Text: Iris Kopf
Augsburg leuchtet“, schrieb die Süddeutsche Zeitung, als 2009 die Stadtbücherei eröffnet wurde. Das von Schrammel Architekten entworfene Gebäude mit seinen großflächigen Glasfassaden zeigt Offenheit, Transparenz und überraschte mit einem außergewöhnlichen Lichtkonzept. Letzteres wurde in integraler Planung unter Federführung vom Bartenbach LichtLabor aus Aldrans bei Innsbruck entwickelt. Lichtplaner und Architekten legten dabei größten Wert auf die Nutzung von möglichst viel Tageslicht. Ziel war ein Maximum an Behaglichkeit und Aufenthaltsqualität im Innenraum.
Doch ob diese Eigenschaften im Endeffekt tatsächlich erreicht werden, bleibt häufig offen, denn sie sind schwer messbar. Besucherzahlen gelten hier als ein wichtiger Indikator. Der Leiter der Stadtbücherei Augsburg, Manfred Lutzenberger, sagt: „Seit der Eröffnung wurden weit über eine Million Besucher gezählt und über 20.000 Neuanmeldungen registriert. Viele Besucher kommen nur, um die offene, transparente und lichtdurchflutete Atmosphäre zu genießen.“ Eine derart hohe Resonanz hatte man ursprünglich nicht erwartet.
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Gut durchleuchtetes Konzept
Das dreigeschossige Büchereigebäude über viertelkreisförmiger Grundfläche haben die Architekten als offenes Buch mit Bücherstütze interpretiert. Die verglaste Ostfassade gliedert sich in farbige „Buchseiten“ und steht mit der verglasten Südfassade im Kontrast zu der mit Streckmetall verkleideten West- und Nordfassade. Im Innern erstreckt sich über alle Etagen ein offener Bereich, der die zentrale Treppenanlage aufnimmt. Die Belichtung erfolgt über drei mit reflektierendem Spezial-Aluminium ausgekleidete „Lichttrompeten“, die die Dachfläche über dem Treppenauge durchstoßen und wie große Sonnentrichter selbst bei bedecktem Himmel das Tageslicht auffangen. In ihrem Innern verteilen mehr als 400 präzise aufeinander ausgerichtete, dreieckige Spiegelfacetten diffuses Tageslicht gezielt in die Räume. Dadurch ist die Grundbeleuchtung gesichert, aber auch der natürliche Tagesrhythmus im Haus erlebbar. Einen besonders reizvollen Effekt erzeugen die in die Lichttrompeten zusätzlich integrierten gläsernen Prismenstäbe. Sie zerlegen das Licht in seine Spektralfarben und lassen im Treppenhaus kleine Regenbögen auf den weißen Brüstungsflächen tanzen. Bei der Planung hatte der Architekt ursprünglich plastische, die Dachfläche durchdringende Lichtrohre vor Augen – in Anlehnung an die bekannten, meist gläsernen zylindrischen Lichtröhren, die das Tageslicht senkrecht in die Räume leiten. Die trichterförmige Adaption sowie Entwicklung und Detailplanung dieser Lichttrompeten erfolgte gemeinsam mit Bartenbach LichtLabor.
An den Fassaden sorgen Lichtlenk-Lamellen aus hochreflektierendem Aluminium nicht nur für effektiven Sonnenschutz. Auch sie lenken Tageslicht über reflektierende Deckenpaneele weit in den Raum hinein. Bücherregale und Lesezonen werden auf diese Weise gleichmäßig und blendfrei mit bis zu 25 Prozent mehr Tageslicht beleuchtet als durch ausschließlich direkten Einfall von Seitenlicht. Dadurch ließ sich die Zuschaltung von Kunstlicht deutlich reduzieren. Der erreichte Tageslichtquotient, der die im Raum erlebbare Tageslichtstärke im Verhältnis zur Lichtstärke draußen angibt, beträgt etwa drei Prozent – ein sehr hoher Wert für Räume ohne Oberlichter.
