist, der Architektenvertrag als Ganzes bleibt davon unberührt. Er kann selbstverständlich rechtswirksam mündlich vereinbart werden.

Zeitpunkt: sofort oder später?

Uneinheitliche Regelungen gibt es bereits hinsichtlich des Zeitpunkts, zu dem die Vereinbarung getroffen werden muss. Die Mehrzahl der Vorschriften enthält keine Angabe zum Zeitpunkt. Dann ist eine gültige Vereinbarung so lange möglich, wie noch keine Schlussrechnung übergeben wurde.

Anders bei einer Vereinbarung über eine Abweichung vom Mindestsatz oder eine pauschale Abrechnung von Nebenkosten: Hier muss die schriftliche Vereinbarung gleichzeitig mit der Beauftragung der Leistungen „bei Auftragserteilung“ erfolgen (§ 7 Abs. 1 bzw. § 14 HOAI). Da sich diese Regelung bereits aus der Ermächtigungsgrundlage der HOAI, dem sogenannten Artikelgesetz (MRVG), ergibt, war auch schon bisher klar, dass die Vereinbarung nicht zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden kann. Aufgrund der strikten Vorgaben im Artikelgesetz wird eine nicht oder verspätet getroffene Vereinbarung über den Honorarsatz stets und unausweichlich zu einem Honoraranspruch nur in Höhe des Mindestsatzes führen. Dennoch haben die befassten Ministerien zusätzlich eine verschärfte Beweislastregel mit § 7 Abs. 5 HOAI eingeführt. Es wird nun „unwiderleglich vermutet“, dass der Mindestsatz gilt, wenn die schriftliche Vereinbarung nicht tatsächlich im Zusammenhang mit der Beauftragung getroffen worden ist. Derart rigide Beweislastregeln sind bislang eigentlich nur aus dem Scheidungsrecht bekannt.

Eine weitere Regelung zum Zeitpunkt der schriftlichen Vereinbarung findet sich in § 4 Abs. 3 HOAI. So sind Umfang und Wert der mitzuverarbeitenden Bausubstanz zum Zeitpunkt der Kostenberechnung (gegebenenfalls der Kostenschätzung) festzulegen „und schriftlich zu vereinbaren“. Nachdem die Kostenberechnung die abschließende Leistung der Leistungsphase 3 (zum Beispiel beim Leistungsbild „Gebäude“) darstellt, wird diese schriftliche Vereinbarung zweckmäßigerweise vor dem Einreichen des Bauantrages getroffen. Anders aber als bei der vorgenannten Vereinbarung über den Mindestsatz kann es sich hier nicht in jedem Fall um eine endgültige Regelung handeln. Wenn sich die Vorgaben des Umbaus ändern, muss auch die insoweit getroffene Honorarvereinbarung über den Wert der anrechenbaren Bausubstanz einer Überprüfung zugänglich sein. Zu empfehlen ist, dass auch die korrigierte Vereinbarung vor Erstellung der Schlussrechnung schriftlich fixiert wird.

Nur wenn tatsächlich die Verordnung selbst einen Zeitpunkt vorschreibt, ist dieser maßgeblich. Der in der amtlichen Begründung zu § 6 Abs. 2 enthaltene Passus, dass auch der Umbauzuschlag „bei Auftragserteilung“ schriftlich zu vereinbaren sei, ist mangels anderslautender Regelung in § 6 Abs. 2 HOAI ohne Belang. Die dort ebenfalls enthaltene verschärfte Beweislastregel in Form einer unwiderlegbaren Vermutung geht daher weitgehend ins Leere, da eine schriftliche Vereinbarung tatsächlich auch noch unmittelbar vor Stellung der Schlussrechnung getroffen werden kann.

Nach den allgemeinen Grundsätzen des Schuldrechts muss eine Vereinbarung mindestens so klar getroffen sein, dass ihr Inhalt im Streitfall bestimmbar ist. Für Vereinbarungen im Honorarbereich muss dies in besonderem Maße beachtet werden. Da die HOAI hier keine unmittelbaren Vorgaben enthält, ist es Aufgabe der Vertragsparteien, die schriftliche Vereinbarung so abzufassen, dass der Wille der Vertragsparteien ablesbar und gegebenenfalls auch für Dritte erkennbar ist, etwa für Sachverständige oder Richter. Für Vereinbarungen zum Honorarsatz mag dies trivial sein. Bei Vereinbarungen über die Anrechenbarkeit der mitverarbeiteten Bausubstanz stellt sich dies deutlich schwieriger dar. Hier sollte die Vereinbarung insbesondere den Umfang, die Berechnungsmethode und schlussendlich den Wert nachvollziehbar beschreiben – auch im Hinblick auf mögliche Veränderungen. Ähnliches gilt für die Vereinbarung des Umbauzuschlags gemäß § 6 Abs. 2 i. V. m. § 36 HOAI. Wird keine Vereinbarung zum Umbauzuschlag getroffen, ergibt sich über § 6 Abs. 2 HOAI die Zuschlagshöhe (20 Prozent) aus der Verordnung selbst.

