Text: Cornelia Dörries
Gemeinhin gilt die Lichtplanung in der Freiraum- und Landschaftsarchitektur als Aufgabe spezialisierter Fachingenieure. Ihnen geht es vorrangig um Normen, Beleuchtungsstärken und Straßenkategorien; um Fragen der Verkehrssicherheit und der Energieeffizienz. Lichtplanung im Freiraum ist meist kein verbindlicher Bestandteil der Ausbildung angehender Garten- und Landschaftsarchitekten. Doch es gibt Ausnahmen: Hans-Jürgen Krenzer gehört zu den wenigen Spezialisten auf diesem Gebiet, die ihr Wissen an den Nachwuchs weitergeben. Der Landschaftsarchitekt mit einem eigenen Büro in Tann in der Rhön unterrichtet an der Fakultät Landschaftsarchitektur der FH Erfurt und bietet dort seit fünf Jahren auch ein Licht-Seminar an: Neben den allgemeinen Grundlagen der Lichtplanung lernen die Studierenden in einem sehr praxisorientierten, experimentellen Teil, wie man Landschaft mit Licht gestalten, aber auch verunstalten kann. „Auf diesem Gebiet geht einfach nichts über Ausprobieren“, so Krenzer. „Das ist auch im Berufsalltag nicht anders. Wenn ich die Beleuchtung für einen Park plane, bin ich drei bis vier Nächte lang draußen.“
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Natur als gestalterische Größe
Doch wie geht ein Landschaftsarchitekt vor, wenn es um die optimale Lichtplanung für den Außenraum geht? „Die landläufige Lösung besteht leider oft darin, sich Vertreter von Herstellern kommen zu lassen“, weiß Krenzer. „Die präsentieren ihre Modelle, aus denen man sich dann das Passende auswählt.“ Das Passende wofür? Am Anfang darf nicht die Auswahl der Geräte stehen, sondern ein gründlich erarbeitetes, integriertes Beleuchtungskonzept. Es muss neben gestalterischen Aspekten Fragen der Sicherheit, des Umwelt- und Naturschutzes sowie den jeweiligen baulichen und landschaftlichen Kontext berücksichtigen. Grundsätzlich wird unterschieden zwischen dem sogenannten Licht zum Sehen, das der Orientierung dient, dem Licht zum Hinsehen, das bestimmte Elemente oder Bereiche betont, und dem Licht zum Ansehen, bei dem das Licht selbst – wie im Falle des Kronleuchters – zum Objekt wird.
Anders als in Innenräumen müssen bei der Lichtplanung im Außenbereich zahlreiche veränderliche Faktoren einbezogen werden. Neben dem Lauf der Sonne sind der Wechsel der Jahreszeiten und des Wetters sowie der Wandel der Vegetation wichtige Einflussgrößen. Gerade diese naturgegebene und variierende Vielfalt offeriert ein ungeheures gestalterisches Potenzial. „Wenn man bedenkt, welche Möglichkeiten allein ein Wasserlauf bietet“, schwärmt Hans-Jürgen Krenzer. „In Verbindung mit Licht lassen sich mit diesem Element beeindruckende Effekte erzielen.“ Er selbst nutzte das meditative Spiel von Licht und Wasser bei der Außenraumgestaltung eines Seniorenheims. Da die zumeist bettlägerigen Bewohner ihre Zimmer nur noch selten verlassen, inszenierte Krenzer einen künstlichen Bachlauf vor den Fenstern, der abends angestrahlt wird und die Zimmerwände dann mit zarten Lichtreflexen überzieht. „Lichtgestaltung bleibt in ihrem Effekt ja nicht notwendigerweise auf den Außenbereich beschränkt“, sagt der Landschaftsarchitekt. „Gerade bei der Inszenierung eines Fensterblicks wird aus dem Dunkel, in das man nachts durch das Fenster blickt, für den Betrachter drinnen ein lebendiger Raum.