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„In Brüssel Eindruck machen“

Am 25. Mai ist Europawahl. Ein Termin für Architekten? Ja, meint Ruth Schagemann: Viele Themen des Berufsstands werden hier entschieden

27.04.20145 Min. Kommentar schreiben
Foto: akbw.de
Ruth Schagemann ist Architektin, Vorsitzende der Arbeitsgruppe Berufsausübung beim Architects‘ Council of Europe (ACE), Koordinatorin des European Network of Architects‘ Competent Authorities (ENACA), Mitglied im Koordinierungskreis Europa der Bundesarchitektenkammer und federführend für nationale und internationale Berufspolitik in der Architektenkammer Baden-Württemberg tätig. (Foto: akbw.de)

Interview: Roland Stimpel

Viele EU-Bürger sind unzufrieden mit Europa. Man könnte Protest ausdrücken, indem man gar nicht oder eine Splittergruppe wählt.

Beides würde das Europäische Parlament schwächen, aber nicht die Verwaltung, die Kommission und den Europäischen Rat. Wo es in Europa Bürokratie gibt, könnte diese sich ungestörter entfalten. Gerade wer zu viel Bürokratie sieht, sollte das Parlament als demokratisch gewähltes Element stärken. Zumal es auch für unseren Berufsstand ein wichtiger Hebel ist, um in Europa Einfluss zu nehmen.

Haben Architekten denn Einfluss in Brüssel?

Durchaus, wenn wir uns einig sind. Dafür arbeiten wir im Architects‘ Council of Europe. In ihm sind 47 Organisationen aus 37 Ländern mit insgesamt einer halben Million Architekten organisiert. Das ist schon eine ordentliche Zahl, die selbst in Brüssel Eindruck macht. Zumal wir immer wieder darauf hinweisen, dass nur mit guten Arbeitsbedingungen für Architekten auch Ziele wie Baukultur und Verbraucherschutz am Bau zu erreichen sind.

 

Bewirkt die Europaarbeit auch etwas?

Ein aktuelles Beispiel ist die sogenannte Berufsqualifikationsrichtlinie, die vor Kurzem verabschiedet wurde. Nach ihr kann ein Architekt in jedem EU-Land arbeiten, wenn er mindestens vier Jahre studiert hat und zwei Jahre Praxis vorweisen kann oder wenn er ein fünfjähriges Studium absolviert hat. Wir haben in Brüssel mit Erfolg für diese Mindestzeiten gekämpft, damit einerseits niemand mit einer unangemessen kurzen Ausbildung in Europa als Architekt firmiert, es also keine schlecht qualifizierte Konkurrenz gibt. Und damit andererseits auch deutsche Architekten dank ihrer Ausbildung möglichst ungehindert im Ausland tätig werden können.

Die Richtlinie ist durch; was kommt jetzt?

Jetzt geht es um die Umsetzung in nationales Recht – alle Mitgliedsstaaten haben zwei Jahre Zeit, ihre Gesetze anzupassen. In Deutschland heißt das, dass alle Bundesländer ihre Architektengesetze angleichen. Außerdem müssen sich derzeit alle Mitgliedsstaaten einem Transparenzverfahren unterziehen, in dem sie ihre Regulierungen kontrollieren, die sich auf das Berufsbild des Architekten auswirken. Auch da gibt es natürlich viel für uns zu tun. Wir arbeiten in Sachen Europa in beide Richtungen: Wir transportieren Anliegen unserer Architekten nach Brüssel. Und wir setzen uns dafür ein, dass aus Brüsseler Vorgaben das Bestmögliche in Deutschland gemacht wird.

Sie arbeiten von der Architektenkammer Baden-Württemberg aus. Wieso findet Europa-Politik in Stuttgart statt, nicht nur in Brüssel oder Berlin?

In Berlin und Brüssel sitzen europapolitisch engagierte Kollegen der Bundesarchitektenkammer. Für das Thema ist es aber auch wichtig zu wissen, welche Wünsche und Chancen Architekten im Alltag mit Europa verbinden, welche Probleme und Sorgen sie umtreiben. Als Länderkammer haben wir täglich Kontakt mit der Praxis und bekommen immens viele Informationen aus erster Hand. Die Kammer Baden-Württemberg unterstützt die Bundesarchitektenkammer darin, diese Themen nach Europa zu tragen.

Hat das bisher niemand gemacht?

Jahrzehntelang hat die Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen das Feld großartig bearbeitet und unter der Führung von Wolfgang Haack die Europaarbeit mit viel Weitblick vorangetrieben. Diese Arbeit will die Architektenkammer Baden-Württemberg für ganz Deutschland fortsetzen. Wir profitieren ja auch von Leistungen, die andere Länderkammern für uns erbringen.

Was steht in nächster Zeit noch an?

Ein Dauerthema ist die Deregulierung, also die Abschaffung nationaler Vorschriften. Auf der einen Seite will die EU Hürden zwischen den einzelnen Ländern einreißen und Bedingungen einheitlich halten. Das geht am besten mit eher wenigen Regeln in den einzelnen Ländern – weshalb Brüssel gern dereguliert. Auf der anderen Seite darf diese Deregulierung aber nicht das Mindestniveau in den Keller treiben. Bei der Ausbildung konnten wir das verhindern. Jetzt haben wir die Bauvorlageberechtigung im Visier. Auch hier kämpfen wir dafür, dass nach unserem bewährten System nur derjenige Pläne einreichen darf, der dafür gut genug qualifiziert ist. Auch die deutsche Kammerstruktur insgesamt muss als funktionierendes System in der EU beworben werden.

Wie sieht es mit der Honorarordnung aus?

Diese gilt seit 2009 nur für Büros mit Sitz im Inland. Da kann niemand von einem Zugangshemmnis reden. Architekten, die sich in Deutschland niederlassen wollen, müssen sich genauso daran halten wie die inländischen. Zurzeit ist es sogar eher so, dass sich immer mehr Mitgliedsstaaten für ein Honorarsystem interessieren.

Drohen ausländische Discount-Anbieter?

Nein. In Deutschland werden zwar wichtige Bauten häufig und gerne von ausländischen Architekten geplant – bis hin zum Reichstag in Berlin. In kleineren Alltagsaufgaben bekommen aber auswärtige Büros hier nur schwer ein Fuß in die Tür. Nicht weil sie gehindert würden, sondern weil Sprache, Gesetze, technische Regeln und andere Besonderheiten am Bau von ausländischen Architekten eine Einarbeitung verlangen, die sich bei kleineren Projekten oft nicht lohnt. Das ist ja für deutsche Architekten im Ausland genauso. Ein Großteil allen Planens und Bauens wird immer im jeweiligen Land bleiben.

Sollte Architektur-Europa deutscher werden?

Auf keinen Fall geht es um eine Nationalisierung europäischer Politik. Insofern gefällt mir die Frage nicht. Ich finde aber, dass vieles bei uns wirklich gut geregelt ist. Aber natürlich holen wir uns Anregungen aus Europa und profitieren von den Erfahrungen der anderen Mitgliedsstaaten.

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