Die Lichtlenk-Lamellen bieten nicht nur Sonnen- und Blendschutz, sondern werten die Räume durch natürliche Lichtstimmungen qualitativ auf. Auf Kunstlicht kann tagsüber weitgehend verzichtet werden. Dadurch werden auch die ambitionierten Vorgaben für den Energieverbrauch erreicht. Dazu bedurfte es zudem einer ausgeklügelten Gebäudeautomation: Man benötigte sensorgesteuerte Rollos für Sonnenschutz und Lichtlenkung, automatisch gesteuertes Kunstlicht, motorisch betriebene Klapp- und Drehflügelfenster und mehr. Der Tageslichteinfall wird über den Gebäudeleitrechner reguliert. Die Lichttechnik trägt wesentlich dazu bei, dass der ursprünglich errechnete Gesamtenergiebedarf des Gebäudes von jährlich 170 kWh/m² auf die vom Bauherrn geforderten 126 kWh/m² gesenkt wurde. Dem LichtLabor-Planungsteam um Helmut Guggenbichler gelang es, die Hälfte der geforderten Senkung des Gesamtenergiebedarfs allein durch die Nutzung des Tageslichtes zu realisieren.
Iris Kopf ist freiberufliche Baufachjournalistin in Neuruppin.
Das Bartenbach LichtLabor empfiehlt
Durch Licht – vor allem durch Tageslicht – lassen sich nachweislich die mentale Energie und damit Aktivität und Wohlbefinden steigern. Die mentale Leistung kann teilweise mehr als 20 Prozent angehoben, Stresserscheinungen und Ermüdung können hingegen vermindert werden, wenn bei der Konzeption von Tageslichtbeleuchtung auf Folgendes geachtet wird:
• ausreichende Intensität,
• angepasste und optimierte Lichtverteilung,
• geeignete Sonnenschutzmaßnahmen (Rücksicht auf solare Nutzung),
• den visuellen Wahrnehmungsanforderungen entsprechende Leuchtdichteverteilungen,
• ausreichende Sicht nach außen und
• optimal angepasste Kunstlichtergänzung.
Im besten Fall sollten mehr als 80 Prozent der Aufenthalts- beziehungsweise Arbeitsbereiche mit Tageslicht versorgt sein. Dieser Anteil muss nicht zwangsläufig durch die Erhöhung der Glasflächen erreicht werden. Mit einer gut durchdachten Tageslichtlösung kann die Größe der Lichteintrittsflächen beibehalten oder sogar geringfügig verkleinert werden.
Mit Kenntnissen über die Beschaffenheit des Tageslichts kann dieses angepasst, und optimal ausgerichtet, so genutzt werden, dass sich auch die Kosten für die Komponenten Klima, Lüftung, Kunstlichtergänzung und Fassadengestaltung reduzieren. Aufgrund baulicher Einschränkungen ist die Umsetzung jedoch oft schwierig. Bereits in der Planungsphase eines Gebäudes muss deshalb die Tageslichtnutzung einbezogen werden. Kunstlicht als Ergänzung oder Ersatz des Tageslichts sollte die oben genannten Kriterien erfüllen. Blendfreiheit muss gewährleistet sein, um die psychische Belastung möglichst gering zu halten. Auch sollte das Kunstlicht mit seinen adaptierten spektralen Eigenschaften und seiner Farbwiedergabe die Qualität des Tageslichts bestmöglich simulieren, damit neben den Anforderungen, die das visuelle System des Menschen stellt, auch das nichtvisuelle System als Zeitgeber für den Tag-Nacht-Rhythmus, zur Regulierung der Körpertemperatur und weiterer Funktionen positiv unterstützt werden kann. Neben der Qualität von Kunstlicht ist seine Quantität von Bedeutung. Die Wahl des Leuchtmittels ist ebenso entscheidend wie die Wahl optimal angepasster Leuchten. Aus Sicht der Energieeffizienz lassen sich mit neuen Technologien (LED) Sparmaßnahmen ergreifen – sowohl bei den Leuchtmitteln als auch bei ihren Betriebsgeräten. Beim Kunstlicht wie auch beim Tageslicht und bei deren Kombination ist die Raumnutzung ausschlaggebend für die Wahl des Leuchtensystems. Sie beeinflusst erheblich das Lichtmilieu und den Energieverbrauch. In Bezug auf die optische Wahrnehmung haben Materialien und Oberflächen den größten Einfluss. Ihr Reflexionsvermögen hängt von deren Beschaffenheit ab und lässt sich mit einem innovativen Lichtkonzept gezielt planen.
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