“ Doch nicht alles, was nachts leuchtet, ist immer wünschenswert. Lichtplaner greifen mit ihrer Arbeit zum Teil massiv in die Lebensbedingungen von Tier und Pflanze ein. Jeder weiß um die unzähligen Insekten, die alljährlich an künstlichen Lichtquellen zugrunde gehen. Doch mithilfe insektenverträglicher Lampen, die Licht nur in bestimmten Wellenlängen abgeben, lässt sich dieses Problem technisch heute schon lösen. Nach wie vor dramatische Auswirkungen hat das von Menschen in die Landschaft eingebrachte künstliche Licht allerdings auf Zugvögel, die sich bei ihrem nächtlichen Flug normalerweise an den Gestirnen orientieren, doch bei Nebel oder hoher Luftfeuchtigkeit auf starke Lichtquellen zufliegen und dort tödlich kollidieren. So kostet beispielsweise die knapp acht Kilometer lange, hell erleuchtete Öresundbrücke zwischen Dänemark und Schweden während der Vogelzüge an manchen Tagen bis zu 1.000 Tieren das Leben. Auch die Lichtglocken, die sich bei dunstigem Wetter über Städten bilden, stellen eine große Gefahr für Vogelschwärme dar. Sie verlieren aufgrund der verwirrenden Vielzahl der Lichtquellen ihre Orientierung, um nach endlosem Kreisen erschöpft zu verenden. Ständige Beleuchtung setzt aber auch Bäumen und Pflanzen zu, deren natürlicher, lichtgesteuerter Rhythmus durcheinanderkommt. Sie werden auf diese Weise dauerhaft geschwächt und gehen vorzeitig ein. „Landschaftsplaner müssen sich deswegen mit dem Problem des Lichtsmogs auseinandersetzen“, sagt Krenzer. Auch Hans Hermann Wöbse gibt in seinem Buch „Landschaftsästhetik“ aus dem Jahr 2003 zu bedenken: „Nicht nur aus ästhetischer Sicht ist die Notwendigkeit der nächtlichen Lichterflut zu hinterfragen, beeinträchtigt sie doch unser ästhetisches Empfinden … In jedem Fall sollte man mit künstlichem Licht behutsam umgehen. Der Mensch braucht zur Regeneration seiner Sinnesorgane den Wechsel von hell und dunkel wie den von laut und leise.“ Doch in weiten Teilen der verstädterten Welt sind Himmelsphänomene wie die Milchstraße oder bestimmte Sternenkonstellationen nicht mehr zu sehen. Daher weist die Unesco seit 1999 so genannte Dark Sky Places aus, spezielle Lichtschutzgebiete, in denen das nächtliche Dunkel weitgehend unbeeinträchtigt von künstlichem Licht zu erleben ist. Gerade strukturschwachen Regionen, in denen es naturgemäß dunkler ist als anderswo, bringt der Unesco-Titel oft einen Attraktionsgewinn. Seit Februar 2014 hat Deutschland ein Lichtschutzgebiet, den sogenannten Sternenpark im Westhavelland in Brandenburg. Doch auch die Rhön, Hans-Jürgen Krenzers Heimat, bemüht sich um dieses Prädikat. Der Landschaftsarchitekt hat selbst schon einen Beitrag dafür geleistet: Als die Neugestaltung des alten Wehrfriedhofs in Rasdorf anstand, sollsetzte Krenzer zur Inszenierung der Sehenswürdigkeit auf sehr zurückhaltende Leuchten, die ihr Licht gezielt nach unten abgeben und intelligent über einen Zeitschalter gesteuert werden. Schließlich hätte eine helle Beleuchtung im Widerspruch zu dem Bemühen um den Sternenpark-Status der Region gestanden.
Eine nicht zu unterschätzende Bedeutung kommt bei solchen Konzepten auch der Wirkung der Leuchten bei Tageslicht zu. Damit befasst sich nur wenige Autominuten von Krenzers Hörsaal in Erfurt entfernt der Landschaftsarchitekt und Lichtplaner Simon Micha Karsunke. Seit 2009 betreibt er in der kleinen thüringischen Gemeinde Stadtilm das „Atelier Sonnenseite“. Der gebürtige Ostwestfale kam nach seinem Abschluss als Landschaftsarchitekt an der Hochschule Ostwestfalen-Lippe in Höxter und einem anschließenden Aufbaustudium der Lichttechnik an der TU Ilmenau in den 5.000-Seelen-Ort am Fuße des Thüringer Waldes. Dort begann er zunächst als Gestalter in der Leuchtenfirma seines Schwiegervaters zu arbeiten und baute dort eine Kreativabteilung für Sonderanfertigungen auf.
