Text: Hans Christian Schwenker
An der Steilküste von Rügen stand ein Altbau, den die Eigentümerin sanieren wollte. Ein von ihr in Auftrag gegebenes Baugrundgutachten empfahl einen bebauungsfreien Sicherheitskorridor. Der von ihr beantragte Bauvorbescheid wurde abgelehnt, weil die Standsicherheit des Hanges in diesem Bereich nicht gewährleistet sei. Die Baugenehmigung wurde dann aber erteilt – mit der Auflage, genauere Bodenuntersuchungen vorzunehmen. Das unterließen aber Architekten und Statiker. Etwa 15 Monate nach Fertigstellung brach ein großes Stück der Steilküste weg. Der unmittelbar an der Abbruchstelle gelegene Altbau durfte nicht mehr genutzt werden; später musste das Gebäude abgerissen werden. Die Bauherrin verlangt von den Beklagten Schadensersatz von rund 2,9 Millionen Euro.
Der Bundesgerichtshof sprach der Bauherrin jedoch ein Mitverschulden zu (Urteil vom 20.6.2013 – VII ZR 4/12). Zwar stellte der BGH fest: „Der mit der Grundlagenermittlung beauftragte Architekt muss mit dem Auftraggeber erörtern, ob dieser trotz ihm bekannter risikoreicher Bodenverhältnisse – hier: unzureichende Standsicherheit des Bauvorhabens wegen der Lage an einem abbruchgefährdeten Steilhang – an dem Bauvorhaben festhalten will.“ Und er urteilte: „Unterlässt der Architekt die gebotene Erörterung, ist er beweispflichtig dafür, dass der Auftraggeber an dem Bauvorhaben festgehalten hätte, wenn ihm die Gefährdung in ihrer ganzen Tragweite bewusst gemacht worden wäre.“ Jedoch verkündete der BGH zulasten der Bauherrin: „Muss sich dem Auftraggeber aufgrund eigener Kenntnis tatsächlicher Umstände aufdrängen, dass die Planung des Architekten sowie die Statik des Tragwerksplaners eine bestimmte Gefahrenlage in Kauf nehmen, verstößt der Auftraggeber regelmäßig gegen die in seinem eigenen Interesse bestehende Obliegenheit, sich selbst vor Schaden zu bewahren, wenn er die Augen vor der Gefahrenlage verschließt und das Bauvorhaben durchführt.“
Der BGH stellte fest, dass die Beklagten ihre vertraglichen Pflichten in zweifacher Hinsicht verletzt haben: Sie haben die Risiken eines möglichen Steilhangabbruchs mit der Bauherrin zu erörtern. Diese kannte zwar die Umstände, aus denen sich die Gefährdung ergab. Das gestattet aber nicht den Schluss, dass sie deren gesamte Tragweite zutreffend bewertet hat. Zum anderen haben die Beklagten die gebotenen weiteren Baugrunduntersuchungen nicht veranlasst.
Ein Auftraggeber muss sich aber, soweit er kann, selbst vor Schaden bewahren. Gegen diese Obliegenheit verstößt er, wenn sich ihm aufgrund eigener Kenntnis tatsächlicher Umstände die Tatsache aufdrängt, dass Architekten und Tragwerksplaner eine bestimmte Gefahrenlage in Kauf nehmen. Der Auftraggeber darf die Baumaßnahme nicht ohne Weiteres auf der Grundlage offenkundiger Risiken vornehmen lassen.
Im konkreten Fall wusste die Bauherrin, dass der Altbau in einem von Bebauung frei zu haltenden Sicherheitskorridor lag. Der auf die Bauvoranfrage erteilte Ablehnungsbescheid war unter anderem damit begründet worden, dass die Standsicherheit des Steilhanges nicht gewährleistet sei. Die spätere Baugenehmigung enthielt sich hierzu ausdrücklich einer verbindlichen Aussage. Vor diesen Umständen durfte die Klägerin nicht die Augen verschließen.
Das Urteil fügt sich nahtlos in die Reihe der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs aus den letzten Jahren ein, in denen der an sich gegebene Schadensersatzanspruch des Bauherrn dadurch gemindert wurde, dass er sich ein Mitverschulden anrechnen lassen muss. In einem früheren Urteil hat der BGH einem Bauträger, der auf Vorschlag seines Architekten aus Kostengründen die allgemein anerkannten Regeln der Technik zu unterlaufen versuchte, den Schadensersatzanspruch an den Architekten um zwei Drittel gekürzt: Ihn treffe „ein erhebliches Mitverschulden an dem Schaden“, da er „blind auf die rechtliche Annahme des Architekten vertraut“ habe (BGH, Urteil vom 20.12.2012 – VII ZR 209/11 – siehe auch hier oder DAB 4/2013, Seite 46).
Hans Christian Schwenker ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht in Hannover.
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