Wenn der Auftraggeber nicht unterschreiben will

Das Fehlen einer schriftlichen Vereinbarung kann im Einzelfall sogar zum vollständigen Verlust einer an sich berechtigten Honorarforderung führen (Beispiel: bei § 8 Abs. 3, der das Honorar für zusätzlichen Koordinierungs- und Einarbeitungsaufwand regelt).

Wenn aber eine schriftliche Vereinbarung bis unmittelbar vor der Schlussrechnung noch wirksam getroffen werden kann, also auch nach Erbringen der fraglichen Leistungen, stellt sich eine weitere Frage: Was, wenn eine Vertragspartei die Vereinbarung nicht unterzeichnet? Gründe dafür können schwerfällige Entscheidungsstrukturen auf Auftraggeberseite, Dissens über den Inhalt der Vereinbarung oder die schlichte Verweigerung einer Vereinbarung sein.

Dies wird besonders in Fällen zu Schwierigkeiten führen, in denen die HOAI eine bestimmte Berechnungsmethode zwingend vorgibt, diese aber mit einer schriftlichen Vereinbarung verbindet. Beispielsweise ist in § 4 Abs. 3 S. 2 zwingend vorgeschrieben, dass mitzuverarbeitende Bausubstanz bei der Berechnung der anrechenbaren Kosten berücksichtigt werden muss. Umfang und Wert müssen allerdings schriftlich vereinbart werden. Das gilt auch für Änderungsleistungen, die tatbestandlich von § 10 Abs. 1 HOAI erfasst sind. Die Verordnung sieht zwingend vor, dass bei Änderungen, die Auswirkungen auf den Umfang der beauftragten Leistungen und damit auch auf die Kosten haben, die Honorarberechnungsgrundlage anzupassen ist – auch hier schriftlich.

Für beide Fälle ist daher zu klären, ob die Verweigerung einer schriftlichen Vereinbarung den vom Verordnungsgeber festgelegten Honoraranspruch zu Fall bringen kann. Die Antwort hierzu hat der Bundesgerichtshof mit seiner Entscheidung zur Berücksichtigung mitzuverarbeitender Bausubstanz nach § 10 Abs. 3a HOAI 1996 gegeben (BGH 27.2.2003 VII ZR 11/02). Der entsprechende Leitsatz lautet:

„Das Schriftformerfordernis in § 10 Abs. 3a HOAI ist keine Anspruchsvoraussetzung. Der Architekt oder Ingenieur kann unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 3a 1. Halbsatz HOAI auch dann, wenn eine schriftliche Vereinbarung scheitert, sein Honorar nach anrechenbaren Kosten berechnen, bei denen die vorhandene Bausubstanz angemessen berücksichtigt ist. Im Streitfall muss das Gericht darüber entscheiden, in welchem Umfang die Berücksichtigung stattfindet.“

Der herrschenden Meinung folgend, stellt der BGH zu Recht fest, dass der damals geltende § 10 Abs. 3a bereits für sich gesehen anspruchsbegründend war und sich das Schriftformerfordernis daher nur auf den Umfang oder den konkret anzusetzenden Wert beziehen konnte. Diese Entscheidung und die sie tragenden Gründe sind ohne Weiteres auch auf die Vorschriften der HOAI 2013 übertragbar. Auch hier muss gelten, dass ein gegebenenfalls sogar vertragswidriges Verhalten eines Vertragspartners, das nicht den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entspricht, einen vom Verordnungsgeber grundsätzlich festgelegten Honoraranspruch nicht zu Fall bringen kann.

Praxisprobleme und Gerichtstermin

Das an vielen Stellen eingeführte Schriftlichkeitsgebot von Honorarvereinbarungen bedeutet für die Praxis ein erhebliches zusätzliches Streitpotenzial. Gerade auch öffentliche Auftraggeber wünschen einerseits den zügigen Beginn der Planung. Andererseits dauert es oft länger, bis eine ordnungsgemäße schriftliche Vereinbarung mit der vertretungsberechtigten Person zustande kommt. Zugleich steht aber dem Architekten möglicherweise kein Recht auf Leistungsverweigerung zu, weil die schriftliche Vereinbarung noch fehlt. So bleibt nur die Möglichkeit, das angemessene Honorar dennoch mit der Schlussrechnung in Rechnung zu stellen. Falls dann der Auftraggeber die Zahlung mit Hinweis auf die fehlende Schriftform verweigert, muss man mit einer Honorarklage auf die Hilfe der Gerichte setzen.

Situation und Rechtslage sind durch die Neufassung der HOAI teilweise ohne plausible rechtliche Begründung verschärft. Dies kann nicht befriedigen und wird in der Praxis zu Problemen führen. Es zeigt die ganze Brisanz dieser Neuregelungen, dass nun auch die Honorarvereinbarung über Änderungsleistungen (§ 10 Abs. 1 HOAI) dem Schriftformdiktat unterworfen wird – also ein alltäglicher und sich häufig wiederholender Vorgang im Rahmen der Erfüllung eines Architektenvertrages.

Erik Budiner ist Rechtsanwalt in München.

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