Im eigenen Büro kann er nun die planerisch-gestalterischen Kompetenzen des Landschaftsarchitekten mit den lichttechnischen Kenntnissen des Ingenieurs verbinden. „Ich hatte es mir einfacher vorgestellt“, gibt der junge Architekt zu. „Gerade im ländlichen Raum hat man es mit dieser Spezialisierung sehr schwer.“ Zwar stellen viele Kommunen ihre Ortsbeleuchtung auf neue Leuchtmittel um oder schreiben städtebauliche Vorhaben mit Beleuchtungskonzepten aus. Doch Karsunke erlebt oft, dass gerade die Lichtplanung ohne gestalterische Inhalte erfolgt. „Da werden Standardmodelle aufgestellt – Hauptsache, sie entsprechen der DIN.“
Dabei gibt es inzwischen viele Freiraum-Projekte, die belegen, welchen Gewinn eine individuelle Lichtplanung gerade an prominenten Plätzen bringt.
So sind zum Beispiel die von Hafenkränen inspirierten, knallroten Lichtmasten am Schouwburgpleijn in Rotterdam auch tagsüber ein markantes platzgestalterisches Element. Und auch der Bahnhofsvorplatz in der Landeshauptstadt Erfurt hat durch die sensible Lichtplanung an Qualität gewonnen, ebenso wie die Hafencity in Hamburg. Noch sind es vor allem die prestigeträchtigen Vorhaben, bei denen die meist öffentlichen Bauherren auch ein angemessenes Budget für neue Beleuchtungskonzepte bereitstellen und die Aufgabe nicht den Vertretern der Herstellerfirmen überlassen. Aber mit der Verbreitung hoch effizienter Lichttechnologien wie LED eröffnen sich ganz neue Einsatz- und Gestaltungsmöglichkeiten. Die Stunde von Spezialisten, die sich mit dieser Technologie auskennen und damit zugleich gestalten können, kommt jedenfalls noch.
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Sehr geehrte Frau Dörries,
vielen Dank für Ihren kompetenten und einfühlsamen Beitrag, den Sie über die guten und schlechten Seiten moderner Aussen-Beleuchtung geschrieben haben. Tatsächlich fällt der unbewusste und missbräuchliche Einsatz neuer Lichttechnik im Aussen-Raum immer auffallender „ins Auge“. Schall und Licht befinden sich auf einer körperlosen Ebene und berühren uns deshalb auf der physischen scheinbar nicht. Lärm- bzw. Lichthygiene können helfen, sind aber im Gegensatz zur körperlichen Hygiene immer noch viel zuwenig entwickelt. Je billiger und einfacher Leuchtmittel verkauft und eingesetzt werden, je weniger Strom sie verbrauchen, umso inflationärer erhellt sich momentan unsere nächtliche Umwelt. Ist gut und schön, was leuchtet? Gilt das für Nachbars des Nachts in rotierendes Farbenspiel getauchtes Rosenbeet oder für solarbetriebene Rasenlichter ganzer Kleingartenkolonien – auch wenn niemand da ist? Manche Hausnummernbeleuchtung fällt ebenfalls in diese nichtssagende Kategorie. Die Scheinwerfer neuer Autos samt gleißendem Drumherum brennen sich gefühlt allzuoft in die Netzhaut ein – selbst tagsüber! Für Auge und Sehnerv bedeuten diese fokussierten Lichtbündel blendende Strapaze, wenn nicht sogar irgendwann Gesundheitsschäden – for what? Kein Wunder also, dass inzwischen mit Dunkelreservaten geworben wird. Nächtliche Dunkelheit muss in unseren Breiten also schon bewahrt werden?! Danke deshalb allen Nachtverschönerern und Lichtplanern für bewusstes Bemühen um wohltuende Lichthygiene und auch manch schönen Effekt, der mit LEDs möglich ist. Für Sonne, Mond und Sterne sind sie dann keine Konkurrenz, wenn auch oft völlig unnötig …