Text: Roland Stimpel
Ein neues Plagiat? Im österreichischen Andelsbuch steht jetzt ein Ausstellungsbau von Peter Zumthor, der verblüffend der Neuen Nationalgalerie von Mies van der Rohe ähnelt: eine Glaskiste auf Plattform, darüber ein weit auskragendes schwarzes Flachdach – Klein-Berlin im Bregenzerwald. Aber Zumthor steht hoch über jedem Klau-Verdacht. Ihm ist die Sache nicht peinlich, sondern er lässt durch seine Projektleiterin Rosa Gonçalves ausrichten, dass er sich vom Vergleich mit Mies geehrt fühle. „Die Ähnlichkeit ist uns bewusst“, gibt Gonçalves kund. Warum solle nicht die optimale Struktur für einen Ausstellungsbau zweimal auf der Welt vorkommen dürfen? Nieder mit dem Unikatswahn!
Bei Zumthor ist die Sache also einfach. Bei Mies nicht: Was in Berlin steht, hatte er zuvor für Schweinfurt vorgesehen, als „Museum Georg Schäfer“. Doch dem Stadtrat grauste vor den Kosten. Also schob Mies den Entwurf Berlin unter, wo man es bekanntlich mit dem Rechnen nicht so hat. Aber der Ursprung des legendären Baus liegt auch nicht in Schweinfurt, sondern in Santiago de Cuba, wo er als Bacardi-Fabrik gedacht war. Das verhinderte Fidel Castro, indem er die Schnaps-Kapitalisten auf die Bermudas vertrieb. Zumthors Bau fürs Vorarlberger Handwerk hat also Ähnlichkeit mit einem Kunsttempel in Ostdeutschland, der eine Rumfabrik in der Karibik sein sollte, die als Galerie einer süddeutschen Stadt zu teuer war. Egal: Function follows form.
Wäre es eigentlich schlimm, wenn der Bau sowohl in Berlin stünde als auch in Schweinfurt und Santiago de Cuba, und wenn schon, denn schon, dann auch in Shenzhen oder Ougadougou? Der Brillanz des Entwurfs würde es nichts nehmen, Mies bleibt Mies, und schließlich hat der Philosoph Walter Benjamin schon anno 1935 in seiner Schrift über das „Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ das Vervielfältigen als Prinzip der Moderne erkannt. Schade nur, dass sich Zumthor zwar inspirieren, aber nicht für direktes Nachbauen hergibt. Ein Genie, das absichtsvoll ein anderes Genie kopiert – das brächte eine Aura, nein: zwei Auren, die kein Bau eines einzelnen Großmeisters hinkriegt.
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